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10/31/2007 11:05

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Dr. Christian Jung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
VolkswagenStiftung

    Forschungsstelle Schulwandbilder der Universität Würzburg zeigt Ausstellung "Eurovisionen": Schulwandbilder aus vergangenen Jahrzehnten erklären Europas Entwicklung. VolkswagenStiftung förderte zugrunde liegendes Forschungsprojekt mit 321.000 Euro.

    "Europa ist der kleinste, aber der gebildetste Erdteil; die Europäer übertreffen alle übrigen Völker der Erde an Künsten und Wissenschaften, sowie an Macht" - so steht es in deutscher, lateinischer, französischer, englischer und italienischer Sprache in einer Fassung des "Orbis Pictus" aus dem Jahre 1842. Dieses "eurozentrische Weltbild und hybride Selbstverständnis der Europäer gehörte lange Zeit zum Stereotyp der 'europäischen Identität'", schreiben Professor Dr. Walter Müller und Dr. Katharina Uphoff begleitend zu ihrer Ausstellung über Schulwandbilder an der Universität Würzburg. In der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe diese Haltung wesentlich dazu beigetragen, dass nicht die weltbürgerlichen "Euro-Visionen" der Aufklärung politisch vorherrschend wurden, sondern Nationalismus, Imperialismus, Kolonialismus, Chauvinismus und Rassismus: "Jene Erblasten also", betonen die Ausstellungsmacher, "die nicht zuletzt bis heute Haupthindernisse einer übergreifenden europäischen Integration sind."

    Die Schau "Eurovisionen" wird vom 15. November 2007 bis 15. Februar 2008 in der Universität Würzburg gezeigt. Die Bilder sind während der Öffnungszeiten der Universität zu sehen am Lehrstuhl für Schulpädagogik/Forschungsstelle Schulwandbilder, Wittelsbacher Platz 1, 2. Etage.

    Stichwort Schulwandbilder: Manch einer wird sich an die bunten, oft wandkartengroßen Bilder erinnern, mit deren Hilfe früher der Lernstoff des Biologie-, Geschichts-, Geographie- oder Religionsunterrichts möglichst anschaulich nahe gebracht werden sollte. Der Hauch von Nostalgie, der diese Objekte heute umweht, trübt den Blick dafür, wie sehr sie als Dokumente der Schulgeschichte Aufmerksamkeit verdienen - zeigen sie doch anschaulicher und direkter als Lehrpläne, was aus der weiten Welt ins Klassenzimmer drang, wie die Wahrnehmung der Schüler planvoll gelenkt und wie auch im Dienste von Ideologien das Weltbild der heranwachsenden Jugend manchmal bewusst verengt wurde.

    Die Schulwandbilder-Ausstellung konzentriert sich vor allem auf die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, in der versucht wurde, unter anderem die genannten "Erblasten" durch eine gezielte Europaerziehung zu bewältigen. Bei der Betrachtung dieser Bilder wird deutlich, inwieweit die ökonomische Perspektive zunehmend an Bedeutung gewinnt.

    "Schulwandbilder spielten vor allem im letzten Drittel des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine zentrale pädagogisch-didaktische und methodische Rolle im Unterricht; die Bilder, die in der Nachkriegszeit produziert wurden, sind in ihrem historischen Quellenwert jedoch ebenso aussagekräftig wie die Bilder der Hauptblütezeit", erläutert Katharina Uphoff. Die Ausstellung "Eurovisionen" an der Würzburger Universität ist ein anschauliches Beispiel dafür. Hier hängen Schulwandbilder über die Geschichte der Menschheit und Europa im Werden, über Wege zur Vereinigung Europas; thematisiert werden "Mitteleuropa - Bergbau und Industrie" ebenso wie die Alpenländer, Österreich oder die Schweiz.

    Hintergrund zum Forschungsvorhaben:
    Die Forschungsstelle Schulwandbilder an der Universität Würzburg wurde im Mai 2003 am dortigen Lehrstuhl für Schulpädagogik eröffnet. Besondere Bedeutung für die Entstehung kommt einem inzwischen abgeschlossenen, von der VolkswagenStiftung mit insgesamt 321.000 Euro geförderten vierjährigen Forschungsprojekt zu. Ziel des Vorhabens war es, eine Gesamtdokumentation der zwischen 1830 und 1990 im deutschsprachigen Raum erschienenen Schulwandbilder zu erstellen.

