Berlin, Deutscher Schmerzkongress, 10. Oktober 2008
Deutscher Schmerzkongress: Erste Ergebnisse zu Stimulationsverfahren
Wenn ein Unfall oder ein Schlaganfall Nerven des Gehirns oder Rückenmarks
beschädigt, leiden die Betroffenen später häufig auf Dauer unter Schmerzen oder Missempfindungen. Medikamente helfen nicht ausreichend, oder die Patienten verzweifeln an den Nebenwirkungen. Hoffnung machen Stimulationsverfahren, bei denen bestimmte Hirnbereiche über implantierte Elektroden stimuliert werden.
Erste Studien, die beim Deutschen Schmerzkongress in Berlin vorgestellt wurden, erlauben jetzt gesicherte Aussagen darüber, für wen sich welches Verfahren eignet und wie groß die Erfolgsaussichten sind: Während die Tiefenhirnstimulation enttäuscht, sind die Ergebnisse einer Stimulation durch die Hirnhaut ermutigend.
Ernüchternde Ergebnisse für die Tiefenhirnstimulation
Schon seit den 1950er Jahren setzt man Hoffnungen in die direkte Stimulation bestimmter Hirnbereiche, um ankommende Schmerzreize zu mildern oder hemmende Reizleitungsbahnen zu aktivieren. Dazu werden dem Patienten zwei Elektroden direkt in die Gehirnregion eingepflanzt, die stimuliert werden soll - ein schwieriger Eingriff. Ob ein Patient davon profitieren wird, lässt sich im Vorhinein nicht testen; erst nach der Operation werden eine Woche lang die Schmerzstärke und der Schmerzmittelverbrauch protokolliert, bevor die Elektroden dann an einen Impulsgeber angeschlossen werden, der wie ein Herzschrittmacher unter der Haut liegt. Gesicherte Ergebnisse zur Wirksamkeit dieses Verfahrens lagen bisher nicht vor. In einer Lübecker Studie stellte sich die Stimulation in der Testphase jetzt bei einem Drittel der Patienten als nicht wirksam heraus. "Das Ergebnis bei Patienten mit zentralen Schmerzen nach Rückenmarksverletzungen und Schmerzen nach Schlaganfällen, bei denen nur zwei von elf bzw. fünf von zwölf Patienten eine meistens nur leichte Schmerzlinderung durch die Stimulation erfuhren, war ernüchternd", so Prof. Dr. Volker Tronnier vom Lübecker Universitätsklinikum beim Deutschen Schmerzkongress. "Wir haben uns daher für diese Erkrankungen von dieser sehr invasiven Behandlungsmethode verabschiedet."
Erfolgreicher und weniger invasiv: epidurale Motor Cortex Stimulation
Wesentlich erfolgreicher und weniger invasiv ist die Stimulation des sog. präzentralen Cortex, einer bestimmten Region der Großhirnrinde (epidurale Motor Cortex Stimulation), bei der eine Plattenelektrode auf die Hirnhaut oberhalb der zu stimulierenden Region platziert wird. Untersuchungen mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) haben gezeigt, dass diese Stimulation eine Aktivierung verschiedener Hirnbereiche hervorruft, die am Schmerzempfinden beteiligt sind. Zehn von 20 Patienten, die in Lübeck mit dieser Methode behandelt wurden, erfuhren eine Schmerzlinderung zwischen 30 und 75 Prozent. "Weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass man ohne einen operativen Eingriff im Vorfeld testen kann, ob ein Patient von der Stimulation profitieren wird oder nicht", erklärte Prof. Tronnier. Durch die so genannte transkranielle Magnetstimulation, bei der mit einem starken Magnetfeld von außen eine Aktivierung bestimmter Hirnbereiche erzielt wird, kann man prüfen, wie ein Patient auf die Stimulation reagiert. Diese Ergebnisse ermutigen, auch wenn wichtige Fragen, wie die optimalen Stimulationsparameter und die genaue Elektrodenpositionierung noch offen sind. "Eine multizentrische Studie, um diese Fragen zu lösen, wäre daher dringend nötig", so Prof. Tronnier.
Ansprechpartner
Prof. Dr. med. Volker M. Tronnier, Direktor, Klinik für Neurochirurgie, Campus Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck, Tel.: 0451/500 2076, Fax: 0451-500 6191, E-Mail: Volker.Tronnier@uk-sh.de
Criteria of this press release:
Medicine
transregional, national
Research results
German
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