idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/18/2000 15:21

Weltkongreß BIOTECHNOLOGY 2000 zeigte Zukunftschancen der Biotechnologie

Dr. Christine Dillmann Kommunikation
DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V.

    Nach einer Woche intensiver Diskussionen ging am 8. September in Berlin der Weltkongreß BIOTECHNOLOGY 2000 erfolgreich zu Ende. Mit mehr als 3.700 Teilnehmern aus 71 Ländern war dieser 11. Biotechnologiekongreß der IUPAC, der alle vier Jahre auf einem anderen Kontinent stattfindet, der mit Abstand größte dieser Reihe . Die Organisation des Kongresses lag bei der DECHEMA Gesellschaft für Chemi-sche Technik und Biotechnologie e.V.

    Von den Teilnehmern kamen 44 % aus Deutschland, 30 % aus anderen europäischen Ländern und 26 % aus Übersee. Besonders stark vertreten waren die USA, Kanada, Japan, Schweiz, Großbritannien. Aber auch Afrika, China, Taiwan, Südkorea und die Länder Osteuropas waren überdurchschnittlich präsent. Überaus großen Zuspruch fand die begleitende Ausstellung, in der 172 Biotechnologieunternehmen und Institute aus 14 Ländern ihre neuesten Entwicklungen und ihr Know-how vorstellten. Sowohl die Kongreßteilnehmer als auch die Aussteller äußerten sich überaus positiv über den Verlauf dieses Weltforums in Berlin, das mit einem hochkarätigen Programm nicht nur den Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie, sondern zahlreiche neue interna-tionale Kontakte und Kooperationen förderte. Der 12. Weltkongreß wird 2004 in Santiago de Chile stattfinden.

    In mehr als 1200 Beiträgen, darunter acht Plenarvorträge und 50 Übersichtsvorträge, 272 weitere Fachvorträge und knapp 900 Poster, wurde der neueste Kenntnisstand der modernen Biotechnologie in ihrer ganzen Breite vorgestellt. Das enorme und schnell wachsende Wissen in der Biotechnologie wurde hier eindrucksvoll dokumentiert.

    Als Trend deutete sich in allen Themenbereichen des Kongresses - von den molekula-ren und zellulären Werkzeugen bis hin zu Pharmaforschung und Umweltschutz - an, daß ein Paradigmenwechsel in den biologischen Wissenschaften eingesetzt hat, da künftig jede biologische Forschung auf die Kenntnis vollständiger genetischer Datensätze zugreifen kann. Genomforschung und Gentechnik werden dabei nicht nur die medizinische Forschung beflügeln und bei der Aufklärung von Erb- und Volkskrankheiten sowie bei der Entwicklung neuer Therapeutika helfen, sondern auch zu verbesserten Verfahren für Landwirtschaft, Industrie und Umwelt führen.

    Einen neuen Ansatz im Bereich Pharma und Gesundheit wird die Molekulare Medizin ermöglichen. Bereits heute weiß man, daß etwa 30% der Medikamente auf Grund der genetischen Konstitution von Patienten nicht voll wirksam werden oder auch uner-wünschte Nebenwirkungen zeigen. Ziel muß es sein, die Patienten mit den für sie jeweils optimal geeigneten Medikamenten zu behandeln. Daher wird man zukünftig zunächst die relevanten genetischen Daten eines Patienten ermitteln und daraus auf das optimal geeignete Therapeutikum oder die optimal geeignete Therapie rückschließen. Das Prinzip "Versuch und Irrtum" gehört dann immer mehr der Vergangenheit an.

    Der Umgang mit genomischen Daten des Menschen war eines der Themen, das auch in der Sektion "Biotechnologie und Gesellschaft" behandelt wurde. Hier wurde über die gesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Erkenntnisse und Anwendungen in der Biotechnologie diskutiert. So hat die isländische Bevölkerung, die aufgrund der Insellage und Geschichte genetisch recht homogen ist, einer Analyse und wirtschaftlichen Nutzung der Daten "ihres" Genoms zugestimmt. Allerdings bleibt es dem Einzelnen überlassen, ob er seine genetischen Daten auch für eine Korrelation mit seiner Krankheitsgeschichte zur Verfügung stellt.

