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12/09/1997 00:00

Konzepte statt Rezepte

Dr. Elisabeth Zuber-Knost Presse und Kommunikation
Universität Karlsruhe (TH) - Forschungsuniversität.gegründet 1825

    Nr. 115 / 5. Dezember 1997 / mea/sho

    Konzepte statt Rezepte: Trotz schwieriger Rahmenbedingungen will die Universitaet Optimismus und Zukunftsglauben vermitteln

    Trotz schwieriger Rahmenbedingungen will die Fridericiana Optimismus und Zukunftsglauben vermitteln, da sie Grundvoraussetzung fuer erfolgreiches Forschen, Lehren und Lernen sind. So der Tenor des Jahresberichts 1996/97, den Rektor Professor Dr.-Ing. Sigmar Wittig bei der Jahresfeier am 6. Dezember 1997 im Gerthsen-Hoersaal gab. Eine schlechte Finanzlage, ueberzogene Forderungen von aussen, Ansehensverlust der Hochschulen und der sogenannte Solidarpakt zwischen Universitaeten und Landesregierung gehoerten zu den eher problematischen Themen des Jahresberichts, der aber auch ausserordentlich positive Entwicklungen in Forschung, Studium und Lehre akzentuierte.

    Mit Stolz hob der Rektor hervor, dass die Professorinnen und Professoren der Universitaet Karlsruhe nach einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den letzten fuenf Jahren die meisten Drittmittel fuer begutachtete Forschungsvorhaben im Vergleich zu allen anderen deutschen Universitaeten eingeworben haben. ,Sieht man von den Universitaeten mit grossen Kliniken und Medizinischen Fakultaeten ab, so haben wir auch in absoluten Zahlen die meisten DFG-Mittel erhalten." Dass die Fridericiana danach die forschungsintensivste Universitaet in der Bundesrepublik Deutschland ist, gehoert nach den Worten von Rektor Wittig in die Reihe ihrer Spitzenleistungen - ebenso wie ihre ,Flaggschiffe" Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs. Besonders bemerkenswert ist, dass die Universitaet Karlsruhe unter allen Technischen Hochschulen in Deutschland die meisten Graduiertenkollegs, naemlich neun mit etwa 150 Doktoranden, beheimatet.

    Glanzleistungen auch in Studium und Lehre Glanzleistungen waren fuer das Berichtsjahr auch in Studium und Lehre zu verzeichnen: So wurde mit annaehernd 2.600 die groesste Zahl von Absolventen in der Geschichte der Fridericiana in die Praxis entlassen mit etwa 400 Doktoranden. Vor allem in den Bereichen Informatik, Maschinenbau und Elektrotechnik hat die Nachfrage von seiten der Industrie nach Karlsruher Absolventinnen und Absolventen sprunghaft zugenommen. Kritisch hingegen sei, dass die Nachfrage nach einem Studium in den Ingenieur- und Naturwissenschaften zu stagnieren scheint.

    Mit der Einfuehrung neuer, stark frequentierter Studiengaenge wie Technische Volkswirtschaftslehre innerhalb der Fakultaet der Wirtschaftswissenschaften und Informationswirtschaft, die Elemente der Informatik, der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften vereint, traegt die Universitaet Karlsruhe ebenso wie mit der zunehmenden Internationalisierung aktuellen Entwicklungen Rechnung. Wittig hob darueber hinaus den ungewoehnlichen Anstieg der Zahl auslaendischer Studierender an der Universitaet Karlsruhe hervor: Auf 7,5 deutsche Studierende kommt in diesem Jahr ein auslaendischer Studierender, bei den Neuimmatrikulierten sogar auf etwa jeden dritten deutschen ein auslaendischer Studienanfaenger. Die meisten kommen - ohne die Tuerkei - aus Asien, wobei China, Iran, Indonesien, Korea und Vietnam die Liste anfuehren.

    Mit der beim Wissenschaftsministerium beantragten Einfuehrung des Bakkalaureats/Bachelor-Abschlusses versucht die Universitaet Karlsruhe, der verstaerkten Globalisierung Rechnung zu tragen. Studierende aus Amerika und Suedostasien sollen darueber hinaus verstaerkt mit dem ,International Department" bzw. der ,International School of Engineering" gewonnen werden.

