Juristen der Universität Jena veranstalten Tagung "Muslime im säkularen Staat"
Jena (08.05.08) Das "Wort zum Sonntag" vom Imam, der Ruf zum Gebet vom Muezzin über den Marktplatz? Was in Deutschland noch absurd klingt, könnte eines Tages zur Normalität werden. Würden die muslimischen Glaubensgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt, stünden sie hierzulande in Augenhöhe mit den christlichen Kirchen. "Die Muslime in Deutschland hätten dann mehr Rechte, aber auch mehr Pflichten", sagt Prof. Dr. Martina Haedrich von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Expertin für Öffentliches Recht und Völkerrecht möchte das Spannungsfeld untersuchen, in dem sich muslimische Minderheiten im säkularen Staat bewegen. Am 16. und 17. Mai veranstaltet sie dazu die interdisziplinäre Tagung "Muslime im säkularen Staat: Untersuchungen anhand von Deutschland und Österreich" im Senatssaal der Friedrich-Schiller-Universität.
Bei der Tagung soll herausgearbeitet werden, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben. "Ein Faktum, das längst noch nicht jeder akzeptiert", so Martina Haedrich. Dabei seien Juristen gefordert, das Recht entsprechend zu öffnen, die religiöse Vielfalt rechtlich zu strukturieren und entsprechend zu behandeln. Für den Staat habe hier das Neutralitätsprinzip zu gelten, nicht das Toleranzgebot: "Tolerant muss die Gesellschaft sein", betont die Juristin.
Die Tagung wird interdisziplinär sein und sie beleuchtet zahlreiche Aspekte des muslimischen Lebens in Deutschland und Österreich. So wird u. a. der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Tilman Seidensticker von der Uni Jena über islamistischen Extremismus und Integration sprechen, der Jurist Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Eichenhofer, Uni Jena, beleuchtet die polygame Ehe und sozialrechtliche Implikationen. Über "Staatliche Säkularität zwischen Religionsfreiheit und ,Staatskirchenrecht' - Deutschland und Österreich im Vergleich" referiert Prof. Dr. Stefan Hammer von der Universität Wien.
In Deutschland leben etwa 3,2 Millionen Menschen mit muslimischem Hintergrund, sagt Haedrich. Umfragen zufolge besuchen nicht mehr als 30 Prozent von ihnen eine Moschee, die Mehrheit ist mit getauften, aber nicht "praktizierenden" Christen vergleichbar. Die muslimische Minderheit ist zudem eine äußerst heterogene Gruppe. Sie zerfällt in zahlreiche Glaubensrichtungen und zeichnet sich dadurch aus, dass manche Muslime aus politischen oder religiösen Gründen bewusst ihren Heimatstaaten den Rücken gekehrt haben und den liberalen Staat sowie die kulturelle Vielfalt als gewonnene Freiheit betrachten. Eine andere Gruppe möchte hingegen islamische Kultur und Tradition auch im neuen Umfeld bewusst leben, zum Teil sogar in Gegnerschaft zur neuen Gesellschaft. "Die Forderung nach Integration bleibt bei dieser Gruppe unerfüllt, zumal es Defizite bei der Bildung gibt und es insbesondere an der Bereitschaft mangelt, die deutsche Sprache zu erlernen", sagt Martina Haedrich.
Die Teilnehmer der öffentlichen Tagung wollen untersuchen, wie sich Muslime im säkularen Staat in dessen Strukturen integrieren können und auf welche Weise es Interaktionen mit staatlichen Institutionen gibt. Säkularität soll dabei als eine Voraussetzung für eine an den Grund- und Menschenrechten orientierte Gestaltung einer kulturellen und religiösen Vielfalt im Staat betrachtet werden.
"Wenn wir Säkularität als institutionelle Trennung von Staat und Kirche beziehungsweise Religionsgemeinschaften begreifen, wie wir es während der Tagung vorhaben, dann ist Säkularität gerade der Schlüssel für Religionsfreiheit und für die Ausübung der Menschen- und Grundrechte", sagt Martina Haedrich.
Am Freitagabend (16. Mai) um 19 Uhr wird es eine öffentliche Podiumsdiskussion "Muslime im säkularen Staat - Religion und säkularer Staat" im Hörsaal 6 des Universitäts-Campus (Carl-Zeiß-Straße 3) geben. Teilnehmer sind Prof. Dr. Harald Dörig, Richter am Bundesverwaltungsgericht, Prof. Dr. Tilman Seidensticker, Islamwissenschaftler der Universität Jena, Ahmed Alshawish, Islamisches Zentrum Jena, Dr. Sabine Nagel, evangelische Studentenpfarrerin, und Ansgar Pohlmann, katholischer Studentenpfarrer. Die Moderation übernimmt Martina Haedrich.
Kontakt:
Prof. Dr. Martina Haedrich
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 942270
E-Mail: m.haedrich[at]recht.uni-jena.de
Die Tagungsorganisatorin Prof. Dr. Martina Haedrich von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Foto: FSU
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Criteria of this press release:
Law, Politics
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
German
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