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03/27/1995 00:00

Tagung experimenteller Psychologen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Beruhigung fuer "Mathe-Muffel" - Wenn die halbe Welt nicht mehr existiert

    37. Teap: 700 experimentell arbeitende Psychologen an der RUB

    "Da hab' ich keinen Draht zu." Das sagt sich so einfach. Wenn aber bestimmte Bereiche im Gehirn nicht mehr funktionieren, dann kann man tatsaechlich mit der halben Welt nichts mehr anfangen, wie die neuropsychologischen Arbeiten von Prof. Vilayanur Ramachandran (San Diego, USA) zeigen. Er ist einer der drei Hauptredner auf der 37. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP) vom 9.- 13. April 1995 an der Ruhr-Universitaet Bochum, die von von den Bochumer Wissenschaftlern Prof. Dr. Onur Guentuerkuen (Biopsychologie), Prof. Dr. Rainer Guski (Kognitions- und Umweltpsychologie), Dipl.-Psychol. Andreas Wohlschlaeger und Carsten Walter (beide Biopsychologie) organisiert wird. Zu dieser groessten jaehrlich stattfindenden Tagung deutschsprachiger Psychologen haben sich ca. 700 Forscherinnen und Forscher aus Deutschland und dem nahen Ausland angemeldet. Rund 500 Vortraege - darunter z.B. "Sind Besserwisser auch Besserdenker" oder "Wahrnehmung bei Nebel" - und experimentelle Demonstrationen in 12 parallelen Sitzungen behandeln eine Fuelle von Themenkreisen von "Angst" ueber "Psychophysik" bis zur "Wissenspsychologie". Ein klarer Trend laesst sich aus der Bochumer Tagung schon jetzt ablesen: Die wissenschaftliche Psychologie in Deutschland wird zunehmend experimenteller und bedient sich eines immer groesseren Repertoires verschiedener Methoden, was auch dazu gefuehrt hat, dass immer oefter interdisziplinaer geforscht wird.

    Hoehepunkte der Tagung sind die drei Mittagsvorlesungen, fuer die Referentinnen und Referenten aus dem Ausland eingeladen wurden. Sie decken sehr unterschiedliche Bereiche psychologischer Forschung ab: Prof. Ramachandran stellt in seinem Vortrag "Illusions of Body Image - What they tell us about Human Nature" seine neuropsychologischen Arbeiten zu Patienten mit rechtsseitigen Hirnverletzungen vor. Seine Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, welche Auswirkungen eine solche Stoerung auf das Koerperselbstbild von Menschen hat: z.B. verlor eine Patientin durch die Hirnverletzung das Wissen um die Existenz einer Welt auf ihrer linken Seite und wusste so auch nicht mehr, dass ihre linke Hand gelaehmt war. Dass sie deshalb nicht mehr in der Lage war, beispielsweise ihre Schnuersenkel zu binden, lernte sie auch nicht nach zahllosen unbekuemmert hingenommenen Fehlversuchen. Erst als sie nach einem experimentellen Eingriff wieder das Bewusstsein fuer ihre linke Haelfte der Welt zurueckgewann, wusste sie auch wieder, dass sie schon laengere Zeit linksseitig gelaehmt war.

    'Von Natur aus' Schwierigkeiten hat unser Denken offensichtlich, wenn es sich auf die abstrakte Sprache der formalen Mathematik einstellen soll. Diese Erkenntnis von Prof. Gerd Gigerenzer wird viele Mathemuffel beruhigen. Wie der Experimentalpsychologe in seinem Vortrag "Die Rationalitaet des Schlussfolgerns" berichtet, scheitern seine Versuchspersonen zwar daran, logische Schlussfolgerungen aus statistischen Erhebungen zu ziehen. Werden ihnen die gleichen Informationen aber in einer fuer uns anschaulicheren Art und Weise vorgelegt, naemlich als Haeufigkeiten von Ereignissen, die wir aus unserem Lebensbereich kennen, treten keine Fehlurteile mehr auf. Ein weiterer Beleg dafuer, dass die spezifischen Rahmenbedingungen der menschlichen Entwicklungsgeschichte im menschlichen Denken tiefe Spuren hinterlassen haben.

    Diese These unterstuetzt auch Prof. Vicky Bruce (Stirling, England) in ihrem Vortrag "Interactions between non-verbal and verbal information in communication and cognition". Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Gesichtserkennung bei Menschen nach gaenzlich anderen Mechanismen verlaeuft als die Identifikation anderer Objekte. Dies koennte darauf hindeuten, dass die grosse kommunikative Bedeutung von Gesichtern in der Entwicklungsgeschichte des Menschen zur Ausbildung einer eigenen Struktur im Zentralen Nervensystem gefuehrt hat, die nur fuer die Gesichtserkennung zustaendig ist.

    Nach 19 Jahren kommt die TeaP wieder nach Bochum, und schon jetzt koennen die Organisatoren stolz sein: Mit rund 500 Vortraegen in insgesamt 42 Arbeitskreisen und Diskussionsgruppen laedt die Fakultaet fuer Psychologie der RUB zur bisher groessten TeaP ein.

    Das Themenspektrum reflektiert die ungeheure Breite der wissenschaftlichen Experimentalpsychologie.

    Aber auch oekologische Gesichtspunkte spielten bei der Planung der Tagung eine Rolle: Das Tagungsticket sorgt fuer stressfreie und schnelle Fortbewegung in Bochum, und die erprobte RUB- Tasse wird sich auch als Tagungstasse bewaehren.


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    Psychology
    transregional, national
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