Friedrich-Schiller-Universität Jena stellt Denkschrift zur universitären Bildung vor
Jena (17.07.07) Zeiten von Umbrüchen sind auch immer Zeiten für Reflexionen. Wenn diese Umbrüche dann noch in die Zeit eines Jubiläums, das wiederum ein Anlass zur Selbstbesinnung ist, fallen, dann können grundlegende Schriften entstehen. Dies ist im Fall der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die 2008 ihr 450. Jubiläum begeht, mit einer streitbaren Denkschrift zur universitären Bildung geschehen. In intensiver Arbeit ist das Memorandum "Das Spezifikum universitärer Bildung" entstanden, das jetzt als Band 1 der "Texte zum Jenaer Universitätsjubiläum" beim Verlag IKS Garamond in Jena erschienen ist.
Ziel des Memorandums ist es, "den Stand der universitären Lehre unter den aktuellen hochschulpolitischen Rahmenbedingungen darzustellen und selber in die Diskussion einzugreifen und sie zu gestalten", sagte bei der Präsentation der Schrift am 17. Dezember Rektor Prof. Dr. Klaus Dicke. In Zeiten der Bologna-Reform und der Umstellung auf Bachelor-/Master-Studiengänge sei eine Selbstreflexion über die Grundlage der modernen Universität notwendig geworden, so der Jenaer Rektor weiter. Daher habe er diese Schrift vor zwei Jahren beim damaligen Prorektor für Lehre Prof. Dr. Stefan Matuschek angeregt. "Jetzt liegt eine Denkschrift vor, an der sich zahlreiche Jenaer Professorinnen und Professoren beteiligt haben, um ein aktuelles Leitbild für Studierende und Lehre aufzustellen", sagt Dicke. "Ein Leitbild", so der Rektor weiter, "das für die Jenaer Universität gelten soll, aber genauso auf andere Universitäten in Europa übertragbar ist".
Universitäre Bildung im Spannungsfeld zwischen beruflicher Ausbildung und an der Universität selbst generierter Bildung
Im Mittelpunkt des dichten Textes steht die Auffassung, dass die untrennbare Verflechtung von Forschung und Lehre als Grundlage sowie eine Gewichtung von Sach-, Sozial- und Urteilskompetenz als Ziel Kriterien für universitäre Bildung sind. "Denn universitäre Bildung steht heute im Spannungsfeld zwischen beruflicher Ausbildung und an der Universität selbst generierter Bildung", erläutert der Germanist Prof. Matuschek. Wegen dieser permanenten Schaffung neuen Wissens muss auch weiterhin "die Personalunion von Lehrer und Forscher" gegeben sein, betonen die Jenaer Autoren. Dies gelte "grundsätzlich für jeden Einzelnen, nicht aber für das gesamte Themenspektrum seiner Lehre". Universitäre Lehre sei deshalb forschungsorientiert und fordere von Lehrenden wie Lernenden eine "kritische Denkhaltung", für deren Entfaltung der notwendige Raum geschaffen werden müsse. Daher seien Begegnungen zwischen Lehrenden und Lernenden jedweder Nationalität notwendig und dürften auch durch Studienreformen nicht eingeschränkt werden. Andererseits, so die Jenaer Schrift, "ist im universitären Studium der Zusammenhang von Kompetenzerwerb und ,forschender' Innovation angelegt, und daher sind Studierende, die sich eine ausschließliche Fach- oder Berufsausbildung wünschen, an der Universität nicht am richtigen Ort".
Diejenigen Studenten jedoch, die sich dem innovativen, (selbst-)kritischen Denkanspruch stellen, sollten auf Hochschullehrer treffen, die als ständige Experimentatoren mit hoher Sozialkompetenz unterweisen, irritieren und Neues provozieren. "Der Hochschullehrer wirkt über sein eigenes Auftreten, seine Forschung und seine von ihm im Bildungsprozess begleiteten Studierenden in die Gesellschaft hinein und wirkt darüber an der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von Kultur und Gesellschaft mit", formulieren die Jenaer Autoren hohe Ansprüche an die Hochschullehrer - also sich selbst.
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen
Doch dieses gemeinsame Bildungsziel kann nur erreicht werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, also die politischen Entscheidungsträger auch in Zeiten ökonomischer Zwänge angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung stellen - wozu sie selten bereit sind. Um die Zukunftsfähigkeit zu erhalten, ist aber gerade eine ausreichende Finanzierung notwendig. Einhergehen muss damit auch eine beständige kritische Überarbeitung des Bologna-Prozesses, die weg vom jetzt geforderten anzutrainierenden Lehrbuchwissen wieder hin zum kritischen Selbstdenken führt.
"Das Memorandum versteht sich bei aller Kritik nicht als Streitschrift gegen Bologna", resümiert Prof. Dicke. Doch dem vorherrschenden politisch-wirtschaftlichen Druck auf die Universität müsse begegnet werden, ohne ihn zu ignorieren. Vor diesem Hintergrund hat die Friedrich-Schiller-Universität diese Anforderungen an Studierende und Lehrende formuliert sowie gegenwärtige und zukünftige Rahmenbedingungen von Universität analysiert. Ziel der Denkschrift sei es, so Dicke, "vielleicht nicht einen neuen, aber doch einen kräftigen, selbstbewussten und in den Zeiten von Bologna, Exzellenzinitiative, Globalisierung und grundlegender Neuordnung des Verhältnisses von Staat, Gesellschaft und Universität richtungsweisenden Typus von Universität zu verwirklichen - das ist die Aufgabe, für welche die Friedrich-Schiller-Universität aus ihrem 450. Jubiläum im Jahre 2008 Energien schöpfen will."
Friedrich-Schiller-Universität Jena (Hg.): Das Spezifikum universitärer Bildung, Verlag IKS Garamond, Jena 2007, 44 Seiten, Preis: 3,80 Euro, ISBN 978-3-938203-56-9
http://www.iks-jena.de/verlag/lb_titel_01.php?id=978-3-938203-56-9
Cover der Jenaer Denkschrift.
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Rektor Klaus Dicke (l.) und Professor Stefan Matuschek mit der neuen Denkschrift der Friedrich-Schil ...
Foto: Peter Scheere/FSU
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interdisciplinary
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Rektor Klaus Dicke (l.) und Professor Stefan Matuschek mit der neuen Denkschrift der Friedrich-Schil ...
Foto: Peter Scheere/FSU
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