Insgesamt sieben positiv evaluierte Forschungsprojekte aus Geschichte, Linguistik, Philosophie, Paläoanthropologie, Musikwissenschaften und Theologie werden 2008 in das Akademienprogramm aufgenommen. Wie auf der Sitzung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) am 19. November 2007 beschlossen wurde, stehen für die neuen Projekte 2,44 Millionen Euro zur Verfügung, der gesamte Haushalt des Akademienprogramms wird 2008 bei 45,9 Millionen Euro liegen. Davon werden insgesamt 157 Vorhaben in 202 Arbeitsstellen finanziert.
Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert dieses umfassendste deutsche Forschungsprogramm der Geisteswissenschaften, seit 2005 wird es bundesweit ausgeschrieben. Vier der nun geförderten Anträge stammen von externen Antragstellern, drei sind intern generiert. Bei allen Vorhaben handelt es sich um modular gestufte, langfristige Forschungsprojekte von überregionaler Bedeutung.
Die Themen der neuen Projekte sind:
"The role of culture in the early expansion of humans"
Dafür, dass die Erfolgsgeschichte des Menschen in Afrika begann, gibt es immer mehr Beweise. Doch warum machte sich der frühe Mensch von dort aus auf den Weg? Und was half ihm dabei, den gesamten Erdball zu kolonisieren und andere Hominide zu verdrängen? Volker Mosbrugger und Friedemann Schrenk vom Senckenberg-Museum in Franfurt am Main sowie Nicholas John Conard und Volker Hochschild von der Universität Tübingen wollen in dem Projekt die Hypothese prüfen, dass es Kultur und Technik waren, die den Menschen immer unabhängiger von Umweltbedingungen machten und es ihm ermöglichten, sich auch in unwirtlichen Gebieten niederzulassen. Das Projekt soll rekonstruieren, wie sich Klima, Flora und Fauna in den Gebieten änderten, die Homo sapiens besiedelte, wie die biologische Evolution der Hominiden vor sich ging und welche kulturellen und technischen Entwicklungen sich aus Grabungsfunden ableiten lassen. Diese Daten werden in ein geographisches Informationssystem integriert, so dass die Muster der Expansion und deren Ursachen sichtbar werden. Außerdem stellen die Forscher die bereits vorhandene Literatur zusammen und standardisieren sie; Grabungen an ausgewählten Stellen sollen das Bild von der kulturellen Evolution des Menschen ergänzen. Die Arbeitsstellen sind in Tübingen und Frankfurt am Main angesiedelt.
"Germania Sacra"
Über Jahrhunderte hinweg fehlte dem Heiligen Römischen Reich eine funktionierende politische Organisation. Dass es dennoch zusammenhielt, ist den Kirchen zu verdanken. Ihre Langlebigkeit und ihre Unabhängigkeit von Erbfolgen ermöglichten eine stetige politische Ordnung und die Fortentwicklung fürstlicher Herrschaft zum Staat. Teils übernahmen die gebildeten Vorsteher der Kirchen selbst weltliche Macht, teils erarbeiteten Kleriker Techniken des Herrschens und Verwaltens, die von Laien übernommen wurden. In Deutschland prägten die Kirchen wesentliche Teile der Politik- und Sozialgeschichte bis zum Ende des Ancien Régime. Um der sozialhistorischen Forschung eine sichere Quellenbasis zu bieten, komplettieren Helmut Flachenecker von der Universität Würzburg sowie Frank Rexroth und Hedwig Röckelein von der Universität Göttingen in dem Projekt "Germania Sacra" eine Edition zur Geschichte der Bistümer, Klöster und Stifte des Alten Reiches. Die historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Heiligen Römischen Reiches wurde am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen begonnen und geht nun ins Akademienprogramm über. Die Arbeitsstelle des Projektes ist in Göttingen angesiedelt.
"Regionalsprache.de (REDE). Ein Forschungsprojekt zu den modernen Regionalsprachen des Deutschen"
Bislang gibt es weder eine umfassende Beschreibung der deutschen Regionalsprachen der Gegenwart noch eine Informationsstruktur, die die bereits vorliegenden Forschungsresultate auf die modernen Regionalsprachen des Deutschen bezieht. Jürgen-Erich Schmidt und Joachim Herrgen vom Forschungsinstitut für deutsche Sprache der Universität Marburg wollen dies ändern. Mit Regionalsprache.de soll ein forschungszentriertes Informationssystem entstehen, das nicht nur die Literatur zusammenfasst, sondern auch anhand von Tonaufnahmen die Struktur und Dynamik der Regionalsprachen erhebt. Auf der Basis des "Digitalen Wenker-Atlasses", des ältesten und nach Datenumfang und Ortsnetzdichte größten Sprach-Atlasses der Welt, soll der Wandel der derzeit gesprochenen Regionalsprachen empirisch fundiert analysiert werden. Die Arbeitsstelle des Projektes wird in Marburg aufgebaut.
