Workshop am Institut Arbeit und Technik stellt ausgewählte Ergebnisse und Unterstützungsangebote des QUATRO-Projektes "Neue Selbständige in der Informationsgesellschaft" vor
Die Zahl von Einzel- und Kleinstselbständigen der "New Economy" wächst stetig, immer mehr Erwerbstätige bieten als Freelancer oder Mikrounternehmer auf dem Markt der Informationswirtschaft ihre Leistungen an. Für diese "neuen Selbständigen" gelten die Schutzrechte des "Normalarbeitsverhältnisses" nicht. "Nach anfänglicher Partystimmung ist bei den "neuen Helden" der Internetökonomie Ernüchterung eingetreten und der Blick wird freier für die Risiken dieser Erwerbsform", stellt Olaf Schröder vom DGB-Bildungswerk NRW e. V. fest.
Seit Anfang 1999 untersuchen das DGB-Bildungswerk NRW. e. V. und das Institut Arbeit und Technik (IAT), Gelsenkirchen, die Lebens- und Arbeitssituation von Einzel- und Kleinstunternehmern in den Bereichen Informationstechnologie und Neue Medien und bieten Interessierten Unterstützungsangebote an. 205 Selbständige haben sich an einer Online-Befragung des IAT beteiligt. Ausgewählte Ergebnisse dieser Befragung wurden am Mittwoch, 6. Dezember, auf einem Workshop im IAT in Gelsenkirchen vorgestellt.
71 % der Befragten sind Männer. Knapp 60 % weisen einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss auf. Die Berufsbezeichnungen streuen weit, die häufigsten Nennungen waren "Informatiker", "Ingenieur" und "Designer"/ "Webdesigner". Als Tätigkeiten, die überwiegend in der Selbständigkeit ausgeübt werden, wurden am häufigsten genannt: "Projektmanagement", "Webdesign" und "Softwareentwicklung". 47 % gingen als Quereinsteiger in die Selbständigkeit.
Gerade im IT- und Multimediabereich kursiert das Bild von den "Wirtschaftswunderkindern", die direkt von der Schulbank oder aus dem Hörsaal heraus ihre Firma gründen. "Tatsächlich gibt dieses Klischee nur einen kleinen Ausschnitt des Gründungsgeschehens wieder", betont Achim Vanselow (IAT). Die Befragten verfügten überwiegend über z. T. langjährige Berufspraxis in einer Angestelltentätigkeit, oft in einer Leitungsfunktion. Dreiviertel der Befragten waren zwischen 30 und 50 Jahre alt. Ebenso viele lebten in einer festen Partnerschaft, davon 38 % mit Kindern. "Die Erwartung, der "Single" sei die vorherrschende Lebensform der "neuen Selbständigen", bestätigte sich also ebenfalls nicht", konstatiert Vanselow.
Die Auftragslage und die Verdienstmöglichkeiten wurden weit überwiegend positiv beurteilt, wobei die Sondereinflüsse der Jahr-2000-Umstellung und die EURO-Umstellung eine wichtige Rolle gespielt haben dürften. Als problematisch empfindet jeder Zweite die hohe Arbeitsbelastung. Immerhin 44 % halten Ihre Arbeitszeit für zu hoch. 43 % gaben an, länger als 50 Stunden in der Woche zu arbeiten, davon 7,3 % sogar über 70 Wochenstunden. Dabei dürfen diese Angaben zu den Arbeitszeiten nicht mit den Stundensätzen verwechselt werden, die dem Kunden in Rechnung gestellt werden können. Eine Internetprogrammiererin schätzte die Relation in ihrem Fall auf 50 : 50.
Neben der Tätigkeit für den Kunden müssen sich die Selbständigen vor allem fachlich auf dem Laufenden halten, was in diesen schnelllebigen Branchen überlebenswichtig ist. Hier wurde der größte Weiterbildungsbedarf angemeldet. Auch aus den steuerlichen und juristischen Fragen, mit denen Selbständige konfrontiert werden, resultiert Weiterbildungsbedarf. Viele Befragte benannten gleich ein ganzes Bündel an Aspekten. 60 % der Befragten gaben an, Unterstützungsangebote zu kennen. Doch Zeitmangel, die hohen Preise der vorhandenen Angebote und schlechte Erfahrungen verhindern oft, dass solche Angebote in Anspruch genommen werden. In Gesprächen wurde zudem kritisiert, dass zwar mittlerweile sehr viele Angebote für Existenzgründer bestehen, dass aber im Fall der Selbständigen, die die Gründungsphase hinter sich gelassen haben und die "klein" bleiben wollen, eine Beratungslücke klafft.
Der Verdacht, viele E-Lancer würden aus der Not heraus selbständig arbeiten, läßt sich aus den Befragungsergebnissen so nicht bestätigen. 80 % bejahten die ganz allgemein gestellte Frage, ob sie mit ihrer Selbständigkeit zufrieden sind. Befragt nach ihrer Perspektive für die nächsten fünf Jahre gaben 50 % an, auch weiterhin selbständig tätig sein zu wollen. 41,5 % verfolgen das Ziel, ein Unternehmen zu gründen. Nur drei Befragte möchten (wieder) als Angestellte tätig sein.
Das DGB-Bildungswerk NRW e. V. entwickelte auf der Basis der Befragung und der Gespräche mit Selbständigen Seminarangebote zu Themen wie kaufmännische Aspekte der Selbständigkeit, Marketing für Kleinstunternehmen, Versicherungsfragen, Zeitmanagement und Wege der Unternehmensgründung. Zusätzlich wurden Expertenchats organisiert, die Gelegenheit bieten sollten, vertiefende Fragen an Experten zu richten. Anfang 2001 wird ein Online-Ratgeber zur kostenlosen Nutzung bereitgestellt (www.e-lancer-nrw.de).
Viele Freelancer üben gegenüber gewerkschaftlichen Angeboten noch Zurückhaltung. Es hat sich aber gerade in den Gesprächen der Eindruck verfestigt, dass hier eher eine pragmatische Haltung vorherrscht. Die typische Aussage lautet: "Was können uns Gewerkschaften bieten"? Wenn es Gewerkschaften gelingt, auf diese Frage eine überzeugende Antwort zu geben, eröffnen sich auch Chancen, bei "neuen Selbständigen" Fuß zu fassen. Ziel muss es sein, die oft noch anzutreffende Sprachlosigkeit zwischen neuen Selbständigen und Gewerkschaften zu überwinden. Dass dies gelingen kann, zeigen Best-Practise-Beispiele gewerkschaftlicher Unterstützungsangebote für Selbständige aus Deutschland, den Niederlanden und aus Österreich, die auf dem "Fachdialog" am 6. Dezember vorgestellt wurden.
Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Achim Vanselow
Tel.: 0209/ 17 07 - 185
Olaf Schröder
Tel.: 0211/ 36 83 - 190
Claudia Braczko
Tel.: 0209/1707-176
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Information technology
regional
Research projects, Research results
German
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