Leipzig - Knappe finanzielle Mittel zwingen viele Kliniken dazu, auch auf ihren Intensivstationen zu sparen. In einer Befragung von Intensivmedizinern äußerten zwei Drittel, dass bereits heute eine Rationierung von Leistungen stattfinde. Diese erfolgt jedoch oft versteckt und ohne klare Richtlinien. Wie viel Intensivmedizin kosten darf und nach welchen Regeln gespart werden kann, diskutieren Ärzte und Wissenschaftler vom 9. bis zum 12. Mai 2009 auf dem Deutschen Anästhesiecongress (DAC) in Leipzig.
Für die Umfrage schrieb das Forscherteam 1000 Intensivstationen in Deutschland an. Mehr als die Hälfte davon beantwortete den Fragebogen. "Die hohe Beteiligung zeigt, welche große Bedeutung das Thema im klinischen Alltag hat", sagt Professor Dr. med. Joachim Boldt, Kongresspräsident und Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Schmerztherapie und Operative Intensivmedizin am Klinikum Ludwigshafen. Neue Geräte und Medikamente haben die intensivmedizinische Versorgung in den letzten Jahren deutlich verbessert. Ärzte können heute selbst schwerkranke Patienten behandeln. "Häufig fehlt jedoch das Geld für solche aufwändigen Therapien. Dann stellt sich die Frage, wo man anfängt, medizinische Leistungen einzuschränken", so Boldt.
67 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass es bereits heute Rationierungen auf Intensivstationen gibt. Über feste Regeln zum Begrenzen oder Abbrechen einer Therapie verfügen jedoch die wenigsten Kliniken: So haben 88 Prozent keine Altersgrenze für den Einsatz sehr teurer Medikamente. Für 83 Prozent ist ein unheilbares Krebsleiden prinzipiell kein Grund, eine kostenintensive Dialysebehandlung abzulehnen.
Angesichts der Umfrageergebnisse fordert Boldt, die Beschränkung medizinischer Leistungen offen zu diskutieren: "Kein Gesundheitswesen funktioniert ohne Rationierung. Auch eine effektive Intensivmedizin wird ohne die Begrenzung von Therapiemaßnahmen künftig nicht mehr möglich sein. Das Thema zum Tabu zu erklären, hilft keinem." Er warnt in diesem Zusammenhang vor einer versteckten Rationierung. Hierbei halten Kliniken beispielsweise die Zahl der Betten auf Intensivstationen niedrig, um Kosten zu sparen. In der Umfrage gaben immerhin 35 Prozent an, dass sie gelegentlich oder häufig Patienten wegen fehlender freier Betten ablehnen würden. "Es darf nicht sein, dass Krankenwagen mit einem Schwerverletzten von Klinik zu Klinik fahren, weil keine Intensivstation ein Bett frei hat." Ohne feste Regeln zur Rationierung würde dann ausgerechnet den Patienten die Hilfe versagt, die sie am dringendsten brauchen.
Wie teuer darf Intensivmedizin sein? Wann ist der Einsatz aufwändiger Therapieverfahren tatsächlich sinnvoll? Welche Grenzen für medizinische Versorgung gibt es? Diese und weitere Fragen diskutieren Ärzte und Wissenschaftler auf dem DAC und einer Kongresspressekonferenz in Leipzig.
Quelle: J. Boldt, T. Schöllhorn: Ethik und Monetik: Einfluss ökonomischer Aspekte auf Entscheidungsprozesse in der Intensivmedizin. In: Der Anaesthesist. 2008 Nov; 57(11): 1075-82
Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.
Terminhinweis:
Kongresspressekonferenz
Montag, 11. Mai 2009, 10.45 - 11.45 Uhr
Congress Center Leipzig, Raum 9, Ebene +2, Messeallee 1, 04356 Leipzig
Pressekontakt für Rückfragen:
DGAI Pressestelle
Silke Stark
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-572
Fax: 0711 8931-167
E-Mail: stark@medizinkommunikation.org
Internet: http://www.dac2009.de
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Politics
transregional, national
Press events, Transfer of Science or Research
German
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