Die jüngsten Ergebnisse der Pisa-Bildungsstudie haben gezeigt, dass der Osten Deutschlands aufgeholt hat, wogegen die Stadtstaaten weiterhin mit Problemen zu kämpfen hat. Experten führen dies unter anderem auf den unterschiedlich hohen Anteil von Migranten an der Bevölkerung zurück. Vor diesem Hintergrund wächst die Bedeutung soziologischer Forschung, die sich mit dem Thema Integration befasst. Erziehungswissenschaftler der Universität Rostock leisten dazu jetzt einen wichtigen Beitrag: In den kommenden Wochen wird eine Studie veröffent-licht, für die erstmals umfassend Alltag und Lebensgeschichte junger Muslime in Deutschland untersucht wurden.
Der neue Dekan der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Hans-Jürgen von Wensierski, und seine Mitarbeiterin Claudia Lübcke haben für ihre Studie in Berlin, Hamburg und anderen Großstädten mehr als 100 muslimische Jugendliche, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen sind, befragt Die Untersuchung war qualitativ und nicht quantitativ, was bedeutet, es wurden keine Statistiken erstellt, sondern ein Überblick über die Vielfalt muslimischer Jugendkultur in Deutschland. Hintergrund war dabei die jüngste Debatte um die Rolle des Islam in den christlich geprägten westlichen Ländern.
Die Frage, die sich die Rostocker Forscher stellten, lautete, ob Muslime ihre Jugend anders erleben als Nichtmuslime. Ergebnis ist laut Wensierski, dass es durchaus Gemeinsamkeiten gibt, wie in den Bereichen Bildung, Berufsziele oder Freizeitgestaltung. Große Unterschiede zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zeigten sich dagegen bei den Themen Familie, Sex und Partnerschaft sowie Religion.
Beim Thema Bildung zeigte sich etwa, dass muslimische wie nichtmuslimische Jugendliche großes Interesse daran haben, ihren eigenen Berufsweg einzuschlagen, losgelöst vom Vorbild der Eltern. Wichtig ist dies vor allem für Frauen aus traditionellen Familien. Auch das Streben nach verlängerten Bildungsprozessen, etwa auf dem zweiten Bildungsweg oder durch ein Auf-baustudium, ist bei beiden Gruppen ähnlich. Viele Muslime ga-ben an, sich in der Schule benachteiligt zu fühlen. Sie erhielten oft schlechte Bildungsempfehlungen für die weiterführenden Schulen. Zudem fühlen sich viele Muslime durch ihren Glauben stigmatisiert und geben an, sich etwa für Anschläge im Namen des Islam rechtfertigen zu müssen.
Beim Thema Partnerschaft und Sex erinnern die Einstellungen vieler Muslime laut Wensierski an die Sexualmoral der fünfziger Jahre. Enthaltsamkeit vor der Ehe werde sehr großgeschrieben, vor allem von Frauen. Leben in einer Partnerschaft wie bei Nichtmuslimen in Deutschland üblich, gebe es nur in Nischen. Aufklärung zuhause finde oft nicht statt. Andererseits hätten viele Muslime keine Probleme damit, mit ihren nichtmuslimischen Freunden oder in der Schule über Sex zu sprechen.
Laut Wensierski findet die Untersuchung, zu der bereits vor Abschluss ein Buch veröffentlicht wurde, bundesweit Beachtung. "Die Studie zeigt, dass auch in Rostock bundesweit relevante Sozialforschung betrieben wird", sagt Wensierski.
Axel Büssem
Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Jürgen von Wensierski
Dekan der Philosophischen Fakultät
T: 0381 498 2561
e-mail: dekan.phf@uni-rostock.de
Criteria of this press release:
Religion, Social studies
transregional, national
Research projects, Research results
German
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