Greifswalder Institut wurde als zweite Einrichtung der neuen Länder zertifiziert
Lea-Marie, Lea-Sophie und weitere schwere Kinderschicksale haben die Öffentlichkeit und Politik aufgerüttelt. "Inzwischen schauen Ärzte, Sozialarbeiter und Nachbarn genauer hin. Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Greifswalder Instituts für Rechtsmedizin wider", betonte die Direktorin, PD Dr. Britta Bockholdt (Foto).
Im Jahr 2006 wurden in Greifswald und im Einzugsbereich Vorpommern 79 lebende Personen auf Verletzungen und eventuelle Misshandlungen untersucht, davon 10 Kinder (13 %). Im Jahr 2009 waren es 100 Patienten, darunter 42 Kinder (42 %).
Dem Greifwalder Institut wurde jetzt vom Deutscher Akkreditierungsrat (www.dar.bam.de) für die drei Arbeitsbereiche Forensische Medizin, Forensische Molekulargenetik und Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik ein offizielles Gütesiegel verliehen. Nach Jena ist damit Greifswald die zweite Einrichtung der neuen Länder mit einem international anerkannten Qualitätsmanagement.
"Die Qualitätsanforderungen an rechtsmedizinischen Untersuchungen sind extrem hoch, die Verantwortung nicht weniger. Die Bedeutung der Rechtsmedizin in der Gesellschaft ist erfreulicherweise in den letzten Jahren wieder stärker wahrgenommen worden. Für die vielfältigen Aufgaben ist das Greifswalder Institut in Qualität und Ausstattung optimal aufgestellt", erklärte der Vorstandsvorsitzende und Ärztliche Direktor, Prof. Marek Zygmunt.
Mit der Übernahme der Greifswalder Rechtsmedizin durch die Berliner Privatdozentin Dr. Britta Bockholdt vor vier Jahren wurde das Institut mit Unterstützung des Klinikumsvorstandes umfassend modernisiert und betriebswirtschaftlich neu strukturiert. Das Institut in der Greifswalder Innenstadt hat sich zu einem viel gefragten Dienstleister für Polizei, Gerichte, Staatsanwaltschaft, Ärzte und Kliniken sowie für die Kommunen und ihre Ämter entwickelt. Zur Leistungsbilanz des vergangenen Jahres zählen unter anderem 200 gerichtliche Obduktionen, 100 körperliche Untersuchungen lebender Personen zur Klärung von möglichen Straftaten sowie 120 Tatortbesichtigungen an Leichenfundorten. "Es ist rund um die Uhr ein Rechtsmediziner in Rufbereitschaft, der angefordert werden kann", informierte die Institutsleiterin. Dazu kommen rund 5.000 Leichenschauen jährlich. Das Bestattungsgesetz des Landes schreibt eine zweite Leichenschau vor der Feuerbestattung im Krematorium vor, die von einem Rechtsmediziner durchgeführt werden soll.
130 Fahrer mit über 3 Promille erwischt
Stark zugenommen haben Analysen im Rahmen von Straßenverkehrsdelikten oder Fahrauffälligkeiten. Diese werden in der Abteilung für Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Institutes vorgenommen, wenn ein "Verkehrssünder" möglicherweise nicht nur unter Alkohol, sondern auch unter Drogeneinfluss gefahren ist. Im letzten Jahr wurden 1.046 Tests angefordert; 2006 nur 644. Ein hoher Prozentsatz davon fiel positiv aus, das heißt, es konnten Betäubungsmittel in mehr als 80 % aller Fälle nachgewiesen werden.
Bei rund 3.500 Fahrerproben aus dem Straßenverkehr wurde der Blutalkoholwert bestimmt. Der höchste nachgewiesene Blutalkoholwert bei einem Autofahrer lag bei 3,8 Promille (2008: 4,2 Promille). In 130 Fällen wurden 2009 Werte über 3,0 Promille festgestellt. "Die hohe Zahl lässt vermuten, dass nicht wenige Verkehrsteilnehmer mit einer auch für sie selbst lebensgefährlichen Blutalkoholkonzentration auf den Straßen unterwegs sind", befürchtet die Medizinerin.
"Auch Konzentrationen über 2 Promille sind keine Seltenheit", so Bockholdt. Intensivere Verkehrskontrollen wären wünschenswert, um das Hochrisikofahren nach Alkoholmissbrauch noch wirkungsvoller zu bekämpfen. Führerscheingutachten und so genannte Abstinenzkontrollen zum Drogenfreiheitsnachweis oder zum Nachweis der Alkoholabstinenz zum Wiedererlangen der Fahrerlaubnis nehmen ebenfalls seit zwei Jahren zu (2009: 90).
