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08/17/1995 00:00

Kontaktanzeigen: Blondinen bevorzugt

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 17.08.1995, Nr. 123

    Blondinen weiterhin bevorzugt

    UEber Erfolge der Partnersuche per Inserat

    Bochumer Absolvent analysierte 100 Kontaktanzeigen

    Es bleibt dabei: Auch der moderne Mann achtet verstaerkt auf das Aussehen einer Frau. Ob "huebsch", "blond", "schlank" oder "sportlich" - mann braucht bestimmte Woerter nur zu lesen, und schon springt er darauf an. Zu dieser und einigen anderen Erkenntnissen kam Arne Dessaul, M.A. in seiner ausfuehrlichen Untersuchung ueber Kontaktanzeigen "Ich suche keine Cindy Crawford, aber eine Mischung aus Claudia Schiffer und Whoopi Goldberg".

    In dieser von Prof. Dr. Franz-R. Stuke (Medienpaedagogik und Me-dienpraxis, Fakultaet fuer Philosophie, Paedagogik und Publizistik) betreuteten Magisterarbeit analysierte Arne Dessaul insgesamt 100 Kontaktanzeigen (je 50 aus den Rubriken "Sie sucht ihn" und "Er sucht sie") der Bochumer Stadtillustrierten "coolibri". Die Partnersuche per Chiffre-Inserat ist nicht nur "in", sondern mittlerweile auch gesellschaftsfaehig. Das deuten nicht nur die stetig wachsenden Zahlen an Inseraten in Magazinen und Zeitungen an - bis zu 1.000 Inserate pro Ausgabe sind keine Seltenheit -, sondern auch die zahlreichen TV-Shows zu diesem Thema oder die sogenannten "Kontaktanzeigen-Partys", die allwoechentlich in vielen deutschen Staedten Hunderte von Anzeigenaufgebern und andere Besucher anlocken. Den groessten Anzeigenboom verzeichnen dabei die Stadtillustrierten, deren Inserate weitaus preiswerter sind als die von Zeitungen. Hauptsaechlich die Generation der 18- bis 35jaehrigen macht davon Gebrauch.

    Eine wissenschaftliche Untersuchung speziell dieses Phaenomens fehlte bislang. Diese Luecke hat nun Arne Dessaul an der Ruhr-Universitaet Bochum geschlossen. Anhand inhaltsanalytischer und -deutender Untersuchungen kam er zu folgenden Ergebnissen: Die Inhalte der Anzeigen lassen sich stets durch ein bestimmtes Grundschema darstellen. Hauptelemente dieses Schemas sind "Selbst- und Partnerbezeichnungen" ("Ich", "Du/Dich"), "Selbst- und Part-nerbeschreibungen" (Alter, Groesse, Gewicht, Aussehen, Charakter) sowie "Angaben zur angestrebten partnerschaftlichen Beziehung" (feste/lockere Beziehung). Hinzu kommen haeufig "Motive" ("Einsamkeit"), Angaben zur Vorgeschichte ("Nach langjaehriger Zweierbeziehung ...") und Aufforderungen ("Dann schreib mir mit Bild!"). Frauen machen wesentlich mehr Angaben als Maenner, vor allem bei den Selbst- und Partnerbeschreibungen (Spitzenreiter: das eigene Aussehen). Bestimmte Begriffe tauchen hierbei besonders haeufig auf: Beim Aussehen sind dies "schlank", "sportlich", "blond", "langhaarig", "attraktiv" und "gutaussehend", bei den Charaktereigenschaften "ehrlich", "unternehmungslustig" und "humorvoll". Die Elemente des Grundschemas lassen sich entweder durch eindeutige ("schlank", "huebsch", ,aufgeschlossen) oder durch codierte Angaben ("Rubens-Frau", "Highlander", "Peter Pan-Syndrom") fuellen. Dabei werden folgende Codeformen benutzt: Abkuerzungen (,BZ", ,27/180/76"), Fremdsprache ("See ya", "Feeling"), Poesie, Prosa (inkl. Ironie, Vorstellungsstereotype, Szene-Sprache), Personen und Figuren des oeffentlichen Lebens ("George Michael", "Momo") und Werbung ("4711", "501-Typ"). Codes finden sich in allen Anzeigen, zum Teil werden ganze Anzeigentexte durch das Verwenden verschiedener Codeformen bestimmt. Sinn und Zweck der Codes liegen auf der Hand: Zum einen verkuerzen sie den Text, da mit Begriffen wie "George Michael" umgehend verschiedene Eigenschaften assoziiert werden. Zum anderen haben sie einen doppelten Selektionseffekt: Der Code muss a) verstanden und entschluesselt und b) akzeptiert werden. Darueber hinaus koennen Codes in der richtigen Dosierung eine gewisse Originalitaet hervorrufen: "Waage-Frau, 29, 167 cm, mit Jodeldiplom, sucht passenden Kosackenzipfel, der nicht wie die Hoppenstedts enden will."

    Weibliche Inserenten erhalten im Durchschnitt etwa sechs Mal so viele Zuschriften wie maennliche. Die Gruende fuer diese extreme Differenz liegen zum einen in der Altersstruktur der Anzeigennutzer (es gibt wesentlich mehr Single-Maenner als -Frauen im Alter zwischen 18 und 35), zum anderen in der (moeglichen) Zurueckhaltung der Frauen, Unbekannten ihre komplette Anschrift mitzuteilen, wie es bei Antworten auf Chiffre-Anzeigen ueblich ist. Die Streuung der Zuschriftenanzahl reicht bei den weiblichen Anzeigen von eins bis weit ueber 30, bei den maennlichen Inseraten von null bis sechs. Natuerlich ist der jeweilige Anzeigeninhalt fuer diese Unterschiede verantwortlich. Eine Faustregel lautet: Je vager die Beschreibung des/der Gesuchten, desto mehr Antworten gibt es. Fuer weibliche Inserenten erweist es sich zudem als vorteilhaft, das eigene Aussehen positiv zu beschreiben (bereits "blond" oder "attraktiv" reichen aus) und/oder das Thema ,Erotik/Sex" anzusprechen. Allerdings ist die Aussagefaehigkeit des Kriteriums ,Anzahl der Zuschriften" begrenzt: Die entscheidende Frage, ob der oder die "Richtige" unter den Antwortenden ist, bleibt offen. So kann beispielsweise eine detaillierte Beschreibung der/des Gesuchten zwar zu weniger Zuschriften fuehren. Da die Zielgruppe aber besser abgrenzt wird, findet sich unter den wenigen Zuschriften eher der/die "Zukuenftige".


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