Ob Raub, Vergewaltigung oder andere Straftaten, es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Medien über unterlassene Hilfeleistungen berichten. Vor dem Hintergrund der tödlichen S-Bahn-Attacke Mitte September in München, spricht der Kriminologe der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind, über Motive, die Menschen davon abhalten, ihren angegriffenen Mitmenschen zu helfen. Warum wollen Bürgerinnen und Bürger nicht helfen, die helfen könnten? Ist Zivilcourage zeigen wirklich so schwer?
"Jeder kann selbst Opfer werden und sollte sich schon deshalb überlegen, ob und wie er anderen helfen würde", so Schwind. Für den ehemaligen niedersächsischen Justizminister ist aber auch klar: "Wenn man sich nicht vorher Gedanken macht, wird man im Ernstfall wahrscheinlich nicht helfen." Solche Situationen blockieren die Helferinstinkte. Ob man bereit ist direkt zu helfen, hängt von personenbezogenen und situationsbezogenen Einflussfaktoren ab. Schwind nennt als Beispiele die fehlende Eindeutigkeit der Notlage und die Gefahr, selbst etwas abzubekommen. "Viele Menschen wollen sich nur deshalb nicht einmischen, weil sie Ärger befürchten. Aus solchen Gründen gehen inzwischen auch Täter davon aus, dass den Opfern niemand helfen wird", so der Osnabrücker Wissenschaftler, der sich seit vielen Jahren auch in mehreren Publikationen (u.a. "Alle gaffen - keiner hilft", Kriminalistik Verlag Heidelberg) mit dem sogenannten "non helping bystander-Effekt" beschäftigt hat.
Ein großes Problem ist die Unberechenbarkeit des Täters. Der Osnabrücker Kriminologe: "Die Täter glauben, ihren augenblicklichen Antrieben bedenkenlos und ungehindert entsprechen zu können - wie auch im Münchener S-Bahn Fall. Wir müssen das Misserfolgsrisiko für die Täter erhöhen, indem wir nicht gaffen, sondern helfen und damit anderen potenziellen Tätern signalisieren, dass sich unsere Gesellschaft zu wehren beginnt."
Dass eine unterlassene Hilfeleistung mit Strafe geahndet werden kann, wissen die Wenigsten. Bestraft wird, "wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erheblich eigene und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist" (§ 323c StGB). Im Gegenzug muss kein Helfer befürchten, selbst strafverfolgt zu werden, auch wenn er bei der Hilfeleistung eine Straftat - zum Beispiel eine Körperverletzung gegen den Täter begeht (Nothilfe nach § 32 StGB). Die Hilfeleistung darf in diesem Fall jedoch nicht gegen den Willen des Opfers erfolgen.
____________________________________________________________________
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind, Universität Osnabrück,
Fachbereich Rechtswissenschaften
Heger-Tor-Wall 14, D-49069 Osnabrück
Tel. +49 541 41433, Fax +49 541 42533
Der Osnabrücker Kriminologe Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind.
Foto: Elena Scholz / Pressestelle Universität Osnabrück
None
Criteria of this press release:
Law, Politics, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).