Partner der Ermittler
Mit modernster Ausstattung, dafür hat das Uniklinikum mehr als 220.000 Euro in leistungsstarke molekularbiologische Analysegeräte investiert, ist die Greifswalder Rechtsmedizin auch als "Ermittlungspartner" der Polizei und Staatsanwaltschaft gefragt. Das Arbeitsspektrum der Mitarbeiter der Abteilung für Forensische Toxikologie umfasst komplexe toxikologische Untersuchungen (2009: 74) in Todesermittlungsverfahren bei vermuteten Vergiftungen. Zwei Chemiker und eine Biologin gehören neben den drei Ärzten zum 16-köpfigen Team; wenn es gilt, die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten oder Suiziden zu unterstützen. Mit Hilfe der forensischen DNA-Methoden können insbesondere biologische Spuren wie Speichel oder andere gesicherten Körperzellen zur Strafverfolgung innerhalb kürzester Zeit ausgewertet werden. Insgesamt 200 DNA-Proben wurden im letzten Jahr in Greifswald für laufende Ermittlungsverfahren untersucht.
Ein weiteres Gebiet der Forensischen Molekulargenetik betrifft Abstammungsgutachten, auch "Vaterschaftstests" genannt, für Gerichte und Privatpersonen sowie komplexe genetische Untersuchungen zu Verwandtschaftsverhältnissen. Knapp 200 solcher Untersuchungen werden jedes Jahr vorgenommen.
Aufklärung muss weitergehen
"Sehr viel Wert legen wir auf Weiterbildung der Behörden und Mediziner sowie die Ausbildung unserer Studenten", unterstrich die Institutsdirektorin. Mehr als 50 Informationsveranstaltungen zur ärztlichen Leichenschau, Erkennen von Kindesmisshandlungen und Drogen- und Alkoholkonsum und weiteren praxisrelevanten Themen absolvierten die Mitarbeiter der Rechtsmedizin im vergangenen Jahr noch neben dem normalen studentischen Lehrbetrieb für Mediziner, Biologen und Juristen. "Die öffentliche Aufklärung muss weitergehen, damit die Mitarbeiter der Jugendämter, aber auch Polizisten in kritischen Situationen richtig reagieren können."
Dr. Britta Bockholdt: "Wir wünschen uns vor allem von Klinikärzten eine hohe Aufmerksamkeit bei der Aufnahme von Kindern mit unklaren oder zunächst nur scheinbar klaren Verletzungen. Genau dahinter verbergen sich häufig Fälle von Kindesmisshandlung. Mit vielen Kliniken und Kinderärzten der Region arbeiten wir mittlerweile sehr eng zusammen. Wir können im Zweifelsfall jederzeit kontaktiert und hinzugezogen werden."
Die rechtsmedizinische Lehre und Forschung wurde in den letzten Jahren verstärkt und ausgebaut. Jeder zukünftige Arzt belegt im Medizinstudium das Fach Rechtsmedizin, das aufgrund seiner Praxisnähe zu den beliebtesten Teilgebieten zählt. In Greifswald nehmen Studierende beispielsweise an Leichenschauen teil, um natürliche und unnatürliche Todesfolgen unterscheiden zu können. "Der medizinische Nachwuchs muss direkt lernen, wie der Tod eines Menschen sicher festgestellt und Verstorbene korrekt untersucht werden." Dementsprechend stolz sind die Rechtsmediziner auf den von der Fachschaft Medizin verliehenen Preis für die beste studentische Lehre im klinischen Bereich im letzten Jahr. Forschungsprojekte laufen am Institut zu ärztlichen Behandlungsfehlern, zu Selbstmorden im höheren Lebensalter, zur Verbreitung von Kapitalverbrechen vor und nach der Wende, zu Fragen der Todesursachenstatistik und zu speziellen biomechanischen Fragestellungen zum Beispiel bei Tötungsdelikten.
Ansprechpartner
Universitätsklinikum Greifswald
Institut für Rechtsmedizin
Direktorin: PD Dr. med. Britta Bockholdt
Kuhstraße 30, 17475 Greifswald
T +49 3834 86-57 43
E rechtsme@uni-greifswald.de
http://www.klinikum.uni-greifswald.de
PD Dr. med. Britta Bockholdt
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Sorgen für Sicherheit in Vorpommern - das Team der Greifswalder Rechtsmedizin in der Kuhstraße. Die ...
Fotos: UKG/Janke
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Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
regional
Organisational matters, Studies and teaching
German
PD Dr. med. Britta Bockholdt
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Sorgen für Sicherheit in Vorpommern - das Team der Greifswalder Rechtsmedizin in der Kuhstraße. Die ...
Fotos: UKG/Janke
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