Wenn von Amerika die Rede ist, meint man meistens die USA. Dies ist nicht erst der Fall, seitdem die USA die einzige Supermacht der Welt sind. Schon im 19. Jahrhundert galten die Vereinigten Staaten als Hort der Demokratie und politischen Stabilität und damit auch als das eigentliche "Amerika", während Lateinamerika als geradezu permanenter Krisenherd und als Sinnbild für Instabilität und Autoritarismus gesehen wurde. Daraus hat sich dann in der öffentlichen Meinung sowie der vergleichenden Geschichts- und Politikwissenschaft eine Betonung der gegensätzlichen Entwicklungswege von Nord- und Lateinamerika entwickelt, die im Gegensatzpaar von Erfolg und Misserfolg gipfelt. Dass diese These so nicht aufrecht erhalten werden kann, zeigt das neue Lehrbuch "Die politischen Systeme in Nord- und Lateinamerika", das der Eichstätter Politikwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Stüwe gemeinsam mit dem Berliner Lateinamerikanisten Prof. Dr. Stefan Rinke herausgegeben hat. Die politischen Systeme des amerikanischen Doppelkontinents werden darin erstmals gemeinsam in einem über 600-seitigen Sammelband beschrieben.
Der Band umfasst 22 Einzelbeiträge namhafter Historiker und Politikwissenschaftler zu fast allen Staaten Nord- und Lateinamerikas. Alle Länderkapitel gehen annähernd nach dem gleichen Schema vor: Behandelt jeweils historische Grundlagen, Verfassung und Verfassungsentwicklung, politische Institutionen und Prozesse, Staatsorganisationsstrukturen, Rechtssystem, Militär, Interessenverbände, Kirchen, Massenmedien sowie Aspekte der politischen Kultur. Das Buch hat einführenden Charakter und wendet sich an alle historisch und politikwissenschaftlich Interessierten
Wie Stüwe und Rinke in einem umfangreichen vergleichenden Kapitel deutlich machen, handelt es sich bei Amerika um eine äußerst heterogene und politisch stark untergliederte Weltregion, deren Nationen jeweils eigene historische Traditionen und politische Strukturen aufweisen. Dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten. So teilten die USA mit Kanada und den lateinamerikanischen Republiken die Erfahrung, sich von einer europäischen Kolonialmacht zu lösen und die damit verbundenen Problemen der Konstruktion politischer Legitimität. Von Beginn an wurden die USA zum politischen Vorbild für Lateinamerika. Aus diesem Grund besitzen alle Staaten Lateinamerikas präsidentielle Regierungssysteme. Gleichzeitig sahen und sehen politische Führer in Lateinamerika die Notwendigkeit, sich vom großen Nachbarn im Norden abzugrenzen. Dies gilt nicht erst seit dem gegenwärtig zu beobachten "Linksruck" einiger lateinamerikanischer Staaten. Umgekehrt bemühen sich die Vereinigten Staaten spätestens seit den 1960er Jahren verstärkt um den Export ihres politischen Systems vor allem in die südlichen Nachbarländer.
Die Bilanz der Herausgeber: Die stabilen Demokratien Nordamerikas existieren in reichen Ländern mit relativ ausgeglichener Einkommensverteilung und erheblicher ethnischer sowie kultureller Homogenität. Dies legt den Schluss nahe, dass die Demokratie in Kanada und den USA einen Startvorteil hatte. Die Staaten Lateinamerikas sind hingegen fast alle von großer ethnischer Heterogenität, kultureller Fragmentierung und extremen sozialen Disparitäten geprägt. Alle leiden unter hohen Kriminalitätsraten, wirtschaftlicher Instabilität, extremer Ungleichheit und Korruption. Unter diesen Umständen werten Stüwe und Rinke die Tatsache, dass nach langen autoritären Phasen heute (außer auf Kuba) in ganz Lateinamerika demokratische Verfassungen gelten und faire Wahlen durchgeführt werden, in denen Oppositionsparteien und Minderheiten partizipieren konnten, als einen großen Erfolg.
Stüwe, Klaus/Rinke, Stefan (Hrsg.): Die politischen Systeme in Nord- und Lateinamerika. Eine Einführung. Wiesbaden (VS-Verlag für Sozialwissenschaften) 2008. 606 S. mit 5 Abb. u. 22 Tab. ISBN: 978-3-531-14252-4. EUR: 49,90.
Criteria of this press release:
History / archaeology, Law, Politics, Social studies
transregional, national
Scientific Publications, Studies and teaching
German
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