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09/13/2001 00:00

Science-Studie zeigt aktive Bruchzone als Herd des Erdbebens in Basel von 1356

Beatrice Huber Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich

    BASEL, SCHWEIZ - Laut Berichten im Magazin Science "zittert" unter den Vorstädten und Wäldern unmittelbar südlich dieses kulturellen Mekkas, noch 645 Jahre nachdem sie das schwerste Erdbeben in der Geschichte Mitteleuropas verursachte, eine aktive Bruchzone.

    Die von Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Basel in der Schweiz sowie der Universität Strassburg in Frankreich durchgeführte Studie zeigt endlich genau den Herd des verheerende Basler Erdbebens im Jahre 1356 auf und prognostiziert einen Zeitrahmen, in dem das nächste grössere Erdbeben im Raum Basel auftreten könnte.

    Eine aktive Bruchzone, die auf Bodenebene durch einen Höhenzug oder Steilhang, eine sogenannte Bruchstufe, gekennzeichnet ist, verursachte in den vergangenen 8500 Jahre drei aufeinanderfolgende Brüche und verschob die Erdoberfläche um 1,8 m nach oben, stellten die Wissenschaftler fest.

    Die Tatsache, dass die Region sowohl Chemiekonzerne als auch Kernindustrie beheimatet, bedeutet, dass jegliche Art seismischer Aktivität die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Mitautor Domenico Giardini von der ETH Zürich fügt hinzu, dass nach Schätzungen von Versicherungen und öffentlichen Ämtern ein Erdbeben in der Grössenordnung der Katastrophe von 1356 Schäden von schätzungsweise USD 30 bis 50 Milliarden (CHF 50 bis 80 Milliarden) verursachen würde.

    Die Science-Studie beschreibe konsistente Zyklen seismischer Aktivität, die auf ein Vorkommen eines Erdbebens vom Typ des 1356 im Raum Basel aufgetretenen in ca. 1500 bis 2500 Jahren hinweisen, erklärt Hauptautor Mustapha Meghraoui von der Universität Strassburg.

    Die Wissenschaftler betonen zwar, sie könnten das nächste grössere Erdbeben nicht mit Gewissheit vorhersagen, doch gebe das von ihnen identifizierte seismische Muster der Region genügend Zeit zum Schutz der Infrastruktur und Feinabstimmung der Notfallverfahren. "Die Zeit, Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen, ist jetzt", meinte Giardini.

    Basel - bekannt als künstlerische und intellektuelle Renaissance-Stadt im Dreiländereck Schweiz, Frankreich und Deutschland - erlitt während des Erdbebens von1356 katastrophale Verluste. Nach historischen Berichten trat ein erstes Beben am Abend um die Essenszeit, um ca. 19.00 Uhr am 18. Oktober 1356 auf, was sich als Vorläufer eines zweiten, stärkeren Bebens um die Bettzeit, wahrscheinlich gegen 22.00 Uhr, erwies. Im am schwersten betroffenen Gebiet wurden 30 bis 40 mittelalterliche Burgen zerstört. Im Radius von 200 km um Basel stürzten viele weitere Kirchen und Türme ein, als das Erdbeben eine Mercalli-Stärke von IX bis X erreichte - vergleichbar mit der Katastrophe von Izmit, in der westlichen Türkei, vor zwei Jahren.

    Die Bruchstufe beginnt nahe des Schweizer Juras südlich von Basel und verläuft über mindestens 8 km. Nordöstlich zieht sie sich durch einen Senkungsgraben südlich des Rheins (den Rheingraben) und quer durch das flache Gelände des Birs-Tals, bis zur südlichen Stadtgrenze. Die Wissenschaftler meinen, es sei durchaus möglich, dass sich die Verwerfungslinie noch weiter nördlich durch die Stadt hindurch und weiter südlich bis in den Jura ziehe. Die Bruchzone Basel-Reinach gehört zu einer grösseren "seismogenen Schicht".

    Es stellte sich jedoch als schwierig heraus, den genauen Herd des Basler Erdbebens von 1356 zu ermitteln: Die Bruchzone ist teilweise von dichten Alpenwäldern verdeckt, und seismische Aktivität ist in der Region so selten, dass es für Forscher schwierig ist, den genauen Verlauf der Verwerfung zu bestimmen.