    Waehrend als weiteres internationales Projekt die ,Tele-Universitaet" im Verbund mit Heidelberg, Freiburg und Mannheim auf den Weg gebracht werden konnte, war im Fall der Deutsch-Franzoesischen Universitaet aehnliches nicht moeglich - in einer Vorentscheidung der Ministerpraesidenten der Laender machte Saarbruecken aus politischen Gruenden als Standort vor Karlsruhe das Rennen. Glanzlicht zum Thema grenzueberschreitende Ausbildung: Vor wenigen Wochen wurden die ersten Diplome in der vom DAAD finanzierten ,Deutschsprachigen Ingenieurausbildung" an der Technischen Universitaet Budapest in Anwesenheit des Botschafters ueberreicht, die den internationalen Studiengang 1992 gemeinsam mit der Universitaet Karlsruhe ins Leben gerufen hat. ,Eine absolute Erfolgsgeschichte", meinte Rektor Wittig, ,alle Absolventen hatten bereits eine Anstellung vornehmlich an Nahtstellen zwischen deutscher und ungarischer Wirtschaft gefunden."

    Solidarpakt fuehrte Universitaet an den Rand der Leistungsfaehigkeit Eher problematisch verliefen demgegenueber die hochschulpolitischen Entwicklungen, die in erster Linie von dem zwischen Landesregierung und Universitaeten unterzeichneten Solidarpakt gepraegt waren und die Universitaet bis an den Rand der Leistungsfaehigkeit fuehrten. ,Da das Streben nach Qualitaet unser oberstes Gebot ist, liess es sich nur noch diskutieren, ob die Aufgabenvielfalt reduziert wird oder Abstriche in bestimmten Aufgabenbereichen moeglich sind", so Professor Wittig. Gleichwohl fuehrte der Diskussionsprozess gelegentlich an Zerreissproben, zumal sich die Universitaet Karlsruhe wie alle anderen Universitaeten derzeit mit einem vollkommen ueberzogenen Forderungskanon konfrontiert sieht.

    ,Unser zustaendiger Minister von Trotha foerdert kuerzere Studienzeiten und eine hohe Prioritaet der Lehre", sagte der Rektor. Gleichzeitig wuensche der Bundesminister fuer Bildung und Wissenschaft mehr Erfindungen und Patente, setze der Wirtschaftsminister auf den Technologietransfer aus den Universitaeten in die Wirtschaft, wuensche der Ministerpraesident Partnerschaften mit auslaendischen Universitaeten, fordere die Wirtschaft die Ausbildung moeglichst vieler auslaendischer Absolventen aus deutschen Universitaeten, um mit diesen und ueber sie die gesellschaftlichen Beziehungen auszubauen - der Katalog liesse sich noch erweitern. Wie aber kann der Solidarpakt angesichts dieser Forderungen umgesetzt werden?

    ,Wir in Karlsruhe hatten den grossen Nachteil, dass wir schon ein beinahe ueberscharfes Profil im Vergleich mit anderen Technischen Universitaeten wie Aachen, Dresden, Muenchen oder Stuttgart aufweisen", schilderte Sigmar Wittig ein Handicap. Dass fast alle Fakultaeten ueber Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs, Forschungsschwerpunkte, Industrieprojekte und internationale Programme miteinander verknuepft sind, war eine weitere Schwierigkeit. Darueber hinaus durfte das Fuenfeck der Karlsruher Determinanten - Lehre, Forschung, Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Technologietransfer und regionale wie internationale Einbindung - nicht aufgerissen werden.

    Weitere Einschraenkungen nicht akzeptierbar Nachdem die Fakultaeten in grosser Kooperationsbereitschaft ihre eigenen Vorstellungen eingebracht haben, steht fest, dass bereits in den kommenden fuenf Jahren ueber 30 Professuren und 160 weitere Personalstellen wegfallen werden - was nur ueber den Verzicht auf bestimmte Abteilungen und Lehrgebiete zu erreichen ist. Die Konsequenzen sind kaum absehbar, so Wittig. Fuer die Studierenden bedeuten die Massnahmen nicht nur ein eingeschraenktes Lehrangebot, sondern auch den Abbau von Tutorien und Stellen fuer wissenschaftliche Hilfskraefte sowie das Fehlen moderner Labors. In der Forschung sind zumindest eine quantitative Einschraenkung und ein Rueckgang der Einwerbung von Drittmitteln zu befuerchten. Eng mit Lehre und Forschung ist die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses verbunden, die eine Schluesselaufgabe der Universitaeten ist.

