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10/14/1997 00:00

FAO-Feature zum Welternährungstag am 16. Oktober

Erwin Northoff Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen

    FAO RUFT ZU MEHR INVESTITIONEN FÜR LANDWIRTSCHAFT IN ARMEN LÄNDERN AUF

    Die Landwirtschaft muss in vielen Entwicklungsländern stärker als bisher gefördert werden, um Hunger und Unterernährung überwinden zu können. Besonders in den ärmsten Staaten der Welt spielt die Landwirtschaft eine Schlüsselrolle - sie erzeugt Nahrung und schafft Arbeitsplätze.

    In den Entwicklungsländern sind mehr als 800 Millionen Menschen unterernährt. Der Welternährungsgipfel hat sich im November 1996 das hochgesteckte Ziel gesetzt, diese Zahl bis zum Jahre 2015 zu halbieren. Umfangreiche Investitionen sind dazu dringend erforderlich.

    Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober aber darauf aufmerksam gemacht, dass der Agrarsektor immer noch zu sehr vernachlässigt wird. Ausserdem sinke die internationale Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft in den armen Ländern. So ist die externe Entwicklungshilfe von rund 15 Milliarden Dollar im Jahre 1988 auf 10 Milliarden Dollar 1995 gefallen.

    Die umfangreichen Auslandsinvestitionen in einigen Entwicklungsländer sind zudem kaum in die Landwirtschaft geflossen, die immer noch als unattraktiver Sektor gilt. Auch wird es zunehmend schwerer, genügend Mittel für die internationale Agrarforschung zu mobilisieren. Die internationale Biotechnologie-Forschung konzentriert sich hauptsächlich auf die Agrarprobleme der Industriestaaten.

    Ein Blick auf die Bevölkerungszahlen macht die grosse Herausforderung deutlich, vor der wir auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert stehen: im Jahre 2010 werden voraussichtlich 1,3 Milliarden Menschen mehr auf der Erde leben. Um mit dem Bevölkerungswachtum und der höheren Nachfrage als Folge von Pro-Kopf-Einkommenssteigerungen Schritt halten zu können, so schätzt die FAO, müssen bis dahin pro Jahr rund 166 Milliarden Dollar brutto in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer investiert werden. Ein vergleichsweise geringer Betrag verglichen mit den jährlich rund 900 Milliarden Dollar, die in die internationale Rüstungsproduktion fliessen.

    Die FAO schätzt, dass rund drei Viertel der Agrarinvestitionen in den kommenden Jahren die Bauern in Form von Arbeitskraft und eigenen fiananziellen Mitteln aufbringen müssen; die restlichen 25 Prozent, rund 40 Milliarden Dollar jährlich, müssten aus öffentlichen Mitteln und internationalen Zuwendungen gedeckt werden.

    Von Kontinent zu Kontinent sind die Investitionserfordernisse unterschiedlich. Kritisch bleibt die Situation in Afrika südlich der Sahara, wo die Zahl der Unterernährten von heute rund 175 Millionen auf rund 300 Millionen Menschen im Jahre 2010 steigen wird. Afrikas pro-Kopf-Einkommen wird in den kommenden zehn Jahren vermutlich um weniger als ein Prozent jährlich wachsen. Nur wenn die afrikanischen Länder ihre Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche stärken, und Anreize dafür schaffen, dass sich Investitionen lohnen, wird es mehr Arbeitsplätze und Nahrung geben. Eine marktorientierte Entwicklung muss für makroökonomische Rahmenbedingungen sorgen, die die Landwirtschaft nicht diskriminieren.

    In Asien bestimmen das anhaltende Bevölkerungswachstum und die begrenzt zur Verfügung stehenden Anbauflächen den zukünftigen Investitionsbedarf in der Landwirtschaft. Es werden mehr Mittel für neue Formen einer intensiveren Agrarerzeugung benötigt, für effizientere Bewässerungsanlagen und eine insgesamt umweltverträglichere Landwirtschaft.

    In Lateinamerika ist wertvoller Boden in vielen Ländern extrem ungleich verteilt. Hier sollten Investitionen für marktgestützte Landreformen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, um Kleinbauern und Landlosen besseren Zugang zu Land zu ermöglichen. In den karibischen Staaten gibt es einen hohen Investitionsbedarf, um die Abhängigkeit von nur wenigen Exportprodukten zu verringern.

    In den Reformstaaten Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion müssen Investitionen weiterhin in Privatisierungen und die Lagerung, Verteilung und Vermarktung von Lebensmitteln fliessen.

    In vielen Entwicklungsländern finden die meisten Menschen in der Landwirtschaft Arbeit. Investitionen in die Landwirtschaft sollten als Hilfe zur Selbsthilfe den Armen, Landlosen und der indigenen Bevölkerung zugute kommen, so die FAO. Nahrung für alle sowie zusätzliches Einkommen und Arbeit lassen sich nur erreichen, wenn die Produzenten direkt Zugang zu Krediten, Ausbildung und angepassten Technologien erhalten. Dies gilt vor allem für die Frauen, die in Afrika südlich der Sahara und der Karibik zwar 80 Prozent der Grundnahrungsmittel erzeugen, aber nur zu fünf Prozent landwirtschaftliche Beratung erhalten.

