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12/14/2007 09:19

Fibrillen-bildende Peptide im Sperma verstärken die HIV-Infektion

Willi Baur Pressestelle
Universität Ulm

    Eine neue Studie zeigt, dass Bruchstücke eines Eiweißes, das im Sperma im Übermaß vorhanden ist, die Infektiosität des AIDS Virus (HIV) drastisch steigert. Dieser "HIV-Verstärker" könnte eine wesentliche Rolle bei der Ausbreitung von HIV in der menschlichen Population spielen, weil die meisten der jährlich etwa 4 Millionen Neuinfektionen durch Kontakt mit HIV-infiziertem Sperma beim heterosexuellen Kontakt erfolgen. Diese Entdeckung verbessert nicht nur das Verständnis der sexuellen Übertragung von HIV, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten diese zu verhindern, berichten die Forscher in der Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Cell vom 14. Dezember.

    Die Forschergruppen unter der Leitung von Jan Münch und Frank Kirchhoff von der Universität Ulm und Wolf-Georg Forssmann von ViroPharmaceuticals aus Hannover konnten zeigen, dass Fragmente eines in großen Mengen vorhandenen Spermamarkers, der sogenannten Sauren Prostataphosphatase (PAP), amyloide Fibrillen ausbilden. Diese Fibrillen, als SEMEN-ENHANCER OF VIRUS INFECTION oder kurz "SEVI" bezeichnet, binden HIV-Partikel mit hoher Effizienz und verstärken die Anheftung der Viren an die Zielzellen. Die Forscher konnten außerdem belegen, dass Sperma selbst die HIV Infektion fördert und Beweise dafür vorlegen, dass SEVI deutlich zu diesem verstärkenden Effekt beiträgt. "Die enorme Effizienz von SEVI, die großen Mengen des Vorläufereiweißes im Sperma und die Tatsache, dass die Virusmenge, die beim heterosexuellem Verkehr übertragen wird, normalerweise zu gering für eine erfolgreiche Infektion ist, machen es äußerst wahrscheinlich, dass diese Fibrillen wichtig für die sexuelle Übertragung des HI-Virus sind" meinten die Forscher.
    "Die Stärke der Effekte war überraschend. In Gegenwart von SEVI benötigten wir nur einige wenige Viruspartikel um Zellen zu infizieren - mehr als 1000-fach weniger als sonst", sagte Frank Kirchhoff, der Seniorautor der Studie. "Dies ändert die bisherige Lehrmeinung, dass nur ein kleiner Teil der Viren infektiös ist."
    Die Forscher zeigten auch, dass die Fähigkeit der Fibrillen virale Infektionen zu verstärken nicht nur auf HIV beschränkt ist. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das Auftreten derartiger Fibrillen weit häufiger ist als bisher angenommen und keinesfalls nur auf Erkrankungen wie Alzheimer beschränkt ist. "Derzeit kennt man etwa 30 Krankheiten, die mit amyloiden Ablagerungen assoziiert sind und amyloide Fibrillen werden auch von manchen Bakterien und Pilzen produziert", sagt Jan Münch, Erstautor der Studie. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass amyloide Aggregate eine Rolle bei der Übertragung und Pathogenität einer ganzen Reihe von Krankheitserregern spielen könnten" .
    Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation haben sich allein im Jahr 2006 etwa vier Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert und etwa drei Millionen Menschen sterben derzeit jährlich an AIDS. Obwohl die meisten Infektionen auf den Kontakt mit HIV-infiziertem Sperma beim Geschlechtsverkehr zurückzuführen sind, ist nur wenig darüber bekannt, welche Faktoren die Infektiosität des Virus im Sperma beeinflussen.
    In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher eine Peptidbank, die von der Arbeitsgruppe um Wolf-Georg Forssmann aus menschlicher Seminalflüssigkeit hergestellt worden war - eigentlich mit dem Ziel neue Hemmstoffe zu finden. Mit einer ähnlichen Strategie gelang es Ihnen zuvor einen neuen Hemmstoff im Blut zu identifizieren, der den Eintritt des Virus in die Zelle durch einen neuartigen Mechanismus blockiert (beschrieben in der Ausgabe vom 20 April von Cell). Unerwarteterweise hemmte keine der 300 Fraktionen, die eine Vielzahl von Verbindungen aus dem Sperma enthalten, das Virus. Im Gegenteil, eines der Peptidgemische verstärkte die HIV-Infektion mit hoher Effizienz.
    Weitere Untersuchungen zeigten, dass das aktive Gemisch Bruchstücke der Sauren Prostataphosphatase enthielt. Zunächst waren die Forscher etwas ratlos, weil frische Lösungen von synthetisch hergestellten Fragmenten keinen Einfluss auf die HIV Infektion hatten. Allerdings beobachteten sie rasch, dass die Lösungen nach kurzer Zeit trübe und aktiv wurden. Anschließend entdeckten die Wissenschaftler, dass die Eiweißbruchstücke kleine Stäbchen, sogenannte Fibrillen, ausbilden und konnten zeigen, dass diese Strukturen, als SEVI bezeichnet, tatsächlich für die Steigerung der HIV Infektion verantwortlich sind.

    SEVI bindet Viruspartikel und erhöht die Zahl der infizierten Zellen dadurch, dass es die Virus-Zellinteraktion und dadurch das Verschmelzen der Virushülle mit der der Wirtszelle verstärkt. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Sperma die HIV Infektion unter manchen Bedingungen um mehrere Größenordnungen steigert und das Fibrillen-bildende PAP Fragmente entscheidend dazu beitragen", berichten die Forscher. "Leider werden in naher Zukunft keine effektiven Impfstoffe oder Mikrobizide zur Verhinderung der HIV Übertragung verfügbar sein", bemerkt Kirchhoff. Deswegen besteht ein dringender Bedarf an alternativen Strategien um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Derzeit arbeiten die Forscher an der Entwicklung von Substanzen, welche die Ausbildung der Fibrillen oder zumindest ihre verstärkende Wirkung blockieren. Wenn dies gelänge, hätte man wahrscheinlich ein Mittel das Risiko der sexuellen Übertragung von HIV deutlich zu reduzieren.

    Münch et al.: "Semen-derived Amyloid Fibrils Drastically Enhance HIV Infection." Publishing in Cell ... http://www.cell.com

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Frank Kirchhoff, frank.kirchhoff@uniklinik-ulm.de, Tel. 0731 500-65109 oder Prof. Dr. Jan Münch, jan.muench@uniklinik-ulm.de, Tel. 0731 500-65132, beide Universität Ulm,


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    Prof. Jan Münch (li) und Prof. Frank Kirchhoff
    Prof. Jan Münch (li) und Prof. Frank Kirchhoff

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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Prof. Jan Münch (li) und Prof. Frank Kirchhoff


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