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11/05/1997 00:00

Altägyptische Ritualszenen in einer Datenbank

Adolf Kaeser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Eine in der AEgyptologie bislang einmalige Datensammlung

    Der aegyptische Koenig bringt den Goettern ein Opfer dar. Froemmigkeit? Keineswegs - der Regent erwartet eine Gegengabe, die seinem Land zugute kommt. Mit solchen Ritualszenen aus altaegyptischen Tempeln beschaeftigen sich Wissenschaftler der Universitaet Wuerzburg.

    Wer nach den grossen Bauwerken der alten AEgypter gefragt wird, denkt wohl zuerst an die Pyramiden von Giza. Weniger bekannt ist, dass auch die zweieinhalb Jahrtausende juengeren Tempel aus der Zeit zwischen Alexander dem Grossen bis zur Christianisierung AEgyptens zu den "Giganten der Antike" gehoerten. Der Tempel von Edfu zum Beispiel ist 137 Meter lang, sein Torbau 36 Meter hoch. Die Mauern sind von Texten und Darstellungen voellig bedeckt, und allein die Publikation der Inschriften dieses einen Tempels nimmt rund 3.000 Seiten ein! Fuer eine Gesamtuebersetzung - ohne philologischen Kommentar - wuerde man doppelt soviel brauchen. Da alle Inschriften in einem Tempel sich in irgendeiner Weise mit seinem Kult beschaeftigen, stellen die aegyptischen Tempel auch die groessten "Gedankengebaeude" der Antike dar. Inschriften und Darstellungen wurden nach bestimmten Regeln angebracht. So wird kein AEgyptologe ueberrascht sein, wenn er auf einer nach Norden gerichteten Tempelwand all die Dinge findet, die mit dieser Himmelsrichtung zu tun haben, also etwa Darstellungen vom rituellen Erschlagen der Asiaten, waehrend auf der entsprechenden Suedwand das Erschlagen der Nubier gezeigt wird. Die Verteilung von Darstellungen kann sich auch aus der Funktion der Tempelraeume ergeben. So sind zum Beispiel im "Laboratorium" des Tempels von Dendara Opferhandlungen wie das UEberreichen von Myrrhe, Weihrauch oder Salben zu sehen. Solche Prinzipien sind nicht schwer zu beobachten und auch leicht verstaendlich, doch fuer den AEgyptologen liegen die Dinge schwieriger: So muss er, wenn er beispielsweise bei Ritualszenen Regeln fuer die Verteilung von Bild und Text ableiten will, zunaechst Gesetzmaessigkeiten erkennen. Es gilt, Inschriften und Darstellungen so aufzuarbeiten, dass sie vergleichbar werden - und zwar, wie dies am Wuerzburger Institut fuer AEgyptologie geschieht, mit Mitteln der elektronischen Datenverarbeitung, weil das menschliche Hirn eine solche Aufgabe nicht mehr bewaeltigen kann. AEgyptische Ritualszenen sehen in der Regel so aus, dass der regierende Koenig als der einzig zum Kultvollzug Berechtigte einer oder mehreren Gottheiten gegenuebersteht und ein Opfer bringt. Aus diesem Opfer resultiert eine Gegengabe der Gottheit fuer das Land AEgypten. Solche Opfer haben also eine Funktion fuer den Staat; mit persoenlicher Froemmigkeit haben sie nichts zu tun. Bei einer datenbankgerechten Erfassung solcher Szenen als Vorbereitung fuer eine Strukturuntersuchung aegyptischer Tempel sind alle Personen zu beruecksichtigen, die in den Szenen vorkommen. Dabei muessen auch die Namen und die auf mythologischem Kontext basierenden Beinamen aufgenommen werden, ferner Gaben und Gegengaben mit den entsprechenden Formulierungen im Text. Der genaue Anbringungsort der Szene - Tempel, Raum, Wand oder Himmelsrichtung - ist genauso wichtig wie die Datierung. Am Institut fuer AEgyptologie hat sich ein Team unter Leitung von Prof. Dr. Horst Beinlich die Aufgabe gestellt, diese Grundlagenforschung durchzufuehren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) foerdert das Projekt. Zunaechst haben die Wuerzburger Wissenschaftler rund 100 aegyptische Tempel aus der Zeit der griechisch-roemischen Herrschaft erfasst. Dabei wurden etwa 8.500 einzelne, zum Teil unpublizierte Ritualszenen mit einem eigens fuer diese Aufgabe entwickelten EDV-Programm aufgenommen. Bereits jetzt, nach nur einem Jahr Projektdauer, stelle die Wuerzburger Datensammlung eine Arbeitsgrundlage dar, wie es sie in der AEgyptologie bisher nicht gibt, sagt Prof. Beinlich: Sie erlaubt in Sekundenschnelle Recherchen, fuer die sonst selbst Spezialisten Monate benoetigen. Die Moeglichkeit, alle Angaben statistisch aufzubereiten, erleichtert die Aussagen, ob es sich bei bestimmten Phaenomenen um Regel- oder Ausnahmefaelle handelt. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Grafikprogrammes lassen sich zudem alle Beobachtungen auf Landkarten und Tempelgrund- bzw. Tempelaufrissen darstellen.

    Kontakt: Prof. Dr. Horst Beinlich, Telefon (0931) 31-2819, e-mail: aegy002@mail.uni-wuerzburg.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Social studies
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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