"Nietzsche Kommentar"
Obwohl Friedrich Nietzsche das anthropologische Denken, die philosophische Diskussion, die Literatur, die psychologische Analyse und die Kulturkritik stark beeinflusst hat, gibt es keinen übergreifenden Kommentar zu seinem Gesamtwerk. Auch der Nietzsche-Edition von Colli und Montinari, die die Werke und Briefe Nietzsches in 50 Bänden zugänglich gemacht hat, fehlt ein wissenschaftlicher Basiskommentar. Diese Lücke will das Projekt von Jochen Schmidt von der Universität Freiburg, wenn auch nur im Bezug auf das von Nietzsche selbst veröffentlichte Werk, schließen: Um die historischen, literarischen und philosophischen Voraussetzungen Nietzsches ermitteln zu können, sind sechs Kommentarbände zu Nietzsches Werken geplant, ein siebter Band soll Verzeichnisse und Register enthalten. Die Arbeitsstelle wird in Freiburg sein.
"Codex Diplomaticus Saxoniae"
Wie die Wettiner als eine der führenden fürstlichen Dynastien im hoch- und spätmittelalterlichen Deutschland geherrscht haben, welche territorialstaatliche Politik sie betrieben und welche Stellung sie im Reich einnahmen, untersucht künftig der "Codex Diplomaticus Saxoniae". Matthias Werner von der Universität Jena und seine Kollegen setzen so den ersten Hauptteil des großen "Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae" aus den 50-er Jahren des 19. Jahrhunderts fort, der die Urkunden der Markgrafen von Meißen, Kurfürsten und Herzöge von Sachsen und der Landgrafen von Thüringen aus den Jahren 948 bis 1485 enthalten sollte. Sie schaffen damit ein elementares Quellenwerk zum Aufstieg des Kernraumes des mittelalterlichen Deutschen Reiches zu einer kulturell, politisch und wirtschaftlich führenden Region. Auf dieser Grundlage kann die Mittelalterforschung künftig ein zu Unrecht vernachlässigtes Themengebiet bearbeiten. Die Arbeitsstelle des Projektes ist in Dresden angesiedelt.
"Wissenschaftliche Herausgabe der Werke Max Regers"
Max Reger (1873-1916) ist neben Richard Strauss und Gustav Mahler einer der bedeutendsten Repräsentanten der musikalischen Moderne des deutschsprachigen Kulturraums. Dennoch führt er in der Musikwissenschaft und im Musikleben ein unverdientes Schattendasein - nicht zuletzt, weil die vorliegende Gesamtausgabe seiner Werke so unzulänglich ist, dass jeder am Original Interessierte sich mühsam selbst einen Blick über die Quellenlage verschaffen muss. Dieses Hindernis wollen Susanne Popp vom Reger-Institut Karlsruhe und Thomas Seedorf von der Hochschule für Musik Karlsruhe nun beseitigen. Die geplante wissenschaftlich-kritische Edition soll die Orgelmusik, die Lieder und die Chöre sowie die Bearbeitungen und Fassungen Max Regers enthalten. Die Arbeitsstelle wird in Karlsruhe aufgebaut.
"Novum Testamentum Graecum: Editio Critica Maior"
Bisher gab es keine Ausgabe des griechischen Neuen Testaments, die auf dem gesamten Material beruht, das für die Geschichte seines Textes relevant ist. Diese Überlieferung erstmals in einer möglichst ursprungsnahen Gestalt zu rekonstruieren und in der "Editio Critica Maior" herauszugeben, haben sich nun Holger Strutwolf und seine Kollegen vom Institut für Neutestamentalische Textforschung der Universität Münster vorgenommen. Zugleich wollen sie die Varianten für Untersuchungen zur Auslegungsgeschichte zugänglich machen und alle verwendeten Materialien über das Internet publizieren, so dass sich künftig Forschung und Lehre einen direkten Weg zur handschriftlichen Überlieferung bahnen können. Die Erkenntnisse der Edition sollen in künftige Ausgaben des Neuen Testamentes einfließen. Die Arbeitsstelle ist in Münster angesiedelt.
Ihre Ansprechpartner
Bärbel Lange, die Koordinatorin des Akademienprogramms für die Akademienunion, unter Tel. 06131 / 21 85 28-17 oder per E-Mail unter baerbel.lange@akademienunion.de
Myriam Hönig, die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Akademienunion, unter Tel. 030 / 325 98 73 70 oder per E-Mail unter hoenig@akademienunion-berlin.de
Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von acht Wissenschaftsakademien, die sich zur Umsetzung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen haben. Unter dem Dach der Union sind mehr als 1600 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedenster Fachrichtungen vereint, die zu den national und international herausragenden Vertretern ihrer Disziplinen gehören. Die Union koordiniert das "Akademienprogramm", das eines der größten und bedeutendsten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Sie fördert die Kommunikation zwischen den Akademien, betreibt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und organisiert Veranstaltungen über aktuelle Probleme der Wissenschaft. Die Akademienunion kommuniziert mit Wissenschaftsorganisationen des In- und Auslandes und entsendet Vertreter in nationale und internationale Wissenschaftsorganisationen. Eine organisierte Zusammenarbeit der deutschsprachigen Akademien der Wissenschaften gibt es bereits seit über 100 Jahren. Sie geht zurück auf das sogenannte "Kartell", das 1893 in Leipzig für die Betreuung von über 30 gemeinsamen Akademie-Forschungsvorhaben gegründet wurde.
Criteria of this press release:
Art / design, History / archaeology, Language / literature, Music / theatre, Philosophy / ethics, Religion, Social studies
transregional, national
Research projects, Science policy
German
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