    Möglich wird das durch Anwendung der Chip-Technologie, die eine Analyse der Genexpression in verschiedenen Spezies gestattet. Die Chip-Technologie gestattet Aussagen darüber, welche Gene in einem Organismus unter bestimmten Bedingungen wie stark aktiv sind. Die läßt dann eben auch Rückschlüsse darauf zu, ob ein Patient ein bestimmtes Medikament gut aufnehmen und gut vertragen wird oder ob es bei ihm womöglich unwirksam sein wird. Gerade auf dem Gebiet der Chiptechnologie zeigten die Experten im Kongreß und in der Ausstellung die großen Fortschritte auf, nicht zuletzt die US-Firma Affymetrix, die solche Chips bereits kommerziell anbietet. Aber auch das DKFZ in Heidelberg sowie das MPI für Molekulare Genetik in Berlin und Bremen waren mit wichtigen und mehr grundlagenorientierten Beiträgen vertreten. Es wurde deutlich, welche außerordentlichen Herausforderungen das kommende Jahrzehnt an die Bioinformatik stellen wird, damit die von der Genomforschung erzeugten Datenmengen ausgewertet werden können. Letztlich geht es darum, die Komplexität höherer Organismen insgesamt zu verstehen und diese Erkenntnisse nutzbringend anzuwenden.

    Für Nobelpreisträger Professor Manfred Eigen gilt: auch Biologie ist berechenbar. Mit der von ihm und Professor Rudolf Rigler aus Stockholm entwickelten Technik der hochauflösenden Korrelationssfluoreszenz-Spektroskopie gelingt es bereits, ein einzelnes biologisches Molekül zu detektieren und auch zu sequenzieren. Bisher war der Nachweis nur in höheren Konzentration möglich. Bei der neuen Methode werden Moleküle mit ein oder zwei Fluoreszenzmarkern versehen und durch hochauflösende hochfokussierte Lasertechnik nachgewiesen. Neuerdings wurden damit die für Alzheimer oder die Creutzfeldt-Jakob Krankheit verantwortlichen Proteine detektiert, die aufgrund einer falschen Faltung diese schweren Krankheiten auslösen.

    Die Charakterisierung auf der Einzelmolekülebene eröffnet bisher ungeahnte Potentiale für die molekulare Diagnostik, für das Transplantatdesign und die Metastasenprävention bei Krebserkrankungen.

    Zahlreiche neue Ansätze gibt es auch in der Pflanzenbiotechnologie.
    Während man sich in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend auf Insekten- und Herbizidresistenzen in Mais, Soja, Baumwolle u.a. konzentrierte, setzt man jetzt in der zweiten Generation gentechnisch veränderter Pflanzen vorrangig auf Verbesserung der Lebensmittelqualität, zum Beispiel neue Fettsäuremuster, Vitaminanreicherung oder sogar pharmazeutische Wirksamkeit. Die ersten Versuche, Bananen zu züchten, die als Impfstoffe gegen Cholera oder Malaria eingesetzt werden können, sind erfolgver-sprechend. Bereits verfügbar ist der "goldene Reis", der höhere Vitamin A Gehalte aufweist und damit einer in Entwicklungsländern weit verbreiteten Mangelkrankheit vorbeugen könnte. Besonders erfreulich ist, daß dieses Ergebnis einer langjährigen Entwicklung dem internationalen Reisforschungsinstitut unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Vielversprechend ist auch der Stand bei der gentechnischen Züchtung kälte- und hitzeresistenter Pflanzen, die insbesondere für die dritte Welt und karge Regionen große Vorteile bringen könnten.

    Wie insbesondere die amerikanischen Referenten berichteten, haben gentechnisch veränderte Pflanzen in den USA innerhalb von drei Jahren eine hohe Akzeptanz im Markt erobert. Hier verblüffte, daß die Verbraucher in den USA als wichtigsten Grund für ihre Zustimmung den verringerten Einsatz von Pestiziden und damit den Schutz der Umwelt angeben. Im angeblich so umweltbewußten Europa spielt dieses Argument kaum eine Rolle. Immerhin wurde errechnet, daß die in den USA bislang ausgebrachten Pestizidmengen schätzungsweise jährlich ca. 70 Millionen tote Vögel und 10.000 Krebskranke zur Folge hatten. Im vergangenen Jahr wurden in den USA 37 Prozent bei Getreide, 47 Prozent der Sojabohnen, 50 Prozent Raps und 48 Prozent der Baumwolle aus gentechnisch veränderten Sorten angebaut. Dadurch konnten erhebliche Einsparung an Herbiziden und Pestiziden erreicht werden.

