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03/07/1995 00:00

Lesenotstand

Ursula Küffner Pressestelle
Universität Bayreuth

    FH-Professor ermittelte schlechte Studentenqualifikation fuer wissenschaftliches Lesen

    Bayreuther Professoren bewerten

    "Lesenotstand" nicht so dramatisch

    ABER 16 % GEBEN NOTE MANGELHAFT FUER LESELEISTUNG

    Bayreuth (UBT). Bayreuther Professoren der Naturwissenschaft bewerten die Qualifikation zum wissenschaftlichen Lesen ihrer Studenten deutlich hoeher als ihre Naturwissenschaftler-Kollegen im Bundesdurchschnitt. Dies hat der Berliner Fachhochschul- Professor Dr. Lutz von Werder, der Leiter des Hochschuldidaktischen Zentrums an der Alice-Salomon- Fachhochschule in Berlin, anhand von Umfrageergebnissen herausgefunden.

    Professor von Werder sieht das wissenschaftliches Lesen und Schreiben als Kern der Wissenschaftsproduktion. Wissenschaftliches Wissen, so stellt er fest, wird durch Lesen reproduziert, durch Schreiben produziert und tradiert. Insofern habe auch das Lesen wissenschaftlicher Texte entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung des wissenschaftlichen Schreibens, stellt von Werder fest, der vehement dafuer eintritt, analog zu einer Entwicklung in den USA das wissenschaftliche Lesen und Schreiben in der Lehre zu professionalisieren und selbst wissenschaftlich zu begleiten und institutionell in den Hochschulen zu verankern. Durch die Einfuehrung neuer Technologien in die Wissenschaftsproduktion werde naemlich der Lesestoff erheblich erweitert und die Lese- Anforderungen fuer Studenten stark veraendert und erhoeht, argumentiert Professor von Werder.

    Nachdem er durch Umfragen festgestellt hat, dass an den deutschen Universitaeten ein Schreibnotstand herrscht, will er nun mit einer neuen Untersuchung auch den "akademischen Lesenotstand" ermittelt haben. Er hat dazu 108 Hochschullehrer befragt, die von den jeweiligen Wissenschaftsministerien in Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thueringen und Baden-Wuerttemberg als Sachkundige fuer das wissenschaftliche Lesen von Studentinnen und Studenten benannt wurden. Zusaetzlich hatten 31 Bayreuther Professoren, darunter 28 aus naturwissenschaftlichen Faechern, auf einen entsprechenden Hinweis von Universitaetspraesident Professor Dr. Helmut Buettner auf die Befragung geantwortet.

    Die Antworten der Bayreuther Naturwissenschaftler hat Professor von Werder gewissermassen als "Kontrollgruppe" genutzt und ist dabei zu ueberraschenden Ergebnissen gekommen. Waehrend in der

    Bundesstichprobe 63 % der Professoren die Lesequalifikation aller Studenten ausreichend bis mangelhaft einstufte und innerhalb dieser Stichprobe die Naturwissenschaftler immerhin noch zu 61 % diese Noten vergaben, waren es bei den Bayreuther Naturwissenschaftlern nur 29 %. Auch gaben 32 % von ihnen sogar die Note gut, waehrend es in der Bundesstichprobe nur 4 % waren und bei den darunter befindlichen Naturwissenschaftlern 8 %. Insgesamt geben mehr als 2/3 der befragten Bayreuther Naturwissenschaftler den Leseleistungen ihrer Studenten eine gute oder befriedigende Note, waehrend sich dieser Bewertung in der Bundesstichprobe noch nicht einmal 1/4 der befragten Professoren anschliesst. Im Bundesschnitt der Naturwissenschaftler bleiben allerdings die Bayreuther bei der Vergabe der Note mangelhaft: Hier wie dort schaetzten 16 % die Lesequalifiktion ihrer Studenten so ein. In der Bundesstichprobe sind es sogar 24 %. Die Bayreuther Klagen ueber die mangelnde Lesequalifikation der Studenten gleicht dabei der bundesweiten Argumentation: Das studentische Lesen sei zu oberflaechlich, rein rezeptiv, wenig analytisch und kaum auf dem erforderlichen Abstraktionsniveau.

    Bei den Gruenden fuer die deutlich bessere Bewertung aus Bayreuth beginnt der Berliner Fachhochschul-Professor allerdings zu spekulieren. Da vom Praesidenten ausgehend, koennten die Bayreuther Professoren geneigt gewesen sein, ihren eigenen Lehrerfolg im Lesen nicht zu schlecht hinzustellen; oder in der "kleineren Hochschule" Bayreuth seien die Seminare nicht so ueberfuellt und deswegen auch die Betreuung der Studenten intensiver und schliesslich, so vermutet er weiter, stelle das Lesen naturwissenschaftlicher Texte nicht so hohe Anforderungen, wie die in den Geisteswissenschaften.

    Neben den Ergebnissen ueber die Lesequalifikation stellt Professor von Werder aus seinen Befragungen fest, dass Foerderprogramme zum wissenschaftlichen Lesen an der Universitaet Bayreuth unbekannter sind als in der Bundesstichprobe, in Oberfranken das wissenschaftliche Lesen, wie in Deutschland an anderen Orten auch, nur nebenbei thematisiert wird und schliesslich Bayreuther Naturwissenschaftler ein signifikant groesseres Desinteresse an einem Lesefoerderungsprogramm haben, als ihre Kollegen aus der Bundesstichprobe. Sein Urteil ist deswegen an dieser Stelle besonders hart: "Es scheint so, als habe sich in Bayreuth noch nicht herumgesprochen, dass es in den USA schon 30 Studiengaenge nur fuer die Lehre im naturwissenschaftlichen Lesen und Schreiben gibt."


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