Diamant mit seiner einzigartigen Kombination extremer physikalischer Eigenschaften wäre ein ideales Ausgangsmaterial für eine Vielzahl von Anwendungen. So hätten z. B. Diamant-Chips gegenüber den herkömmlichen Silizium-Bauteilen den enormen Vorteil, dass sie bei Temperaturen über 500°C als Halbleiter funktionsfähig blieben. Zudem könnten sie, da Diamant wesentlich höhere Spannungen verkraftet als Silizium und die Wärme weitaus besser ableitet, schneller arbeiten und höhere Leistungen schalten. Die Verschmelzung einer Milliarde winziger Diamantkristallite zu einem einzelnen ausgedehnten Diamant-Einkristall, die Forschern am Augsburger Lehrstuhl für Experimentalphysik IV jetzt gelungen ist, markiert - wie vor wenigen Tagen auch "nature science update" hervorgehoben hat - einen wichtigen Schritt in diese Richtung. Denn das Problem der Korngrenzen, die bislang die elektronischen Eigenschaften von Diamantschichten beeinträchtigt bzw. zerstört haben, scheint damit gelöst zu sein.
Für die Synthese künstlicher Diamanten gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Ansätze, die beide vor etwa einem halben Jahrhundert entwickelt wurden: Beim Hochdruck-Hochtemperaturverfahren wird bei Temperaturen von 1400°C und Drücken von 65.000 Atmosphären Graphit in Diamant umgewandelt. Mit Hilfe dieser Technik werden heutzutage große Mengen an Industriediamanten hergestellt.
Das alternative Niederdruckverfahren, bei dem sich aus einer kohlenstoffhaltigen Gasatmosphäre dünne Schichten von Diamant abscheiden, hielt dagegen lange einen Dornröschenschlaf. Erst als Anfang der 80er Jahre technologisch relevante Wachstumsraten erzielt wurden, intensivierte sich die Forschung, die bis heute zu einer Reihe interessanter Anwendungen als Verschleißschutzschichten auf Werkzeugen oder als Fenster für Hochleistungslaser geführt haben.
Als eines der hartnäckigsten Probleme erwiesen sich die seit rund zehn Jahren laufenden weltweiten Bemühungen, orientierte ('epitaktische') Schichten von Diamant auf anderen Einkristallen herzustellen. Diesem nicht unüblichen Ansatz, um Materialien, die als großvolumige Einkristalle nicht synthetisiert werden können, zumindest als dünne einkristalline Filme abzuscheiden, war bisher der entscheidende Erfolg versagt geblieben: Auf allen Substraten blieben diese Schichten nach wie vor polykristallin und damit für elektronische Anwendungen (Leistungshalbleiterbauelemente, Sensoren, Detektoren) kaum verwertbar.
Ein wichtiger Fortschritt bei diesen Bemühungen wurde mit der Einführung von Iridium als Substratmaterial erzielt. Am Lehrstuhl von Prof. Dr. Bernd Stritzker (Experimentalphysik IV) stellen Dr. Matthias Schreck und seine Kollegen seit drei Jahren dünne Schichten dieses Edelmetalls her, um darauf Diamant abzuscheiden. Dabei wird rund eine Milliarde kleiner hochorienterter Diamantkristalle auf einer fingernagelgroßen Fläche des Edelmetalls erzeugt, die mit fortschreitender Prozesszeit zu einem geschlossenen Film zusammenwachsen und dabei ihre Ausrichtung noch verbessern.
Vor zwei Jahren wurden damit zum ersten Mal Schichten erzielt, deren Kristallite nur mehr Fehlorientierungen von weniger als 1° zeigten. Die neuesten Arbeiten (URL siehe unten), die im Januar in "Applied Physics Letters" publiziert wurden und unlängst auch mit einem "chips with everything" betitelten Beitrag bei "nature science update" auf Resonanz stießen (URL siehe unten), belegen nun, dass es beim weiteren Wachstum quasi zu einem Verschmelzen der einzelnen Kristallite kommt: So beobachteten die Augsburg Physiker erstmals, dass das geschlossene Netzwerk der Krongrenzen, das bei Schichtdicken von wenigen Mikrometern die einzelnen Kristalle noch voneinander trennt, sich bei 34µm Schichtdicke bereits in isolierte kurze Defektbänder aufgelöst hat. Individuelle Körner sind nicht mehr unterscheidbar, und der Film ist als Einkristall zu betrachten (siehe schematische Abbildung).
Weitere Arbeiten sollen jetzt zum einen klären, wie sich diese verbesserten strukturellen Eigenschaften auf den Stromtransport und auf die mechanischen Eigenschaften auswirken. Zum anderen können nun etablierte Methoden eingesetzt werden, um die noch verbliebenen Korngrenz-Reste weiter zu reduzieren. Die Bereitstellung großflächiger Schichten des Wachstumssubstrats Iridium ist eine weitere Problemstellung, deren technologische Lösung in Angriff genommen wird. Denn nur großflächige einkristalline Substrate können von der Halbleiterindustrie standardmäßig verarbeitet werden.
Auf dem Weg zu einer großtechnischen Produktion von Diamant-Chips liegen also durchaus noch einige Steine, die den Optimismus von Matthias Schreck allerdings nicht beeinträchtigen können: "Was für einer Milliarde Kristallite auf einer Fläche von einem Quadratzentimeter gilt, sollte sich für Hundertmilliarden Kristallite auf einer Fläche von zehn mal zehn Zentimeter ähnlich verhalten. Reaktoren, die homogene Wachstumsbedingungen auf solchen Flächen realisieren können, sind zahlreich vorhanden. Wenn es gelingt Iridiumschichten auf solchen Flächen bereitzustellen und diese homogen mit orientierten Diamantkristallen zu belegen, so sind einkristalline Diamantscheiben, die in zwei Dimensionen größer sind als alles, was man bisher in der Natur gefunden hat, nur noch eine Frage der Zeit."
ANSPRECHPARTNER:
Dr. Matthias Schreck
Universität Augsburg
Institut für Physik/EP IV
86135 Augsburg
Telefon 0821/598-3401
Telefax 0821/598-3425
e-mail: Matthias.Schreck@Physik.Uni-Augsburg.DE
http://www.Physik.Uni-Augsburg.DE/exp4
http://www.physik.uni-augsburg.de/~matth/diamant.htm
http://www.nature.com/nsu/010111/010111-4.html
Criteria of this press release:
Electrical engineering, Energy, Information technology, Materials sciences, Mathematics, Physics / astronomy
transregional, national
Research results
German
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