Wiesbaden - Die therapeutischen Vorteile so genannter Analogpräparate werden häufig unterschätzt. Dies ist ein Fazit des Herbstsymposiums der Korporativen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), das kürzlich mit Vertretern aus Gesundheitswesen, Medizin und Recht in Wiesbaden stattfand. Ebenso kritisch sei es, Leitsubstanzen für die Therapie festzusetzen, wie das Beispiel Osteoporose zeigt.
Grundlage für den Begriff ist die seit 1982 bestehende Klassifikation nach Fricke und Klaus: Danach ist ein "Analogpräparat" ein Medikament, das ein Hersteller aufbauend auf einem bekannten Wirkstoff oder Wirkprinzip entwickelt hat. "Anhand dessen lässt sich jedoch zunächst, d.h. bei Einführung, noch keine sichere Aussage hinsichtlich einer therapeutischen Gleich- oder Überlegenheit treffen", betonte Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Dres. h.c. Ernst Mutschler auf dem Symposium, das in diesem Jahr unter dem unter dem Titel "(Verantwortungsvolle) Patientenversorgung unter den regulierten Bedingungen mit Analogpräparaten und Leitsubstanzen" tagte.
Der Pharmakologe aus Frankfurt warnte davor, Analogpräparate generell als Me-too- und damit als Nachahmerpräparate ohne Zusatznutzen zu bezeichnen. Es könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass es sich bei Analogpräparaten um Scheininnovationen handele. Denn nicht wenige dieser Pharmaka hätten sich in der breiten Anwendung als vorteilhaft - als Schrittinnovationen - erwiesen. Einige seien sogar zur Leitsubstanz für eine bestimmte Therapie geworden. Welches Arzneimittel einer Wirkstoffgruppe als erstes die Zulassung erhält und welche Substanz 'das Nachsehen' hat - und damit als "Analogpräparat" gilt, sei zudem nicht selten auch von Zufällen abhängig, gab Dr. Franz-Josef Wingen, Sprecher der Korporativen Mitglieder der DGIM aus Leverkusen zu bedenken.
Im Hinblick auf die für 2008 geplante Festsetzung weiterer Leitsubstanzen warnten die Experten vor noch mehr "Listenmedizin". "Denn weitere gesetzliche Reglementierungen des Verordnungsverhaltens der Ärzte beeinträchtigen die Therapiefreiheit", mahnte Professor Dr. Ulrich R. Fölsch vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. "Wir können den Herausforderungen der medikamentösen Therapie nur durch harte Daten und nicht durch Meinungen und Pauschalen begegnen", ergänzte Professor Dr. med. Georg Ertl als, Würzburg, als Vorsitzender der DGIM.
Die Anwesenden gaben zudem zu bedenken, dass sich die medikamentöse Therapie nicht allein am Preis der Arzneimittel orientieren darf. Welche Konsequenzen dies haben kann, machte Dr. med. Anton Hümpfner, Saarbrücken, am Beispiel der Bisphosphonate deutlich: Die Festsetzung einer "Leitsubstanz" vermittele die Annahme, die Präparate seien austauschbar, so der niedergelassene Internist. "Bisphosphonat ist aber nicht gleich Bisphosphonat, die Präparate unterscheiden sich erheblich in der Geschwindigkeit, im Ausmaß und in der Dauer des Frakturschutzes in den verschieden Skelettregionen". Durch den regressbedrohten Zwang zur Verordnung der Leitsubstanz, die nur einen unteroptimalen Frakturschutz bietet, wird der Mehrheit der betroffenen Osteoporose-Patienten der Zusatznutzen des überlegenen Analog-Bisphosphonat-Präparats vorenthalten. Aufgrund der daraus resultierenden höheren Rate an nicht-verhinderten Frakturen, insbesondere von kostenintensiven Schenkelhalsfrakturen, sind auch die vermeintlichen Kostenvorteile der preiswerten Generikum-Leitsubstanz rasch dahin.
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