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10/14/2010 11:54

Das Zentrum für islamische Studien der Universität Tübingen wird auch vom Bund gefördert

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Einrichtung zum Wintersemester 2011/12 geplant

    Wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan soeben bekanntgab, wird auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung das geplante Zentrum für islamische Studien/islamische Theologie an der Universität Tübingen finanziell unterstützen. Die Förderzusage erfolgte auf der Basis des Votums einer hochrangig besetzten Gutachtergruppe. Der Bund will für die nächsten fünf Jahre mit bis zu vier Millionen Euro in Tübingen Forschungsprofessuren, Mitarbeiterstellen und Nachwuchsgruppen finanzieren. Die Förderung des Tübinger Zentrums durch die Landesregierung von Baden-Württemberg stand bereits seit dem 6. Oktober fest.

    Universitätsrektor Professor Dr. Bernd Engler gab seiner Freude Ausdruck, dass mit der Finanzierungszusage des Bundes die Einrichtung des Tübinger Zentrums nun endgültig gesichert sei: „Ich bin sehr froh, dass unser Konzept auch auf Bundesebene diese große Zustimmung gefunden hat und wir eines von zwei deutschen Zentren erhalten werden. Damit werden neben unserem wissenschaftliche Profil auch unsere offenen, konstruktiven und vertrauensvollen Gespräche mit den muslimischen Verbänden gewürdigt. Wir werden nun alles Notwendige tun, um zum Wintersemester 2011/2012 einen Studiengang für islamische Studien/islamische Theologie beginnen zu können und damit auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung im Hinblick auf die breite und fundierte wissenschaftliche Ausbildung von Islamgelehrten, Religionspädagogen und Imamen gerecht zu werden.“

    Zum Konzept des Zentrums

    Leitprinzip für die Einrichtung eines Zentrums für islamische Studien/islamische Theologie an der Universität Tübingen muss eine mög¬lichst umfassende und zugleich durchgängige Beteiligung der isla¬mischen Verbände und Interessenvertreter sein. Das Zentrum soll ein akademischer Lehr- und Forschungsbereich werden, der den Studieninteressenten ein breit gefächertes und voll ausdifferen¬zier¬tes Studium der islamischen Theologie ermöglicht und darüber hinaus die Forschung in isla¬mischer Theologie auf ein international anerkanntes hohes Niveau stellt. Es wird daher einer breiten, nicht schon von Anfang an auf ein einziges künftiges Berufsfeld ausgerichteten Ausbildung in islamischer Theologie der Vorzug gegeben, so dass sich den Studieninteressenten umfassende Wahlmöglichkeiten im gesamten Studienverlauf bieten.

    Um das Fach islamische Studien / islamische Theologie im Rahmen der Universität sachgerecht und angemessen vertreten und dabei ein Mindestmaß an innerislamischem Pluralismus abbilden zu können, ist die Einrichtung von zunächst sechs Lehrstühlen als Minimalausstattung erforderlich, für deren Besetzung – in Analogie zu den christlich-theologischen Fakultäten – uneingeschränkt das Prinzip der Konfessionsbindung zu gelten hat. Die Ausbildung erfolgt dementsprechend ausschließlich durch muslimisches akademisches Personal. Die Minimalausstattung könnte aus folgenden Professuren bestehen:

    - Qirā’a / Kira‘et – Koran und Koranlesung
    - Tafsīr / Tefsir – Koran-Exegese
    - Hadīth – Hadith-Wissenschaften und Prophetische Tradition
    - Fiqh / Fikh – islamisches Recht (Rechtsquellen und Methodologie der
    Rechtsfindung, Rechtsgeschichte)
    - ‘Aqā’id / Akaid – islamische Glaubenslehre
    - Religionspädagogik sowie Ta’rīkh – islamische Geschichte /
    Geschichte der islamischen Länder

    Der Bereich arabische Sprache und Literatur sowie weitere "Islamsprachen" (Persisch, Türkisch, etc.) und Literaturen in diesen Sprachen kann zumindest teilweise durch Lehrimport aus bestehenden universitären Einrichtungen (Orientalisches Seminar, Arabistik und Islamwissenschaft) sichergestellt werden.

