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07/03/2001 11:06

Erstes Epilepsie-Zentrum Hessens stellt sich vor

Klaus Walter Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

    Klinikum der Philipps-Universität Marburg kann auf gute Erfolge in Diagnostik und Therapie verweisen

    Am 14. Mai dieses Jahres hat das hessische Sozialministerium das Interdisziplinäre Epilepsie-Zentrum an der Marburger Universitätsklinik offiziell als hessischen Standort für prächirurgische Epilepsie-Diagnostik und medikamentöse sowie chirurgische Epilepsie-Therapie ausgewiesen. Damit wurde eine Lücke in der Versorgung von Patienten mit Anfallsleiden geschlossen.

    Das neue Zentrum will sich in einer öffentlichen Vortragsveranstaltung am 12. Juli 2001 in der Aula der Alten Universität (Lahntor 3) vorstellen. Während der Veranstaltung (14 bis 18 Uhr), an der auch Sozialministerin Marlies Mosiek-Urbahn teilnimmt, werden der Neurologe Professor Felix Rosenow zum Thema "Prächirurgische Epilepsie-Diagnostik - Bedarf und Durchführung" und der Neurochirurg Dr. Ralf Becker über "Chirurgische Epilepsie-Therapie - Techniken und Erfolgsaussichten" sprechen. Den Festvortrag über "Die Bedeutung der Epileptologie in der Hirnforschung" hält Professor Bernhard Steinhoff vom Epilepsie-Zentrum Kehl-Kork.

    Zur Epilepsie und ihrer Behandlung
    Als häufigste chronische neurologische Erkrankung betrifft die Epilepsie etwa 0,6 % der Bevölkerung. Alle Altersgruppen, insbesondere auch junge Menschen, können betroffen sein. Ein Unfall mit einem Schädel-Hirn-Trauma, eine Blutung oder eine Entzündung können die Ursache für eine Epilepsie sein. Für Hessen ist von etwa 36 000 bis 40 000 Betroffenen auszugehen, die wiederholt unter Krampfanfällen leiden. Eine aktive Epilepsie schränkt die Lebensqualität deutlich ein. So besteht z. B. bei Personen mit Epilepsie eine stark eingeschränkte Fahrereignung. Mitunter ist sogar der Arbeitsplatz in Gefahr.

    Neue Entwicklungen der letzten 10 bis 15 Jahre haben die Diagnostik und die Therapie in der Epileptologie revolutioniert. Zum einen ist es durch Einführung kernspintomographischer und anderer bildgebender Verfahren und des Video-EEG-Monitorings zu dramatischen Verbesserungen in der Diagnostik des jeweiligen Epilepsie-Syndroms gekommen. Auch die genetische Einordnung von Epilepsien ist heute bei über 15 verschiedenen Formen der Epilepsie möglich. Auf der anderen Seite hat auch das Angebot an therapeutischen Möglichkeiten stark zugenommen. Eine Vielzahl neuartiger Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen und Anwendungsspektren ist nunmehr zur medikamentösen Therapie verfügbar. Darüber hinaus gehört die chirurgische Therapie bestimmter Epilepsien heute in vielen Regionen der Erde zum therapeutischen Standardrepertoire. Dabei wird das Hirngewebe, das die Anfälle auslöst, nach einer umfangreichen Diagnostik während einer spezialisierten Operation entfernt. Dadurch kann lebenslange Anfallsfreiheit erreicht werden, auch wenn die Krampfanfälle schon seit Jahren oder Jahrzehnten bestehen.

    Wegen der mehr als 40 verschiedenen Formen der Epilepsien und der Vielzahl der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten ist eine frühzeitige adäquate Diagnose und die Erstellung eines angemessenen Therapieplans heute oftmals nur durch ein spezialisiertes, interdisziplinär arbeitendes Team von Experten möglich. Dies gilt nicht nur, aber besonders für solche Patienten, denen vom Hausarzt oder niedergelassenen Neurologen nicht geholfen werden kann.

    Während in Bayern bereits vier, in Baden-Württemberg drei und in Nordrhein-Westfalen zwei Epilepsie-Zentren existieren, gab es in Hessen eine derartige von den Krankenkassen anerkannte Spezialeinrichtung bislang nicht. Im Vergleich zu den genannten und weiteren Bundesländern war Hessen damit im Bereich der Epilepsie-Behandlung unterversorgt.

