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12/20/2007 15:16

Langsam, aber tödlich: Frankfurter Wissenschaftler erforschen Gene und Gifte der Kegelschnecken

Ricarda Wessinghage Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.

    Medizinische Biologen haben es auf die Gene und Gifte der Kegelschnecken abgesehen: Erkenntnisse über die Wirkung der Conotoxine auf das Nervensystem dienen der Entwicklung neuer Medikamente, etwa gegen chronische Schmerzen. Eine Frankfurter Arbeitsgruppe wird als Teil eines EU-Großprojekts mit 250.000 Euro gefördert.

    Das EU-Großprojekt "CONCO" mit 20 Projektpartnern von Universitäten und Firmen aus 12 europäischen Staaten und den USA wurde im Februar 2007 mit dem Ziel gestartet, die Gifte, die Genetik und Biologie der marinen Kegelschnecken (lat.: Conus) zu erforschen. Das multinationale Forschungsprojekt wird hierfür von der Europäischen Union mit 10.7 Mio. Euro über fünf Jahre unterstützt. Beteiligt an dem wissenschaftlichen Projekt ist auch das Frankfurter Zentrum für Rechtsmedizin am Klinikum der J. W. Goethe-Universität. Die Arbeitsgruppe am Institut für Forensische Medizin unter der Leitung von Dr. Silke Kauferstein wird mit 250.000 Euro gefördert. Biologin Dr. Kauferstein erhofft sich unter anderem mit Hilfe dieser Forschungserkenntnisse neuartige Arzneimittel zu entwickeln. Bei einem Meeting der CONCO-Forschungsgruppen am 4. und 5. Dezember in Utrecht (NL) stellten die Teilnehmer neue Ergebnisse vor. So wurde von der erfolgreichen Durchführung zweier Expeditionen nach New Caldedonien und Polynesien berichtet. Während dieser Forschungsreisen konnte zahlreiches Material für die anstehenden Studien gesammelt werden. Ebenso wurden die Fortschritte der Weiterentwicklung eines bereits patentierten Toxins dargestellt.

    "Die Genom- wie auch die Proteom-Forschung haben in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht", sagt Dr. Kauferstein. Mittels der Analyse des Genoms wie auch des Giftes eines solchen Gifttieres, in der Fachsprache Venom oder Proteom genannt, sind laut Kauferstein "mit Sicherheit wichtige Erkenntnisse über die Evolution eines Giftes, seine genetischen Grundlagen und die Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen wie exogenen Stress zu erwarten". Auch ließen diese Analysen, so Kauferstein weiter, "Rückschlüsse über die Ursachen und Mechanismen zu, die zur großen Diversität dieser Toxine führen".

    "Interessanter Giftcocktail" aus 200 Peptiden
    Kegelschnecken sind für die Genomforschung und Toxikologie so interessant, weil es von ihnen mehr als 700 Arten gibt, die sich in ihrer Größe, der Musterung und Farbgebung ihrer Schale unterscheiden, aber eines gemeinsam haben: ihre besondere Art des Nahrungserwerbs. Hierfür setzen sie ein Gift ein, das sie mit einem Pfeil in ihre Beute, Fisch, Wurm oder Schnecke, schießen, was diese binnen Sekunden lähmt. Die so genannten Conotoxine in den Giften sind kleine Eiweißmoleküle (Peptide) mit höchst spezifischer Wirkung auf das Nervensystem. Davon sind in einem Gift mehr als 200 verschiedene vorhanden, die in ihrer Gesamtheit einen äußerst wirksamen und für die Forscher interessanten Giftcocktail darstellen. Biologen wie Dr. Kauferstein suchen nach neuen Peptiden in den Giften der Kegelschnecken, die bestimmte Strukturen des Nervensystems, Ionenkanäle und Rezeptoren, angreifen. Diese Strukturen können zum einen im Rahmen der Schmerzweiterleitung eine Rolle spielen, zum anderen aber auch in der Betäubung wichtig sein. Eines dieser Toxine ist inzwischen als Arzneimittel mit dem Namen "Prialt" auf dem Markt. Es hilft hocheffektiv gegen chronische Schmerzen. Die Vielzahl der in einem Gift enthaltenen Conotoxine bietet somit eine Fülle von Möglichkeiten zur Entwicklung von neuartigen, biologischen Arzneimitteln.