    An der Kennzeichnung von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Zusatzstoffe enthalten, sind die amerikanischen Verbraucher weniger interessiert, nicht zuletzt weil die Mehrkosten für ein durchgängiges Labeling in der gesamten Produktkette laut der Studie einer australisch/neuseeländischen Lebensmittelbehörde ca. 5 bis 18% betragen würden. Deshalb setzt man auf die strengen Prüfvorschriften der FDA (Federal Department of Agriculture), die eine Produkt- und Umweltsicherheit gewährleisten.

    In Europa ist man nach Ansicht vieler Referenten dagegen weit über das Ziel hinaus geschossen. Die jetzige Novel Food Verordnung der EU behindert nicht nur die Einführung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sondern auch den normalen Lebensmittelbereich. So darf die gutschmeckende Nanga-Nuß aus dem pazifischen Raum derzeit nicht importiert werden, da diese Nuß in Europa als Lebensmittel bislang unbekannt war; aber auch Kiwi, Erdbeere und Kartoffel hätten mit enormen Auflagen zu kämpfen, wenn sie erst jetzt erstmals nach Europa eingeführt werden sollten.

    Ein wichtiger Schwerpunkt dieses Weltkongresses war auch dem Bereich "Biochemical Engineering" gewidmet, der weiterhin ein unverzichtbarer Eckpfeiler für industrielle Anwendungen bleibt. Der Ersatz klassischer Prozeßschritte durch biotechnische Verfahren und die Entwicklung neuer, rein biotechnisch ausgelegter Produktionsverfahren sind weiter auf dem Vormarsch. Besonderes Augenmerk widmete der Kongreß der hocheffizienten Produktion in kleinen, gut ausgerüsteten und gut überwachten Biore-aktoren. Hier spielt die Weiterentwicklung der Mess- und Regelungstechnik eine be-sonders wichtige Rolle. Die Mess- und Regelungstechnik ist aber auch in anderen Bereichen von großer Bedeutung, beispielsweise der Medizintechnik und Umweltbiotechnologie.

    Im letzteren Bereich zeigte sich auch, daß der prozeßintegrierte Umweltschutz, der vorsorgenden Charakter hat, gegenüber den sogenannten "End-of-Pipe-Technologien" an Bedeutung gewinnt. Beispielsweise setzt ein neues Konzept auf naturnahe Strate-gien der Stoffentwicklung. Während man bislang aufwendig nach Mikroorganismen suchte, die bestimmte Problemstoffe abbauen können, geht man heute einen anderen Weg. Man verwendet von vornherein Strukturelemente und Bausteine in der Synthese, die bekanntermaßen von den häufig vorkommenden Mikroorganismen abgebaut werden. In diesem Sinne konzipiert ein großes weltweit operierendes deutsches Unter-nehmen bereits heute seine Textilhilfsstoffe.

    In den zahlreichen Vorträgen und Diskussionen zeigte sich immer wieder, daß ein eng verknüpftes Forschen zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und der Industrie über verschiedene Disziplinen hinweg nötig ist, um das Potential der Biotechnologie voll nutzen zu können. Damit verband sich auch die Forderung an eine intensivere und interdisziplinäre Ausbildung an den Hochschulen sowie an ein problemorientiertes Lernen und Forschen. Neue Ideen, flexible Forschungskonzepte und innovative Pro-duktionstechnologien sind gefordert. Hier sind die kleinen aufstrebenden Unternehmen der jungen Biotechnologiebranche bestens positioniert, um viele der in der Pipeline befindlichen Ideen und Innovationen schnell in marktgängige und qualitativ hochwertige Produkte zu verwandeln.


    More information:

    http://dechema.de/biotechnology2000


    Images

    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).