    Um die Bruchzone Basel-Reinach vollständiger zu charakterisieren, untersuchten Wissenschaftler zuerst die auf der Bodenebene verursachten Deformationen - einschliesslich alter Mäander der nahen Birs und stufenartiger Felsnasen.

    Wasserablaufmuster entlang der Bruchstufe lieferten frühe Hinweise auf den Verwerfungstyp im Rheingraben: Zuflüsse der Birs stellen sich als kurze, tiefe Einschnitte an der Ostseite der Bruchstufe dar, während lange, mäandernde Gewässer auf der weniger steilen Westseite ablaufen. Diese Abflussmuster weisen auf einen "aktiven, normalen Bruch" hin, an dem die zwei aufeinandertreffenden tektonischen Domänen (d.h. der Rheingraben und das verwandte känozoische Bruchsystem) eine kliffartige Struktur bilden, wobei ein westlicher Höhenzug 100 m auf ein Schelf bzw. einen "liegenden Block" im Osten abfällt.

    Mit bodendurchdringendem Radar, Reflexionsseismik und Messungen des elektrischen Wiederstandes bestimmten die Forscher zwei Hauptstellen für Gräben, die sie anfangs September 1999 erstellten. Am ersten Ort, unmittelbar nördlich des Juras, gruben sie drei Sondierungsgräben. Aufgrund der durch die Bewaldung vorgegebenen Grenzen waren diese jeweils auf Längen von maximal 10 m beschränkt. Am zweiten Ort, etwas nördlicher im Rheingraben gelegen, wurden vier parallele Gräben erstellt, die sich über 75 m der Bruchstufe hinzogen.

    Von der Basis der Bruchstufensteilseite aus untersuchten die Wissenschaftler drei dicke keilförmige Gesteinsproben aus gemischten Kiesarten und schlammigem Ton. Jede dieser Gesteinsproben wurde abgelagert, als nach einem geologischen Ereignis der mittleren bis hohen Grössenordnung Trümmer über die Bruchzone gespült wurden. Die biochemische Analyse auf der Basis des sehr langsam zerfallenden radioaktiven Carbon-14 in organischen Stoffen, die in die jeweiligen Gesteinsproben einflossen, lieferten Daten für den Zeitrahmen dreier seismischer Ereignisse aus dem späten Quartär: das Erdbeben von Basel und zwei frühere Episoden.

    Auf der Basis des Carbon-14-Alters der Gesteinsprobenkeile bestimmten die Forscher, dass das jüngste dieser Erdbeben zwischen 1475 und 610 n. Chr. stattgefunden hatte, was dem Zeitrahmen für das Basler Beben von 1356 entspricht. Zwei andere Ereignisse traten zwischen 890 n. Chr. und 850 v. Chr. Auf und vor dem Altersbereich der ältesten Gesteinsprobe, deren Alter auf zwischen 850 und 6480 v. Chr. zurückgeführt wurde.

    "Diese aufeinanderfolgenden Brüche der normalen Verwerfung weisen auf das Potenzial starker Bodenverschiebungen in der Region Basel hin" schliesst der Science-Artikel, "und sollten bei der Verfeinerung der seismischen Risikoabschätzungen entlang des Rheingrabens in Betracht gezogen werden."

    Neben Meghraoui, Giardini und Huggenberger waren Bertrand Delouis und Matthieu Frey der ETH Zürich, Ina Spottke von der Universität Basel und Michael Granet von der Universtität Strassburg als weitere Autoren des Science-Artikels beteiligt.

    Diese Forschung wurde unterstützt von INSU-PNRN (Institut National des Science de l' Univers-Programme National sur les Risques Naturels), BRGM (Bureau de Recherches Geologiques et Minières), dem SAFE-Projekt der Europäischen Kommission und dem Schweizer PALEOSEIS-Programm, das vom Schweizerischen Nationalfonds gesponsert wird, sowie von der Schweizer Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen.

    Ein Exemplar dieses Forschungsartikels kann von Journalisten unter der Telefonnummer +1(202) 326-6440 oder per E-Mail an scipak@aaas.org angefordert werden.


    More information:

    http://cc.ethz.ch/medieninfo


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    Criteria of this press release:
    Construction / architecture, Geosciences, History / archaeology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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