    Artenreichtum der Kegelschnecken: Potenzial für eine Vielzahl neuer Wirkstoffe
    Ferner wirft allein der Artenreichtum der Familie der Kegelschnecken eine Fülle von Fragen für die Forscher auf. So ist von mindestens 200 Peptiden im Gift einer einzelnen Schnecke auszugehen, neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass es durchaus mehr sind. So würden die 700 Arten mehr als
    140.000 Substanzen bilden, die damit ein überaus reiches Arsenal interessanter Wirkstoffe darstellen. Mit modernen Methoden der Analytik soll die chemische Struktur dieser Conotoxine aufgeklärt werden. In einer Reihe von Testsystemen soll ihre Wirkung auf biologische Systeme wie Nervenmembranen, isolierte Rezeptoren und Ionenkanäle aufgeklärt werden, um die Substanzen herauszufinden, die sich für eine Weiterentwicklung zu einem Arzneimittel eignen könnten. Eine eigens für das Projekt gegründete Stiftung, die Toxinomics Foundation mit Sitz in Genf, ist im Rahmen des CONCO-Großprojekts eine Neuerung und wird die verschiedenen Forschungsaktivitäten koordinieren, die Ergebnisse und ihre Verwertung verwalten, kontrollieren und schützen.

    Das Kegelschnecken Genomprojekt
    Von der Entschlüsselung der genetischen Bausteine der Kegelschnecken, ihrer DNA-Sequenz, erhoffen sich die Forscher Einblicke in das System, welches die Giftigkeit eines Tieres bestimmt. Das renommierte J. Craig Venter Institut in Rockville, USA, in welchem das menschliche Genom erstmals entschlüsselt wurde, ist in dieses Projekt eingebunden und wird versuchen, auch das Genom einer Kegelschnecke aufzuklären.

    Weitere Informationen finden Sie unter: www.conco.eu

    Frankfurt am Main, 20. Dezember 2007

    Für weitere Informationen:

    Dr. Silke Kauferstein
    Institut für Forensische Medizin
    Klinikum der J.W. Goethe-Universität Frankfurt/ M.
    Fon (0 69) 63 01 - 7564
    Fax (0 69) 63 01 - 84017
    E-Mail kauferstein@em.uni-frankfurt.de
    Internet www.kgu.de

    Ricarda Wessinghage
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Klinikum der J.W. Goethe-Universität
    Frankfurt/ M.
    Fon (0 69) 63 01 - 77 64
    Fax (0 69) 63 01 - 8 32 22
    E-Mail ricarda.wessinghage@kgu.de


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    Abb. 1: Das Gift wird im schlauchförmigen Giftkanal gebildet (a). Die im Radulasack befindlichen, pfeilförmigen Radulazähnchen werden in den Pharynx (Schlund) transportiert, hier mit Gift gefüllt und mit hohem Druck aus dem Proboscis (Schlundrohr) in das Beutetier geschossen (b). Jeder Zahn ist ein eingerolltes Chitinblättchen und stellt einen mit Widerhaken versehenen hohlen Pfeil dar.
    Abb. 1: Das Gift wird im schlauchförmigen Giftkanal gebildet (a). Die im Radulasack befindlichen, pf ...
    Copyright: Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main
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    © Thierry Parel
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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    regional
    Research projects, Research results
    German


     

    Abb. 1: Das Gift wird im schlauchförmigen Giftkanal gebildet (a). Die im Radulasack befindlichen, pfeilförmigen Radulazähnchen werden in den Pharynx (Schlund) transportiert, hier mit Gift gefüllt und mit hohem Druck aus dem Proboscis (Schlundrohr) in das Beutetier geschossen (b). Jeder Zahn ist ein eingerolltes Chitinblättchen und stellt einen mit Widerhaken versehenen hohlen Pfeil dar.


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