    Ebenso in Mitleidenschaft gezogen sind der Technologietransfer, der wesentlich intensiver ist, als gemeinhin angenommen wird, sowie die kulturellen und gesellschaftlichen Aufgaben in der Region wie im internationalen Austausch. ,Ich glaube, wir sind uns einig, dass eine Einschraenkung auf diesem Gebiet nicht hingenommen werden darf", bekraeftigte der Rektor seinen Standpunkt. Fuer die Planungen der Universitaet Karlsruhe ergibt sich aus dem Solidarpakt weiter, dass zum Beispiel die Forderungen der Hochschulstrukturkommission zum Studienplatzabbau uebererfuellt werden muessen - die Fridericiana opfert 600 Studienanfaengerplaetze bzw. 3.000 Studienplaetze.

    Vehement trat Wittig weit weitverbreiteten Vorurteilen entgegen, die deutschen Studierenden erhielten eine praxisferne, zu lange dauernde Ausbildung: ,Unsere Studierenden sind zu einem grossen Teil zu einem 26-woechigen Industriepraktikum verpflichtet, sie sind an Auslandsaufenthalten interessiert, die Hoersaele sind waehrend der vorlesungsfreien Zeit durch studienbegleitende Pruefungen ueberbelegt, Studien- und Diplomarbeiten kennen wie der Forschungsbetrieb keine Semesterunterbrechung, die Mehrzahl der Studierenden schliesst nach fuenf, spaetestens nach sechs Semestern das Vorexamen ab, und die Mehrzahl unserer Ingenieurabsolventen, vor allem aber auch der Doktoranden, ist schon bald nach dem UEbergang in der Praxis einsetzbar."

    Zu den aktuellen Protesten und Streiks von Studierenden meinte Rektor Wittig, dass die unmittelbaren Studienbedingungen in Baden-Wuerttemberg zwar nicht so schlecht seien, dass ein Studierender in seinem gewuenschten Fach nicht ordentlich ausgebildet werden koenne. Dennoch sei es so, dass durch das bereits abgesenkte Niveau und die Kuerzungen durch den Solidarpakt vor allem im Bereich der Grundausstattung Opfer gebracht werden; darueber hinaus werde es auch sicher zu weiteren Einschraenkungen in der Betreuung und beim Angebot des Faecherspektrums kommen. Was das Thema BAFoeG anbelangt, habe er auch als Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz (LRK) volles Verstaendnis fuer die Proteste: An der Universitaet Karlsruhe bekommen nur etwa vier Prozent der Studierenden den vollen BAFoeG-Satz, nicht einmal elf Prozent einen geringen Satz. ,Wenn man das mit dem Durchschnittseinkommen der Bevoelkerung vergleicht, ist die Situation im Vergleich mit dem vergangenen Jahrzehnt ein unhaltbarer Zustand." Zur Diskussion um die Studiengebuehren, die in der LRK kontrovers gefuehrt werde, meinte der Rektor: ,Ich persoenlich spreche mich nicht gegen Studiengebuehren aus, kann sie mir aber nur vorstellen, wenn ein hinreichendes Stipendiensystem entwickelt und die Sozialvertraeglichkeit gesichert wird. Ein Beispiel dafuer waere das australische Modell, das eine Zahlung erst dann erfordert, wenn der Akademiker in seinem spaeteren Beruf ein Einkommen hat, das ueber dem Durchschnittseinkommen der Bevoelkerung liegt."

    Zurueck aber zu den Leistungen der Fridericiana, mit denen Rektor Wittig seinem akzentuierten Jahresbericht den erwartet positiven Ausklang gab: ,Zur Charakterisierung der hochschulpolitischen Entwicklung moechte ich aber auch darauf verweisen, dass wir geradezu eine Flut von Evaluationen von Wissenschaft, Verwaltung und Infrastruktur erfahren haben: Wissenschaftsrat, Consulting-Unternehmen im Auftrag des Ministeriums, Rechnungshof und Wissenschaftsorganisationen wie DFG-Gutachtergremien fragen fast kontinuierlich nach Ziel, Effizienz und Erfolg. Wir sind eine offene, ja glaeserne Universitaet, und ich wuerde mir wuenschen, dass nicht nur die gelegentlich berechtigte Kritik, sondern mindestens gleichgewichtig die positiven Ergebnisse der OEffentlichkeit vermittelt werden." Und solche erzielt die Universitaet Karlsruhe, wie ihre herausragenden Positionierungen bei Rankings, Modellstudien und Untersuchungen der unterschiedlichsten Institutionen zeigen, ohne Zweifel in grosser Zahl.


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