    Und das gelang. Professor Walter Müller und sein Team etablierten eine breite Quellenbasis, die nunmehr Forschungs-, Illustrations- und Ausstellungszwecken zu Gute kommt: Knapp 15.000 Datensätze mit fast 8.000 Bildanbindungen ermittelten die Wissenschaftler, erhoben die dazu verfügbaren bibliografischen Daten, systematisierten diese und stellten - soweit möglich - die aktuellen Standorte der Bilder fest. Dadurch wurden die wertvollen historischen Quellen erstmals in großem Umfang für Forschung, Lehre, Ausstellungen und Illustrationszwecke erschlossen. Für drei Viertel der Schulwandbilder machten die Forscher Begleitliteratur ausfindig, die wichtige Aufschlüsse gibt über die pädagogisch-didaktischen Intentionen und die Kontexte, in denen die Bestände zum Einsatz kamen.

    Deutlich wird an vielen Beispielen, wie sehr die Wandbilder die Erziehungsabsichten, den Zeitgeist und das Schulwissen der verschiedenen Epochen widerspiegeln. So etwa, wenn in einem Jahreszeitenzyklus zum Thema "Der Winter" im Laufe der Jahre die technischen und industriellen Errungenschaften der jeweiligen Ära in die Szenerie Eingang fanden. Auch die Abbildung einer "vorbildlichen" Schulszene aus des Kaisers Zeiten ist höchst aufschlussreich: An der Wand hängt Wilhelms Konterfei, die Kinder sitzen aufrecht und sittsam in den Bänken - Ausdruck des Ideals preußischer Disziplin und Zucht.

    Nicht minder aussagekräftig und zugleich entlarvend sind die Wandbilder aus der Zeit des Nationalsozialismus. In der Darstellung von Episoden aus dem Märchen Dornröschen grüßt der Prinz die Maid, während er sie wach küsst, gleichzeitig mit dem Hitlergruß. Wobei die Subversivität dieser Indoktrination darin besteht, dass der Hitlergruß sich in die Art-Deco-Manier dieses Wandbildes ganz unauffällig einfügt. "Gerade solche Beispiele zeigen, wie hervorragend die historischen Schulwandbilder geeignet sind, den Kindern heute die Augen für untergründige Botschaften in der multimedialen Welt zu öffnen", sagt Müller. Man könne also an ihnen die Fähigkeit schulen, versteckte Aussagen in einem Bild zu entschlüsseln.

    Darüber hinaus können die Forscher durch ihre Arbeit auch Angaben zu den Produktionsstätten der Schulwandbilder machen: Etwa 150 Verlage sind in dem untersuchten Zeitraum mit deren Herstellung befasst gewesen. Ferner sind quantitative Aussagen über die Gestalter und Herausgeber der Schulwandbilder möglich. Wie viele Maler waren bei einem Verlag mit der Produktion von Schulwandbildern beschäftigt, welchen Anteil an der Gesamtproduktion hatten einzelne von ihnen inne, welche Schulfächer wurden von welchen Verlagen bevorzugt abgedeckt ...? Und sogar der kunstgeschichtlich Interessierte wird in dem Fundus fündig - zum Beispiel mit einem opulenten Schulwandbild, das der Nazarener Schnorr von Carolsfeld für den Religionsunterricht zum Thema "Jakob ringt mit dem Engel" gestaltet hat.

    Für Schulkinder aber sind die bunten Bilder letztlich oft sogar noch mehr gewesen als bloßes Anschauungsmaterial: die einzige Augenweide in einem ansonsten meist öden Klassenzimmer.

    Mit ihrer "Gesamtdokumentation Schulwandbilder" besitzt die Würzburger Forschungsstelle nach eigener Aussage die weltweit größte Spezialdatenbank für schulische Anschauungsbilder. Dabei sollen nun in der nächsten Zeit auch Bilder aus anderen europäischen Ländern hinzukommen. Geplant ist ein EU-Kooperationsprojekt zu schulischen Geschichtsbildern mit den Niederlanden und Dänemark.

    Weitere Informationen zur Forschungsstelle Schulwandbilder gibt es unter http://www.schulwandbild.philfakiii.uni-wuerzburg.de.

    Kontakt Ausstellungsort
    Universität Würzburg
    Forschungsstelle Schulwandbilder am Lehrstuhl für Schulpädagogik
    Wittelsbacher Platz 1
    97074 Würzburg
    Telefon: 0931 5888 - 4868
    E-Mail: ina.uphoff@mail.uni-wuerzburg.de

    Kontakt Förderprojekt
    Universität Würzburg
    Lehrstuhl für Schulpädagogik
    Professor Dr. Walter Müller
    Telefon: 09 31/888 - 4867/8 oder 09 31/888 - 4849
    E-Mail: walter.mueller@mail.uni-wuerzburg.de

    Kontakt VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 0511 8381 - 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Den Text der Presseinformation und ein Bild finden Sie im Internet unter http://www.volkswagenstiftung.de/service/presse.html?datum=20071031.


    Images

    Criteria of this press release:
    Art / design, History / archaeology, Media and communication sciences, Music / theatre, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results
    German


     

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