    Schon 1997 wurde in Marburg damit begonnen, für Epilepsie-Patienten im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit eine umfassende Versorgung mit allen modernen diagnostischen und therapeutischen Mitteln zu schaffen. Das interdisziplinäre Epilepsie-Zentrum am Klinikum der Philipps-Universität Marburg, das in den letzten vier Jahren aufgebaut wurde, will die im epileptologischen Gebiet vorhandenen personellen und apparativen Ressourcen bündeln und durch einen aktiven Austausch von Erfahrungen und die gemeinsame Nutzung diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten - erstmals in Hessen - die gesamte Palette der Epilepsie-Diagnostik und -Therapie bereitstellen. Dabei sollen individuell für den jeweiligen Patienten angemessene Therapiekonzepte entwickelt werden. Hierzu gehören neben der medizinische Kerntherapie auch die Schulung und Krankheitsaufklärung von Patienten und persönlichem Umfeld und, wenn notwendig, die Erstellung von Reintegrations- und Rehabilitationskonzepten.

    Das Epilepsie-Zentrum Marburg (EZM) verfügt allein über drei Epilepsie-Ambulanzen, welche zusammen über 1000 Patientenkontakte pro Jahr haben. Am EZM sind die Universitätskliniken für Neurologie, Neurochirurgie, Kinderheilkunde sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Abteilung Neuroradiologie und die Klinik für Klinische Nuklearmedizin beteiligt. In die Kooperation eingebunden sind außerdem das Reha-Zentrum Wicker-Klinik in Bad Wildungen und die Hephata-Klinik in Schwalmstadt-Treysa.

    In der Neurologischen Klinik der Philipps-Universität wurde bereits 1998 eine Video-EEG-Monitoring-Einheit neuesten Standards, finanziert aus privaten Stiftungsmitteln, installiert. Die an zwei Betten gekoppelte Anlage ermöglicht es, 70 bis 90 Patienten pro Jahr mehrere Tage kontinuierlich zu überwachen. Dies dient dazu, episodisch auftretende epileptische Anfälle diagnostisch eindeutig zuzuordnen. Das Video-EEG-Monitoring hat sich vor allem in der prächirurgischen Diagnostik bewährt, weil mit seiner Hilfe gezeigt werden kann, von welchem Hirnareal eine Epilepsie ausgeht.

    Ein konkretes Fallbeispiel aus dem Klinikalltag mag die Notwendigkeit einer qualifizierten Behandlung durch dafür speziell geschulte Experten belegen: Eine 19-jährige Abiturientin wurde im Marburger Epilepsie-Zentrum vorgestellt, um die Möglichkeit einer chirurgischen Therapie auszuloten. Sie litt seit dem 14. Lebensjahr an einer fokalen, also herdförmigen Epilepsie. Auch unter verschiedenen Medikamentenkombinationen kam es zu drei bis sechs Anfällen pro Monat, weshalb sie noch während der Probezeit ihren Ausbildungsplatz verlor. Nach zweiwöchigem Video-EEG-Monitoring war für die untersuchenden Ärzte klar, dass alle Anfälle von einem im rechten Schläfenlappen gelegenen Missbildungstumor ausgehen. Seit der erfolgreicher Entfernung des Tumorgewebes unter gleichzeitiger Überwachung der Hirnströme von der Hirnoberfläche ist die Patientin wieder anfallsfrei. Inzwischen konnte sie ihre Ausbildung wieder aufnehmen und den Führerschein machen. Die Neurologen erwarten, dass sich der Heilungsprozess als stabil erweist und die junge Frau künftig ein normales Leben führen kann.

    Dem guten Erfolg des Zentrums hat nunmehr auch das Sozialministerium durch die offizielle Ausweisung Rechnung getragen. Sozialministerin Marlies Mosiek-Urbahn erklärte, die Landesregierung habe sich für den Standort Marburg entschieden, da an der hiesigen Universitätsklinik bereits alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen wurden, um Epilepsie-Patienten aller Altersstufen umfassend zu untersuchen und zu behandeln.

    Insgesamt ist es in den letzten zehn Jahren zu einer dramatischen Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten für Epilepsie-Patienten gekommen, welche mit einer zunehmenden Komplexität der Epilepsietherapie einherging. Diesen Entwicklungen trägt das Interdisziplinäre Epilepsie-Zentrum am Klinikum der Philipps-Universität Marburg (EZM) Rechnung. Es kann Epilepsie-Patienten aufgrund der fächerübergreifenden Zusammenarbeit von spezialisiertem Personal das gesamte Spektrum der modernen Diagnostik und Therapie von Epilepsien anbieten.

    Zum Ausbau des EZM sind weitere absetzbare Spenden herzlich willkommen. Dazu besteht ein Spendenkonto:
    Förderverein Neurologie für Forschung, Ausbildung und Therapie e. V.
    Sparda-Bank Marburg
    BLZ: 520 905 00
    Kto: 600 213
    "Verwendungszweck: Epilepsie"

    Kontakt:
    Prof. Dr. Felix Rosenow, Dr. Susanne Knake: Tel.: 06421 / 2865200.


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
    German


     

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