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02/13/2009 08:50

Seifenblasen und Scheingewinne

Roland Hahn Pressestelle
Fachhochschule Erfurt

    Bilanzexperte Prof. Dr. Hans Werdich (44) erklärt, warum in vielen Bilanzen Seifenblasen stecken und Bankvorstände Ihre Boni zurückzahlen sollen. Er ist seit 1999 Lehrstuhlinhaber für Rechnungswesen an der Fakultät Wirtschaft-Logistik-Verkehr der Fachhochschule Erfurt. Seit vielen Jahren arbeitet der promovierte Wirtschaftswissenschaftler als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater für international tätige mittelständische Unternehmen.

    Herr Professor, was meinen sie mit Seifenblasen?
    Ein Beispiel: HeidelbergCement hatte 2007 für ca. 14 Mrd. € den britischen Baustoffhersteller Hanson übernommen, davon 4,5 Mrd. für "anfassbare Wirtschaftsgüter" und 9,5 Mrd. für den Geschäfts- und Firmenwert als reinem Hoffnungswert auf zukünftige Erträge. Und HeidelbergCement sitzt derzeit noch auf 12 Mrd. € Schulden. Nach deutscher HGB- Rechnungslegung würde der Firmenwert jährlich abgeschrieben und folglich den Gewinn mindern, nach 4 - 15 Jahren ist er vollständig abgeschrieben und aus der Bilanz.
    Seit 2004 gilt aber für deutsche börsennotierte Unternehmen die "internationale" IFRS- Rechnungslegung ohne verpflichtende regelmäßige Abschreibungen und nur jährliche Überprüfung des Firmenwerts. Damit kann ein Firmenwert bei gutem Geschäftsverlauf und gleich bleibenden Zinskosten praktisch ewig in der Bilanz bleiben.

    Die fehlende Notwendigkeit von Abschreibungen sind also eine Art Freifahrtschein zur Gewinn-Maximierung?
    Die Berechnung von Firmenwertabschreibungen ist von vielen Annahmen abhängig. Sogar bei sinkenden Erträgen kann ein Impairment vermieden werden. Da die Beurteilung der Werthaltigkeit der erworbenen Firmenwerte anhand sog. selbst strukturierter Cash Generating Units (CGU, lt. IFRS eine Einheit, der "eigene, von den übrigen Unternehmensteilen weitgehend unabhängige Zahlungsströme zugewiesen werden können") erfolgt, kann durch geschickte Zusammenfassungen eine eigentlich notwendige Abschreibung vermieden werden. Je länger aber die aktuelle Krise anhält, umso mehr Fir-menwerte werden dann doch abgeschrieben werden müssen. So weist der HeidelbergCement-Jahresabschluss 2007 nur rd. 7,5 Mrd. € Eigenkapital aus, jedoch 10,8 Mrd. Firmenwerte! Brechen die Ergebnisse der erworbenen Gesellschaften ein, stehen bis zu 9,5 Mrd. € Firmenwertabschreibung bei nur 7,5 Mrd. Eigenkapital zur Disposition!
    Warum sprechen Sie von Scheingewinnen in den Bilanzen?
    Die Aktivierung latenter Steuerforderungen führt dazu, dass im Verlustfall in der Bilanz voraussichtlich in der Zukunft nicht zu zahlende Steuern den Verlust vermindern oder sogar zu einem Gewinnausweis führen! Auch der Bilanzausweis selbst erstellter immaterieller wird zum Blick in die Glaskugel, da keiner kann verlässlich sagen, ob z.B. mit einer technischen Entwicklung Geld verdient werden kann. Die IFRS gaukeln einen nicht vorhandene Transparenz und Seriosität vor. Gerade in der Finanzkrise zeigt sich, dass vom Vorsichtsprinzip geprägte HGB viel besser ist.

    Warum sind dann alle so begeistert von Scheingewinnen?
    Seriös geschätzt sind allein durch den Übergang zur IFRS- Rechnungslegung die ausgewiesenen Gewinne börsennotierter Unternehmen in Deutsch-land um 20 - 25% gestiegen. Da die Boni der Vorstände und Investmentban-ker an positive Unternehmensergebnisse geknüpft sind, werden unter Nutzung aller Spielräume Bilanzen "verschönert". Das suggeriert Gewinne und Sicherheiten, die nicht vorhanden sind.

    Was bedeuten die neuen Bilanzregeln der Banken?
    Banken und Politik haben enormen Druck aufgebaut. Für Banken werden laufend "Rechnungserleichterungen" gefordert. z.B. müssen nun keine an sich notwendigen Wertberichtigungen mehr vorgenommen werden. Konsequenterweise müssten aber dann auch die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre nach diesen veränderten Maßstäben neu gefertigt werden und die Banker einen großen Teil ihrer überhöhten Vergütungen zurückzahlen.
    Bankenstützungen sind damit quasi legalisierter Diebstahl von Steuergeldern, solange Vorstände wie Ackermann ihre Boni vergangener Jahre nicht zurückzahlen.
    Können nicht Wirtschaftsprüfer für verlässliche Zahlen sorgen?
    Wirtschaftsprüfer können aus mehreren Gründen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Kein Prüfer einer "big four" Gesellschaft wird Großkunden wie es DAX-Unternehmen sind, das gewünschte Testat verweigern. Ein uneingeschränktes Wirtschaftsprüfertestat bedeutet deshalb lediglich, dass der Jahresabschluss IFRS-konform ist. Da diese Regelungen eine Seifenblasenbilanzierung zulassen, testiert der Wirtschaftsprüfer dies.

    Sind die Rating-Agenturen besser als Wirtschaftsprüfer?
    Die führenden Rating-Agenturen haben bisher völlig frei agiert. Die "Qualität ihrer Arbeit" lässt sich auch daran erkennen, dass z.B. die Bayerische Landesbank auf einem Haufen Papiere mit erstklassigem Rating sitzt, die heute als finanzwirtschaftlicher Ramsch oder als toxischer Giftmüll bezeichnet werden. Und, die Rating-Agenturen werden wie die Wirtschaftsprüfer von Ihren Auftraggebern bezahlt!

    Kann der Staat helfen?
    Die Landesbanken IKB und KfW haben gezeigt, wie gut der Staat als Bank taugt. Marktversagen wird nur durch Staatsversagen ersetzt.
    Die "Modernisierung des HGB" unter Schlagwort BilMoG muss ein mutiger Gegenentwurf zur IFRS- Rechnungslegung sein. Bilanzierung mit dem Gütesiegel "Made in Germany". Wir brauchen auch wesentlich schärfere gesetzliche Haftungsregeln für Banken und Rating-Agenturen ohne Versicherungsmöglichkeiten für Vorstände und Aufsichtsräte. Es muss wirklich weh tun, wenn Unfug gemacht wird!

    Es fragte Roland Hahn.


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    Professor Hans Werdich
    Professor Hans Werdich
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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration
    transregional, national
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    German


     

    Professor Hans Werdich


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