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09/04/2001 16:12

Eingesperrt, aber ungebändigt

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Eröffnung des Museums "Prinzhorn-Sammlung" an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg - VolkswagenStiftung förderte seinerzeit mit rund 520.000 Mark Erhalt und Erschließung der Werke psychisch Kranker

    Die Prinzhorn-Sammlung der Universität in Heidelberg ist eine der weltweit bedeutendsten und eindrucksvollsten Kollektionen von Kunst psychisch kranker Menschen. Der Psychiater, Kunsthistoriker und praktizierende Künstler Hans Prinzhorn hatte vor allem zwischen 1919 und 1921 rund 6 000 Zeichnungen, Aquarelle, Collagen, Ölbilder, Plastiken und Textilobjekte sowie bis dato unbekannte Texte psychisch Kranker zusammengetragen: allesamt Werke, die zwischen 1890 und 1920 entstanden waren - einer Zeit ohne Psychopharmaka und moderne Therapien. Nach ihrer Entstehung erlebte die Sammlung weniger Aufs als vielmehr Abs, verfiel Mitte des vergangenen Jahrhunderts verstreut in Schubladen und Kartons, geriet zeitweilig gar in Vergessenheit. Ab Ende der siebziger Jahre sicherte dann die VolkswagenStiftung ihren Erhalt, indem sie für Dokumentation, Restaurierung und Katalogisierung der Objekte 520.000 Mark zur Verfügung stellte. Nun endlich erhält die PrinzhornSammlung - achtzig Jahre nach ihrem Entstehen - in Heidelberg ein eigenes Museum. Es wird am 13. September 2001 mit einem begleitenden Kongress eröffnet.

    An den Bildern der Prinzhorn-Sammlung fasziniert bis heute, dass es in der Tat kaum eine moderne Kunstrichtung gibt, die die Patienten nicht aufgegriffen oder gar vorweg genommen zu haben scheinen. Künstler wie Alfred Kubin, Paul Klee, Max Ernst oder Pablo Picasso ließen sich nach eigenem Bekunden von den Werken faszinieren und inspirieren. Gemeinsam mit weiteren Entdeckungen von Anstalts- und Außenseiterkunst - von Dubuffet in den fünfziger Jahren zur Art Brut, zur Kunst im Urzustand, erklärt - geben sie bis heute wichtige ästhetische Anstöße. Diese Sammlung Kunst kranker Menschen - die meisten der langjährig Internierten galten als schizophren - ist dabei nicht nur einmalig und wichtig als Impulsgeberin für die künstlerische Avantgarde der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, sondern natürlich auch als Spurensicherung psychopathologischen Ausdrucks.

    Nur wenige Patienten besaßen eine professionelle künstlerische Ausbildung. Oft waren sie aber über Schule, Ausbildung oder spätere Tätigkeit in Kunstgewerbe und Architektur, in handwerklichen und technischen Berufen mit gestalterischer Praxis in Berührung gekommen. Auf knapp 500 Patientinnen und Patienten etwa - rund zwanzig Prozent von ihnen waren Frauen - lassen sich die Arbeiten der Prinzhorn-Sammlung zurückführen: darunter zwar viele aus Deutschland, aber auch aus Ländern wie der Schweiz, aus Italien, Österreich, Frankreich, Polen oder Japan.

    Und so international ihr Ursprung war, so international ist inzwischen auch der Erfolg der Sammlung. Nach der durch die Mittel der VolkswagenStiftung möglichen Initialzündung zum Erhalt und zur Erschließung der Sammlung gab es erfolgreiche Ausstellungen in Lausanne und Barcelona, neben Rom in einer Vielzahl italienischer Städte, in der Howard Gallery in London, dem Drawing Center in New York, dem County Museum of Art in Los Angeles oder in der Baseler Kunsthalle. Wo immer sie bislang gezeigt wurde, zog sie enorme Aufmerksamkeit auf sich.

    Mit ihrer Etablierung in Deutschland und bleibenden Verankerung in dem Heidelberger Museum ist die Prinzhorn-Sammlung zugleich in die Universität Heidelberg eingebunden. "Das ist eine gute Voraussetzung für begleitende wissenschaftliche Arbeit - und damit ganz im Sinne der Förderung durch die VolkswagenStiftung", sagt deren Generalsekretär Dr. Wilhelm Krull. Denn viele Forschungsfragen werden sich künftig bei der Auseinandersetzung mit der Sammlung erst noch stellen: Seh-Konventionen können sich zum einen verschieben, andererseits sind die Wissenschaftler gefordert, sich immer wieder auch neue Perspektiven in der Betrachtung zu erschließen.

    Nicht zuletzt aber ist mit dem Museum Prinzhorn-Sammlung ein Ort entstanden, an dem verschütteten Phantasien, inneren Bildern, Gefühlen und Ge-danken nachgespürt werden kann - zugleich ein Forum der Kommunikation, bei dem sich Natur- und Geisteswissenschaftler, Künstler, Therapeuten,
    Patienten und interessierte Besucher begegnen können.

    Zur Museumseröffnung veranstaltet die Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg vom 13. bis 16. September 2001 einen Kongress. Dort setzen sich die Teilnehmer auseinander mit der "Historie und Wirkung der Sammlung" und "Wahrnehmungs- und Deutungsversuchen", den
    "Beziehungen zwischen Psychopathologie und Kunst" und mit "Heil-Kunst als Therapie mit künstlerischen Mitteln". Der Festakt zur Eröffnung beginnt am 13. September um 16 Uhr im Spiegelzelt beim neuen Museum (Voßstraße 2 in 69115 Heidelberg), einem alten Hörsaalgebäude. Nähere Auskünfte zum Kongress (Anmeldung erforderlich) unter (06221) 562746.

    Informationen zur Prinzhorn-Sammlung sind erhältlich unter Telefon (06221) 564492, Fax (06221) 561723, E-Mail: prinzhorn@uni-hd.de

    Kontakt Kongress: Dr. Inge Jádi, Telefon: 06221/564737

    Museum Sammlung Prinzhorn, Adresse: Voßstraße 2, 69115 Heidelberg

    Kontakt Förderung durch die VolkswagenStiftung: Dr. Vera Szöllösi-Brenig, Telefon: 0511/8381-218, e-mail: szoelloesi@volkswagenstiftung.de

    Kontakt VolkswagenStiftung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Christian Jung, Telefon: 0511/8381-380, e-mail: jung@volkswagenstiftung.de


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    Criteria of this press release:
    Art / design, History / archaeology, Medicine, Music / theatre, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
    German


     

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