Wie bei allen Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen auch bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) oder Angina pectoris die Gene eine Rolle. Doch die Mechanismen, die das Krankheitsrisiko auf genetischer Ebene beeinflussen, sind noch weitgehend unbekannt. Nun haben Forscher, unter anderem vom Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung (LIFA) in Münster, neue genetische Risikofaktoren für KHK entdeckt.
Ein internationales Forscherteam hat einen neuen genetischen Risikofaktor für Koronare Herzkrankheit (KHK) identifiziert. In einem bekannten Risikogen fanden sie zwei Einzelnukleotid-Polymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs), deren Träger ein knapp zweifach erhöhtes Risiko für KHK haben. An der Studie, die am Donnerstag in der aktuellen Ausgabe des "New England Journal of Medicine" erscheint, waren auch Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung (LIFA) in Münster beteiligt.
Die Wissenschaftler hatten für die Studie Proben von 3145 Patienten mit KHK untersucht, die vor dem 66. Lebensjahr erkrankt waren und außerdem mindestens ein ebenfalls erkranktes Geschwisterteil hatten. Damit stellten sie sicher, dass die genetische Belastung bei diesen Patienten eine wichtige Rolle spielte. Als Kontrolle diente eine Gruppe von 3352 gesunden Probanden ohne familiäre Vorbelastung für KHK.
Mit einem Genchip testeten die Forscher 48.742 verschiedene SNPs in 2100 Genen. Alle diese Gene stehen im Verdacht, das KHK-Risiko zu beeinflussen. "Erstaunlicherweise fanden wir aber nur bei drei Genen eine wirklich starke Korrelation mit KHK", sagt Prof. Udo Seedorf vom LIFA.
Eines der drei Gene, das Gen LPA, nahmen die Wissenschaftler für die aktuelle Studie genauer unter die Lupe. Es war bereits in früheren Studien immer wieder als mögliches Risikogen identifiziert worden, doch bisher konnte niemand genau nachweisen, welche Varianten (Allele) von LPA das KHK-Risiko erhöhen.
Das Forscherteam unter Leitung von Prof. Hugh Watkins von der Universität Oxford konnte nun zeigen, dass zwei SNPs in der Gegend um dieses Gen das Risiko stark beeinflussen. Einer der beiden steigert das KHK-Risiko seines Trägers um den Faktor 1,7, der andere um den Faktor 1,92. Wer beide SNPs trägt, der hat sogar ein 2,57-fach erhöhtes KHK-Risiko. "Dabei sind aber nicht die SNPs selber schuld an der Erkrankung", erklärt Prof. Seedorf. "Sie sind eng an eine bestimmte Variante von LPA gekoppelt und werden mit ihr zusammen vererbt." Mit anderen Worten: Wer einen der beiden SNPs trägt, trägt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine schädliche Version des LPA-Gens.
Das Gen kodiert für ein so genanntes Lipoprotein namens Lp(a), das in der Leber von Menschen und einigen Primaten produziert wird. Im Blut bindet Lp(a) an LDL-Cholsterin-Partikel. Es ist bekannt dafür, dass es Arteriosklerose, KHK und Schlaganfälle fördert, wenn es in hohen Konzentrationen im Blut vorliegt. Diese Lp(a)-Konzentration ist allerdings von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, was vor allem auf die hohe Variabilität des LPA-Gens zurückzuführen ist.
Bestimmte Abschnitte des Gens, die so genannten Kringles, werden nämlich unterschiedlich oft wiederholt. Manche Menschen tragen ein LPA-Gen mit nur 3 Kringle-Wiederholungen, andere wiederum können mehr als 30 solcher Wiederholungen haben. Die Zahl der Kringles beeinflusst die Größe des fertigen Lp(a)-Lipoproteins. Und dessen Größe wiederum sagt etwas über seine Schädlichkeit aus: Je kleiner das Lp(a) ist, desto mehr davon sammelt sich im Blut, und desto schädlicher wirkt es.
In der aktuellen Studie konnten die Wissenschaftler nun zeigen, dass die beiden neu identifizierten SNPs in der Regel mit LPA-Allelen einhergehen, die 19 bis 20 Kringles haben. Ihre Träger haben also eher kleine Lp(a)-Varianten im Blut und damit wohl eher hohe Lp(a)-Konzentrationen. Für die Forscher belegt dies einen lang vermuteten kausalen Zusammenhang zwischen hohen Lp(a)-Leveln und KHK-Risiko. "Was wir aber noch nicht wissen", sagt Prof. Seedorf, "ist, warum kleines Lp(a) schädlicher ist als großes. Liegt es nur an den höheren Konzentrationen, oder ist das kleine Lp(a) an sich gefährlicher? Das ist eine Frage, der wir noch nachgehen müssen."
Hintergrundinformationen:
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in den Industrieländern: Im Jahr 2007 etwa starben in Deutschland fast 57.000 Menschen an Herzinfarkt und weitere 26.000 an Schlaganfall. Der Auslöser für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist häufig die Arteriosklerose, im Volksmund auch "Gefäßverkalkung" genannt. Arteriosklerose ist eine allgemeine Erkrankung des Gefäßsystems, die sich über Jahre und Jahrzehnte entwickelt, ohne Krankheitssymptome zu verursachen.
Zu den Folgeerkrankungen der Arteriosklerose zählt neben Herzinfarkt und Schlaganfall auch die koronare Herzkrankheit (KHK) oder Angina pectoris. Sie entsteht durch verengte Herzkranzgefäße und führt zu einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels. Betroffene spüren typische Schmerzen und Enge in der Brust. Neben beeinflussbaren Risikofaktoren - etwa Rauchen, hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck oder Übergewicht - beeinflussen auch die Gene das Risiko, an KHK zu erkranken. Besonders bei jungen Patienten oder bei familiärer Häufung von Krankheitsfällen liegt in der Regel eine erbliche Belastung vor.
Das Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung (kurz LIFA) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Entstehung, die Verhütung und die Behandlung der Arteriosklerose zu erforschen sowie deren Prävention und Therapie zu fördern. Im LIFA wird klinische Ursachenforschung an Patienten mit moderner interdisziplinärer Grundlagenforschung verknüpft.
Das Institut wurde im Jahr 1970 als Institut für Arterioskleroseforschung am heutigen Standort Münster gegründet. Rechtsträger des Instituts ist die Gesellschaft für Arterioskleroseforschung e.V. Seit dem 01.01.2005 ist das Institut Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft und trägt den heutigen Namen "Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung" (LIFA).
Die Originalpublikation trägt den Titel "Genetic Variants Associated with Lp(a) Lipoprotein Level and Coronary Disease" (Clarke et al.) und erscheint am Donnerstag, 24.12.2009, im New England Journal of Medicine (N Engl J Med 2009;361:2518-28.).
An der Studie waren beteiligt:
LIFA - Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung, Münster
University of Oxford, Oxford, UK (Clinical Trial Service Unit, Epidemiological Studies Unit, Department of Cardiovascular Medicine, Wellcome Trust Centre for Human Genetics)
University of Surrey, Surrey, UK (Division of Biochemical Sciences, Faculty of Health and Medical Sciences)
Commissariat a l'Energie Atomique, Evry, Frankreich (Centre National de Genotypage, Institut Genomique)
Istituto di Ricerche Farmacologiche Mario Negri, Mailand, Italien (Department of Cardiovascular Research)
Karolinska Institutet, Stockholm, Schweden (Atherosclerosis Research Unit, Department of Medicine und Division of Cardiovascular Epidemiology, Institute of Environmental Medicine)
Criteria of this press release:
Biology, Medicine
transregional, national
Research results
German
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