Bochum, 23.20.1997 Nr. 202
Von ,Streetfightern" und ,Joshi's Cookie" Gewaltspiele verringern Mitgefühl bei Kindern Bochumer Psychologin deckt Zusammenhang auf
Gewaltspiele vermindern die Fähigkeit des Mitfühlens, sie stumpfen ab gegen das Leid der Opfer. Zu diesem Ergebnis gelangt Dr. Rita Steckel in ihrer empirischen Untersuchung ,Aggression in Videospielen: Gibt es Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern?" Diese Dissertation wurde von Prof. Dr. Gerda Lazarus (Fakultät für Psychologie der RUB) betreut und vom Wissenschaftsministerium NRW gefördert.
Mehr als drei Stunden täglich: Gewaltvideospiele
Schüler bringen Messer, Schlagringe und Reizgas mit in die Schule. Auch Raub und Erpressung sind unter Jugendlichen keine Seltenheit mehr. So weist in den letzten zehn Jahren die Kriminalstatistik für Kinder und Jugendliche steil nach oben. Zwangsläufig gerät da in den Blick, womit Kinder sich nach eigenen Angaben mehr als drei Stunden täglich (!) beschäftigen: Videospiele, davon bei Jungen 30 % Kampf- und Gewaltspiele. Diese Zahlen ermittelte die Bochumer Wissenschaftlerin für ihre Untersuchung.
Aggression: Auslöser oder Folge?
167 Kinder, eingeteilt in zwei Altersgruppen unter bzw. über zehn Jahren, je zur Hälfte Jungen und Mädchen, wurden zunächst bewertet nach ihrer Disposition für Aggression. Danach ordnete Dr. Steckel die Kinder zufällig einem aggressionsorientierten Videospiel (Street-Fighter II) bzw. einem aggressionsfreien Spiel (Joshi's Cookie) zu, das sie für 30 Minuten spielten. Eine Messung der Aggressionsneigung im Anschluß ergab: Eine unmittelbare Anregung durch das gewaltorientierte Spiel ließ sich zwar nicht direkt nachweisen. Allerdings zeigten hoch aggressive Kinder, unabhängig davon, mit welchem Video sie gespielt hatten, signifikant höhere Aggressionskennwerte nach dem Spielen. So stellt sich die Frage, was Ursache und was Wirkung ist: Ob es eine Anlage für Aggression ist, die vor allem Jungen zum Umgang von Gewaltspielen treibt, oder ob es die Videospiele sind, die die Aggression auslösen.
Emotionale Betroffenheit sinkt
Eindeutig dagegen war der Befund der Bochumer Wissenschaftlerin in Bezug auf die emotionale Betroffenheit: Kinder mit einer langen Gewaltspielerfahrung, die zuvor mit dem Kampfspiel gespielt hatten, reagierten mimisch und gestisch weniger auf emotionsanregende, belastende Bilder als Kinder, die mit dem harmlosen Spiel beschäftigt gewesen waren, unabhängig davon, wieviel Gewaltspielerfahrung sie zuvor gesammelt hatten. Des weiteren zeigten sich zwischen den beiden Gruppen auch Unterschiede in der Herzfrequenz, die als Maß für eine innere Beteiligung herangezogen werden kann. Außerdem: Kinder der Kampfspielgruppe wiesen - im Gegensatz zur Gruppe mit dem harmlosen Spiel - eine deutliche Vorliebe für die belastenden Bilder auf.
Langfristige Auswirkungen befürchtet
Rita Steckel befürchtet, daß die abgeschwächte Mitleidensfähigkeit auch langfristig Aggressionshemmungen abbaut. Da es in den Gewaltvideos nur um das Überleben des Stärksten, Grausamsten und Brutalsten geht, spielen Gefühle wie Trauer oder Mitleid keine Rolle. Den Kindern fehlt daher das mitfühlende Erleben von Notlagen anderer, was ihre eigene Aggressionsneigung hemmen könnte.
Weitere Informationen
Dr. Rita Steckel, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Psychologie, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-4629, Fax: 0234/7094-376, E-Mail: rita.steckel@ruhr-uni-bochum.de
Criteria of this press release:
Psychology
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