Tasten, Fühlen und Bewegen - für junge Menschen selbstverständlich, aber im Alter lassen die sensomotorischen Fähigkeiten nach. Dann werden selbst das Zuknöpfen eines Hemdes oder das Zubinden eines Schnürsenkels zur Herausforderung. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Martin Tegenthoff (Neurologie Bergmannsheil) und Dr. Hubert Dinse (Neuroinformatik der RUB) untersucht seit Jahren die altersbedingte Veränderung der menschlichen Somatosensorik. Für ihr Projekt "Lernbedingte Modulation sensomotorischer Fähigkeiten und sensomotorischer kortikaler Verarbeitung im Alter" erhalten sie jetzt eine Förderung der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von 400.000 Euro.
Schon ab 40 lässt der Tastsinn langsam nach
Der Tastsinn kann einerseits durch eine Krankheit verloren gehen, zum Beispiel durch einen Schlaganfall. Ein signifikanter Leistungsverlust des Tastsinns tritt jedoch nicht nur als Folge einer Erkrankung auf, sondern zeigt sich auch mit zunehmendem Lebensalter immer deutlicher. Die bisherigen Erkenntnisse der Bochumer Forscher zeigen eindeutig, dass die Leistung des Tastsinns bereits ab dem vierzigsten Lebensjahr kontinuierlich abnimmt. Da dieser Verlust nur langsam voranschreitet, wird er vom einzelnen Menschen kaum wahrgenommen und durch ein angepasstes Verhalten im Alltag kompensiert.
Tastsinnverlust aufhalten oder umkehren
"Ein Verlust von Sehkraft oder Hörvermögen wird in unserer medial ausgerichteten Umwelt durch technische Hilfsmittel wie Brillen und Hörgeräte sofort kompensiert - für den Tastsinn hingegen sind solche Hilfsmittel gänzlich unbekannt", erläutert Hubert Dinse vom Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität. "In diesem Zusammenhang besteht dringender Forschungsbedarf, um die Leistungseinbußen von Sensorik und Motorik im Alter genauer zu beschreiben und insbesondere zu untersuchen wie diese Veränderungen aufgehalten oder sogar umgekehrt werden können". Eine intakte und leistungsfähige "Sensomotorik" ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um mit den Tätigkeiten des Alltags zurechtzukommen. Die Notwendigkeit zur Erforschung altersbedingter Leistungsverluste der menschlichen Sensomotorik und möglicher Rehabilitationsmaßnahmen besteht umso mehr vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen.
Zusammenhang zwischen Hirnveränderung und Tastsinnverlust
Die DFG-Förderung ermöglicht es der Arbeitsgruppe um Tegenthoff und Dinse, eine systematische Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Gehirnveränderungen und gleichzeitig auftretenden Änderungen der sensomotorischen Fähigkeiten bei gesunden Menschen im Alter von 20 bis 90 Jahren durchzuführen. Bei den Versuchspersonen werden zum einen Verhaltensleistungen wie Gefühlsqualitäten und feinmotorische Fähigkeiten mit Hilfe psychophysischer Messungen erfasst. Zum anderen werden "Karten der Hirnorganisation" mittels Hirnstrommessung (EEG-Untersuchungen) bestimmt, die Rückschlüsse auf die neuronalen Grundlagen dieser Leistungen ermöglichen.
Lernverfahren für ältere Menschen entwickeln
In einem weiteren Schritt untersuchen die Forscher schließlich, inwieweit im Gehirn des älteren Menschen Lernprozesse ausgelöst werden können, die den altersbedingten Veränderungen entgegenwirken. Zu diesem Zweck können die Forscher auf ihre umfangreichen Ergebnisse von ihren an jungen Menschen durchgeführten Studien zurückgreifen, wo bereits nachgewiesen werden konnte, dass sich der menschliche Tastsinn mit speziellen Stimulationsverfahren verbessern lässt.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Martin Tegenthoff, Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität, Berufsgenossenschaftliches Klinikum Bergmannsheil GmbH, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum, martin.tegenthoff@rub.de
Associate Professor Dr. Hubert Dinse, Neural Plasticity Lab, Institut für Neuroinformatik, Lehrstuhl für Theoretische Biologie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25565, hubert.dinse@rub.de, http://www.neuralplasticitylab.de
Criteria of this press release:
Medicine
transregional, national
Research projects
German
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