    Hinsichtlich der Besetzung der einzurichtenden Professuren ist realistischerweise da¬von auszugehen, dass sie zu Beginn zumindest zu einem Teil auch mit Gastprofessoren (auch aus dem Ausland) zu besetzen sein werden. Zu den vordringlichen Aufgaben der Professuren wird gehören:

    - Forschungsschwerpunkte auf den Gebieten islamischer Theologie an
    der Universität sowohl für kurzfristige als auch für längerfristige
    Projekte zu formulieren, wobei ein Forschungsschwerpunkt in jedem
    Fall auch im Bereich des interreligiösen / interkulturellen Dialogs
    liegen sollte;

    - ein Graduiertenkolleg einzurichten, das der Weiterqualifizierung von
    Nachwuchs¬wissenschaftlern (Doktoranden wie auch Postdoktoranden) im
    gesamten Forschungsfeld islamischer Theologie dient und die
    Voraussetzung für einen weiteren mittelfristigen Ausbau der
    islamischen Theologie in Deutschland schafft. Ein solches
    Graduiertenkolleg sollte zumindest in den ersten Jahren seines
    Bestehens die intensive Zusammenarbeit mit den weiteren in
    Einrichtung befindlichen Zentren für islamische Theologie suchen;

    - ein entsprechendes Lehrangebot zur Weiterbildung /
    Weiterqualifizierung bereits tätiger Imame sowie
    Religionslehrerinnen und Religionslehrern auszuarbeiten.

    Damit eine universitäre islamische Theologie Akzeptanz in den muslimischen Gemeinden findet und Absolventinnen und Absolventen der entsprechenden Studiengänge Möglichkeiten einer Anstellung als Religionslehrerinnen und Religionslehrer oder Imame erhalten, ist die Einrichtung eines Beirates vorgesehen, der den Prozess der Akademisierung und Institutionalisierung der islamischen Theologie in allen Schritten begleitet. Dieses Gremium soll die Brücke zwischen Universität und muslimischen Gemeinden bilden, die muslimische Gemeinschaft gegenüber der Universität (und den staatlichen Stellen) vertreten und deren erforderliche Mitwirkung nicht zuletzt bei der Besetzung der Professuren oder der Ausgestaltung des Curriculums leisten.

    Damit dieses Gremium seine Aufgaben erfüllen kann, sollen ihm sowohl Vertreter der muslimischen Religionsgemeinschaften und Verbände als auch anerkannte Vertreter der islamischen Wissenschaften angehören. Die Details der Zusammensetzung eines solchen Beirats sind mit den Vertretern der wichtigsten muslimischen Religionsgemeinschaften und Verbände im Vorfeld abzustimmen. Der Abstimmungsprozess ist bereits weit fortgeschritten.

    Insgesamt wird die Arbeit des Beirates insbesondere - mit Blick auf die anstehende Ausarbeitung eines Curriculums, die Erarbeitung von Studien- und Prüfungsordnungen und die jeweils vorzunehmenden Berufungen - der Vorbereitung und Begleitung durch Studien- und Lehrplan-Kommissionen ebenso wie durch Berufungskommissionen bedürfen. Diesen Kommissionen müssen für die jeweilige Aufgabe ausgewiesene Fachwissenschaftler angehören, die aufgrund ihrer Expertise sicherstellen können, dass bei Vorschlägen zum Curriculum bzw. zur Berufung auf Professuren an den Beirat die wissenschaftlichen Standards eingehalten werden und dem Prinzip der Besten¬auswahl sowie den Notwendigkeiten einer fundierten Ausbildung Rechnung getragen wird.

    An den Standortbedingungen gemessen bot sich die Universität Tübingen als Standort eines Zentrums für islamische Studien / islamische Theologie nachgerade an. Ein besonders wichtiges Kriterium, das für den Standort Tübingen spricht, ist die räumliche Nähe zu Stuttgart, das mit seinen über 70.000 Muslimen und seinen 26 mus¬li¬mi¬schen Gemeinden bzw. Vereinen mit Mitgliedern aus den unterschiedlichsten Zuwanderungsstaaten sowie höchst erfolgreichen Initiativen zur Integrationspolitik ("Bündnis für Integration") als eines der größten Zentren muslimischen Lebens in Deutschland gilt und gleichzeitig seit rund einem Jahrzehnt bundesweit eine Vorreiterrolle in der Integrationspolitik einnimmt.

