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03/30/2009 11:14

UDE: Gemeinsame Konjunkturpakete wenig sinnvoll - Makroökonom zum Weltwirtschaftsgipfel in London

Ulrike Bohnsack Pressestelle
Universität Duisburg-Essen

    Wie sich der weltweiten Finanzkrise begegnen lässt, darüber berät am 2. April in London die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Dabei stellt sich die Frage, ob es nicht besser sei, die einzelnen staatlichen Konjunkturpakete auf EU-Ebene oder - wie von den USA, Japan und China gefordert - gar unter den G20 zu koordinieren. "Die Antwort lautet nein", sagt Prof. Dr. Ansgar Belke, Makroökonom der Universität Duisburg-Essen und Beobachter der Europäischen Zentralbank (EZB).

    "Und das nicht nur wegen der Kosten, denn Deutschland ist ja Nettozahler bei zentralen EU-Rettungspaketen. Grundsätzlich ist es für ein Land vorteilhaft, über eine unabhängige Fiskalpolitik zu verfügen, die nicht mit denen anderer Länder koordiniert wird. Nur so lassen sich die unterschiedlichen Risiken der Finanzkrise tragen."

    "Abgesehen davon, dass Schuldenstände und Budgetdefizite in den einzelnen EU-Staaten höchst unterschiedlich sind, werden die stabilisierenden Effekte der Fiskalpolitik deutlich überschätzt. Das zeigen aktuelle Studien", erklärt der Finanzexperte. "Zwar werden seit der Pleite von Lehman Brothers auch in Europa vermehrt Stimmen laut, die Fiskalpolitik sei das Mittel, um die Nachfrage zu stützen, und man schlägt kreditfinanzierte Ausgabenprogramme, die parallele Erhöhung von Staatsausgaben sowie Steuern und/oder kreditfinanzierte Steuersenkungen vor. Doch viele dieser Modelle lassen sich gegenwärtig nicht seriös anwenden. Die Krise hat zur extremen Unsicherheit geführt."

    Ebenso stellten Konjunkturprognosen gegenwärtig nur eine grobe Orientierung für die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik dar und dienten nicht als Maßstab, welche antizyklischen Rettungspakete zu schnüren seien. Werden kreditfinanzierte Konjunkturprogramme bereits heute durchgeführt, gibt Belke zu Bedenken, würden künftige Maßnahmen bei dann höherer Verschuldung teurer, obwohl sie möglicherweise noch dringender benötigt werden. Die Folge sei mangelndes Vertrauen der Märkte in die Fähigkeit der Regierungen, die Verschuldung in kommenden Boomjahren wieder zu senken. Das wiederum führe zu steigenden Sollzinsen auf die Staatschuld und wachstumsdämpfenden Erhöhungen der Steuern. "Diese späteren Kosten sind unter Umständen viel höher als der Nutzen, zumal in Deutschland anders als in den USA die Bevölkerung schwindet. In Zeiten hoher Unsicherheit wartet man deshalb mit Steuersenkungen und Ausgabenprogrammen, bis sich die Nebel der Prognoseunsicherheit gelichtet haben und klar wird, wie groß der Absturz wirklich ist - gerade bei der zeitlichen Verzögerung des Konjunkturzyklus der Eurozone gegenüber den USA", sagt der Finanzwissenschaftler der Uni Duisburg-Essen.
    Auch würde eine Stimulierung der Binnennachfrage in Krisenzeiten nicht dazu beitragen, die gravierenden Ungleichgewichte in der Eurozone zu beseitigen. "Vielmehr blendet sie die schmerzhaften Erfahrungen der letzten Monate aus. So haben Italien und andere Volkswirtschaften der Eurozone an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland derart verloren, dass nicht einmal mehr der Immobilienpreisboom, der die Inlandsnachfrage anheizte, das kaschieren konnte - erst recht nicht, seit die Vermögenspreisblase geplatzt ist. Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit lässt sich nicht einfach damit kompensieren, dass man die Binnennachfrage ankurbelt."

    Was nach Belkes Meinung auch nicht übersehen werden darf: Wenn alle Industriestaaten gleichgerichtet vorgehen - wodurch soll überhaupt netto ein realwirtschaftlicher Konjunkturanreiz bewirkt werden? Aus früheren Abwertungswettläufen sei bekannt, dass sich die relativen Preise zwischen den betreffenden Volkswirtschaften in diesem Fall nicht änderten. Vielmehr würden externe Ersparnisse einiger Länder wie Deutschland einfach verbrannt und private Nachfrage durch staatliche Nachfrage verdrängt. Belkes Fazit: "Rezessionen werden historisch gesehen erst durch Staatseingriffe zur Depression. Die Teilnehmer des G20-Gipfeltreffens sind gut beraten, neuen Regeln für die Finanzmärkte eine höhere Priorität beizumessen als einer weltweiten Koordinierung von Konjunkturprogrammen."

    Prof. Belkes ausführliche Einschätzung finden Sie unter
    http://www.eurointelligence.com/article.581+M5c76c7d9326.0.html

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Ansgar Belke, ansgar.belke@uni-due.de, Tel. 0201/183-2277, -2276, mobil 0177-6363480


    More information:

    http://www.eurointelligence.com/article.581+M5c76c7d9326.0.html


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Politics
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific Publications
    German


     

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