idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
08/13/2001 14:00

Das Ende der Automatisierungseuphorie

Gerhard Samulat Pressestelle
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)

    35 Prozent der hoch automatisierten Betriebe geben »Overengineering« in der Produktion offen zu / Montage besonders betroffen / Fraunhofer-Erhebung in der deutschen Investitionsgüterindustrie

    Boomende Umsätze der Anbieter von Automatisierungstechnik verdecken, dass in der deutschen Investitionsgüterindustrie der Automatisierungsglaube zunehmend einer nüchternen Einschätzung weicht. Das zeigt die jüngste Auswertung einer Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, die zusammen mit dem Institut für Fabrikanlagen der Universität Hannover vorgenommen wurde. Danach haben bereits mehr als ein Drittel der zirka 1000 untersuchten Betriebe mit hoch automatisieren Anlagen das Niveau der Automatisierung in ihrer Produktion gesenkt oder planen dies. Wichtigster Grund: Die zu geringe Flexibilität dieser Anlagen.

    Lange Zeit galt die Halle 54 von Volkswagen in Wolfsburg als Einzelfall einer über das verträgliche Maß hinaus getriebenen, automatisierten Fabrik. Doch machten Umbau- und Stillstandsverluste sowie ein hoher technischer Wartungsaufwand die erwarteten wirtschaftlichen Erfolge schnell zunichte. Heute weichen vielerorts hoch automatisierte Produktionseinrichtungen Systemen mit deutlich geringerem Automatisierungsgrad. Berücksichtigt man, dass es Entscheidungsträgern schwer fallen dürfte, Fehlentscheidungen offen zuzugeben, ist der Umfang des in der Industrie vorhandenen »Overengineering« bemerkenswert.

    Das Ausmaß übertriebener Automatisierung variiert dabei erheblich: 38 Prozent der Firmen bezeichneten ihre hoch automatisierten Materialfluss-Systeme in der Montage als Fehlinvestition. Bei den hoch automatisierten Bearbeitungsmaschinen liegt der Wert immerhin noch bei 23 Prozent. Dabei schossen große wie kleine Betriebe gleichermaßen über das Ziel hinaus.

    Zwei Drittel der Firmen, die unzufrieden sind, gaben an, dass die kleiner werdenden Seriengrößen mit den Anlagen nicht mehr wirtschaftlich zu bewältigen seien. Eine unzureichende Flexibilität der Kapazitäten folgt als Grund auf Rang zwei. Besondere Schwierigkeiten haben Betriebe mit einer innovativen Produktpalette. Hier gibt es erhebliche Probleme bei Montagestationen und beim Materialfluss in der Fertigung. Kurze Innovationszyklen bilden offensichtlich die Grenze der wirtschaftlichen Automatisierung.

    Die Qualität der hergestellten Produkte leidet bei Reduzierung der Automatisierung unterdes nicht. Ganz im Gegenteil: Für Firmen, die ihren Automatisierungsgrad reduziert haben, konnten die Wissenschaftler mit einer Ausschussquote von 4,1 Prozent sogar bessere Werte ermitteln als für Firmen, die weiterhin ihre hoch automatisierten Anlagen betrieben. Diese weisen einen Wert von 5,1 Prozent auf.

    Für Betriebe mit hoch automatisierten Anlagen ermittelten die Wissenschaftler ferner keine signifikant höhere Wertschöpfung pro Mitarbeiter. Die Werte liegen jeweils um die 130 000 DM. Das gilt auch für Betriebe ohne Automatisierungslösungen. Die Zahlen machen deutlich, dass Probleme bei der Hochautomatisierung die gewünschten Produktivitätsgewinne oftmals wieder aufzehren.

    Das Fazit der Wissenschaftler lautet daher: Kleinere Seriengrößen und starke Veränderungen der Umsätze machen die Grenzen der klassischen Automatisierung deutlich. Die Lösung des Dilemmas scheint weniger eine Frage der Automatisierung, sondern eher eine Frage der Organisation und Logistik zu sein.

    Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI erweitert das naturwissenschaftlich-technisch orientierte Fachspektrum der Fraunhofer-Gesellschaft um wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aspekte. Dazu analysiert es technische Entwicklungen sowie deren Marktpotenziale und Auswirkungen auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die interdisziplinär zusammengesetzten Teams des Instituts konzentrieren sich insbesondere auf die Bereiche Energie, Umwelt, Produktion, Kommunikation und Biotechnologie sowie auf die Regionalforschung und Innovationspolitik.


    More information:

    http://www.isi.fhg.de/pr/2001de/pri142001.htm


    Images

    Die meisten Firmen reduzieren ihr Automatisierungsniveau wegen schrumpfender Seriengrößen. Aber auch die Flexibilität lässt zu wünschen übrig.
    Die meisten Firmen reduzieren ihr Automatisierungsniveau wegen schrumpfender Seriengrößen. Aber auch ...

    None

    Die Unzufriedenheit mit hoch automatisierten Materialfluss-Systemen ist am höchsten. Mehr als ein Drittel der Betreiber gibt hier an, mit der Automatisierung übertrieben zu haben.
    Die Unzufriedenheit mit hoch automatisierten Materialfluss-Systemen ist am höchsten. Mehr als ein Dr ...

    None


    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Electrical engineering, Energy, Mechanical engineering, Social studies
    transregional, national
    Research results, Science policy
    German


     

    Die meisten Firmen reduzieren ihr Automatisierungsniveau wegen schrumpfender Seriengrößen. Aber auch die Flexibilität lässt zu wünschen übrig.


    For download

    x

    Die Unzufriedenheit mit hoch automatisierten Materialfluss-Systemen ist am höchsten. Mehr als ein Drittel der Betreiber gibt hier an, mit der Automatisierung übertrieben zu haben.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).