    Auch die globalen Gefahren für die Ernährungssicherheit verlangen neue Initiativen. Rund 3,5 Milliarden mehr Menschen müssen in den nächsten 25 Jahren ernährt werden. Die Anbauflächen lassen sich kaum noch ausdehnen. Im Jahre 1974 gab es weltweit pro Kopf 0,35 Hektar Ackerland, 1994 waren es nur noch 0,26 ha, in einigen Regionen sogar weniger als 0,12 ha. Die Zerstörung der Wälder geht weiter, zwischen 1990 und 1995 sind pro Jahr rund 11,2 Millionen Hektar Wald vernichtet worden.

    Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren geht verloren. Viele wertvolle Meeresfischbestände sind überfischt, allein 20 Millionen Tonnen Fisch gehen jährlich als Beifang wieder über Bord.

    Diese alarmierenden Entwicklungen machen es dringlicher denn je, intelligenter, ressourcenschonender und effizienter Nahrung zu produzieren. In der Bewässerungslandwirtschaft beispielsweise, die zwei Mal so produktiv ist wie die regenabhängige Landwirtschaft, werden mehr Forschung und Investitionen benötigt, um wertvolle Wasserreserven sparsamer zu nutzen. In vielen Bewässerungsanlagen kommen nur 40 Prozent des Wassers bei den Pflanzen an, der Rest bleibt ungenutzt. Auch traditionelle Bewässerungsmethoden, die in vielen trockenen Gebieten praktiziert werden, müssen stärker gefördert und weiterentwickelt werden.

    Es gibt inzwischen durchaus ermutigende Beispiele, die zeigen, dass es möglich ist, die Ernährungssituation deutlich zu verbessern.

    In China, dem mit 1,2 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Land der Erde, ist das tägliche Angebot pro Person von 1 500 Kalorien Anfang der 60er Jahre auf 2 700 zu Beginn der 90er Jahre gestiegen. Noch 1958 und 1961 erlebte das Land schwere Hungersnöte, bei denen Millionen Menschen ums Leben kamen. Beträchtliche Investitionen in die Agrarforschung, die Abschaffung der kollektiven Landwirtschaft, eine Stärkung der kleinbäuerlichen Familienbetriebe, höhere Erzeugerpreise und bessere Vermarktungschancen haben schliesslich die Wende eingeleitet und zu mehr Ernährungssicherheit geführt.

    In Indien standen in den 60er Jahren pro Kopf etwa 2 000 Kalorien zur Verfügung, heute sind es knapp 2 400. Der geschätzte Bevölkerungsanteil der chronisch Unterernährten sank zwischen 1969/71 und 1990/92 von 36 auf 21 Prozent. Die Ausbildung von Frauen, eine bessere Vermarktung von Nahrungsmitteln, das Vermeiden von Nach-Ernte-Verlusten sowie Beschäftigungsprojekte für die Armen, die mit Nahrungsmitteln entlohnt werden, haben geholfen, mehr Menschen zu ernähren.

    Burkina Faso in Westafrika bekommt wie viele andere Sahel-Länder Dürre und Trockenheit stark zu spüren. Mit einem jährlichen Bruttosozialprodukt je Einwohner von rund 300 Dollar gehört es zu den ärmsten Staaten der Welt. Noch Mitte der 70er Jahre gab es pro Einwohner weniger als 1 500 Kalorien täglich, 1992 waren es immerhin 2 500. Um die Ernährungskrise in den Griff zu bekommen, hat die Regierung die öffentlichen Finanzen umstrukturiert, Bodenschutz und traditionelle Bewässerung sowie die Schaffung von zusätzlichen Einkommen gefördert. Burkina Faso bleibt allerdings auch weiterhin stark von Nahrungsmitteleinfuhren abhängig.

    Auf beachtliche Erfolge kann auch Tunesien verweisen, das heute ein Angebot von 3 500 Kalorien pro Kopf erreicht, während es vor 40 Jahren nur 2 000 waren. Die Regierung hat die öffentlichen Investitionen in lokale Nahrungsmittelindustrien und die Vermarktung der Produkte erhöht, um Arbeitsplätze zu schaffen und um weniger abhängig von Importen zu sein. Eine progressive Bevölkerungspolitik, der Ausbau von Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystemen haben zusätzlich geholfen, die Unterernährung einzudämmen. Auch hat sich die Zahlungsfähigkeit des Landes für den Import von Nahrungsmitteln stetig verbessert.

    Einen Entwicklungssprung hat auch Ecuador gemacht, einst eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Ecuador hatte in den 60er Jahren ein Bruttosozialprodukt von 200 Dollar pro Kopf, zu Beginn der 90er Jahre aber lag es bei 1 200 Dollar. Seitdem das Land eine Liberalisierungspolitik eingeleitet hat und im Agrarsektor von direkten Interventionen zu einer Politik übergangen ist, die die privatwirtschaftliche Produktion stärker unterstützt, ist auch die Ernährungssituation besser geworden: das tägliche pro-Kopf Kalorienangebot lag 1961 noch unter 2 000 Kalorien und ist auf 2 600 kal 1992/94 gestiegen.

    Es sollte nach Auffassung der FAO heute keine politischen, ökonomischen und technologischen Entschuldigungen für Hunger und Unterernährung geben.


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Law, Politics
    transregional, national
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    German


     

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