    Für den Standort Tübingen sprechen freilich auch die besonderen strukturellen Gegebenheiten, die für die Etablierung eines Zentrums für islamische Studien zahlreiche fachliche Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten und damit ein ideales gesamtuniversitäres Umfeld bieten können. Zu nennen sind im Speziellen:

    - eine breit ausgebaute und international angesehene
    Islamwissenschaft und arabische Philologie, die seit Jahrzehnten in
    Forschung und Lehre einen Schwerpunkt auf dem Gebiet der islamischen
    Philosophie und Religionsphilosophie hat;

    - weitere gut ausgebaute, für die Islamwissenschaft und islamische
    Theologie unverzichtbare Philologien (neben Arabisch vor allem
    Türkisch und Persisch);

    - ein breites Angebot an religionswissenschaftlicher Lehre und
    Forschung sowohl im Rahmen der Fakultät für Kulturwissenschaften als
    auch an den beiden theologischen Fakultäten, zu denen Lehrstühle
    sowohl für Religionswissenschaft – im Falle der evangelisch-
    theologischen Fakultät ausdrücklich als "Lehrstuhl für
    Religionswissenschaft mit Schwerpunkt Islam und Judaistik"
    definiert – als auch für interkulturelle Theologie (mit Schwerpunkt
    Dialog der Religionen) gehören;

    - zwei gut ausgebaute, international angesehene, in Forschung und
    Lehre sowohl untereinander als auch mit anderen Fakultäten eng
    kooperierende theologische Fakultäten, die seit mehr als zwei
    Jahrzehnten nicht zuletzt auf dem Gebiet interkulturellen und
    interreligiösen Dialogs und interkultureller Theologie über
    entsprechende Kompetenz verfügen und Erfahrung gesammelt haben;

    - internationale Kooperationen der Arabistik und Islamwissenschaft
    mit Universitäten und universitären Einrichtungen in der islamischen
    Welt im allgemeinen als auch die Kooperationsvereinbarungen der
    Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen mit der
    islamisch-theologischen Fakultät Sarajevo und der Katholisch-
    Theologischen Fakultät der Universität Tübingen mit entsprechenden
    islamisch-theologischen Fakultäten der Universität İstanbul und der
    Dokuz Eylül Universität İzmir;

    - die breit ausgebaute Religionspädagogik an beiden theologischen
    Fakultäten und das Evangelische bzw. Katholische Institut für
    Berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR / KIBOR), die in
    Forschung und Lehre ihre Schwerpunkte auf dem Gebiet des
    interkulturellen, interreligiösen Lernens haben und mit den
    Pädagogischen Hochschulen zusammenarbeiten;

    - der Forschungsschwerpunkt "Religion und Politik" im Rahmen der
    Politikwissenschaft und der "Arbeitsbereich Vorderer Orient und
    Vergleichende Politikwissenschaft", sowie der Schwerpunkt
    Zentralasien im Rahmen der Ethnologie sowie die Einrichtung einer
    Professur im Bereich der Soziologie mit
    Schwerpunkt "Bildungsforschung in Migrations- bzw.
    Integrationskontexten";

    - Zuletzt ist auf ein umfassendes Fächerangebot in den
    Lehramtsstudiengängen zu verweisen, das für all jene Studierende
    relevant ist, die islamische Theologie in Kombination mit einem
    weiteren Lehramtsstudienfach zu studieren wünschen.





    Universität Tübingen
    Hochschulkommunikation
    Leiterin Myriam Hönig

    Abteilung Presse, Forschungsberichterstattung, Information
    Michael Seifert
    Telefon +49 7071 29-76789
    Telefax +49 7071 29-5566
    http://Michael.seifert[at]uni-tuebingen.de
    http://www.uni-tuebingen.de/aktuell


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    Criteria of this press release:
    Cultural sciences, History / archaeology, Language / literature, Politics, Religion
    transregional, national
    Science policy, Studies and teaching
    German


     

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