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08/12/1997 00:00

Putz Blitz! Zahnhygiene aus Minnesota in Greifswald

Dr. Edmund von Pechmann Hochschulkommunikation
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Putz Blitz: Vibrato! Vierte Greifswalder Zahnhygienehilfe aus Minnesota

    Drei Tage lang kommt ein Mensch (abgesehen von die Umlebenden störenden Gerüchlein) schadlos ohne Zähneputzen aus. Wenn er gesund ist. Wenn sein Auto-Immunsystem in Ordnung ist, das ständig im Mund lauernde Bakterien im Zaum hält, das verhindert, daß Zahnbeläge zu Karies führen oder zu Parodontose, und das sicherstellt, daß Demineralisierungen des Schmelzes in der Zeit zwischen dem Putzen wieder ausgeglichen werden kann.

    Es gebe eine berühmte Studie eines schwedischen Zahnheilkundlers, Per Axelsson, der sich einst vornahm, einen ganzen Distrikt frei von Karies und Parodontalerkrankungen zu bekommen. Acht Jahre etwa brauchte er, dann war er soweit, und zwar nicht mit Hilfe von unendlich vielen Plomben und Kronen, sondern dank der unendlichen Umsicht von Zahnhygienikerinnen, die die jungen und die gammel Schweden berieten und zu steter vorsorglicher und nachsorglicher Mundhygiene anhielten. Und so läuft das seit achtzig Jahren in den Vereinigten Amerikanischen Staaten: wie wir zum Friseur gehen, geht der Amerikaner zur DH, zur Dental Hygienist. DH ist ein Fachhochschulberuf, dessen Lernzeit drei Jahre dauert. Bis auf das Setzen von Füllungen und Zahnersatz und und das Ziehen von Zähnen lernt der Dentalhygieniker fast alles genau wie der angehende Zahnarzt, dazu allerdings zum Beispiel auch Ernährungslehre.

    Die Berufszeit beginnt nach dem Examen in einem der 212 (!) in den U.S.A. angebotenen Studiengänge; in zwei Bundesstaaten dürfen die Hygienikerinnen danach selbständig werden, in allen anderen sind sie selbständige Mitarbeiter in einer der 48 Universitätszahnkliniken oder den privaten Zahnarztpraxen. Prof. Dr. Kathy Newell ist Leiterin der Schule für Dentalhygiene an der Universität Minneapolis in Minnesota. Prof. Georg Meyer, seit 1993 Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, lernte sie 1988 kennen, als er während eines Studienaufenthaltes in einem ihrer Hygienekurse versuchte, aus Neugier (er ist bekanntlich ja auf Kiefergelenke spezialisiert) Gebisse von Zahnstein zu befreien. "Nach zwei Patienten war ich fix und fertig."

    Wenn Kathy Newell oder ihre leitende Lehrhygienikerin Susan Dittmar, die jetzt auch zum vierten Mal in Greifswald dabei ist, helfend eingreifen, soll der Beruf ohne frühe Schulterschäden oder Knorpelverluste in der Handwurzel oder Halswirbelverkrümmungen bis zur Pensionierung Freude machen können. Alle 20 Kursteilnehmer sitzen im "Kopfsaal" der Zahnklinik in der Rotgerberstraße gelassen aufrecht, während sie an den Phantomköpfen mit Hilfe von Spiegel und Spitzspachtel Plaque und Zahnstein abkratzen. Und sitzen sie verspannt, kommt eine der well understandable ladies und legt sanft die Hände auf die Schultern, um zuerst einmal die Körperachse der Hygienikerinnen wieder in's Lot zu bringen. Wie eine Musikprofessorin bringt Kathy Newell bei, wie das Abkratzen funktionieren soll: den Ringfinger benutzt die Helferin als stützenden Drehpunkt auf einem Zahn, während das säubernde Gerät wie beim langsamen gekonnten Vibrato auf einem Saiteninstrument den Belag vom Zahn schabt. Arm und Handgelenk sind entspannt, die natürlichen Hebel- und Drehkräfte des Arms reichen längst aus, die Zähne von den Ablagerungen zu befreien. Karies blüht vorwiegend bis zum Alter von 25 und abgeschwächt ab etwa 60, dazwischen, wohl wegen unterschiedlicher immunologischer und vielleicht genetischer Faktoren, leiden wir eher an Parodontose. Der eine weniger, der andere mehr. Die Dentalhygienikerin ist die regelmäßige Begleiterin, wenn wir Glück haben. In Deutschland allerdings nicht, denn hier ist der Zahnärztestand noch der Meinung, die vermeintliche Konkurrenz fernhalten zu müssen.

    Gleich nebenan auf Bornholm gibt es hervorragende Prophylaxestudien, betrieben von Zahnärzten und Dentalhygienikern; Prof. Meyer sendet dorthin zu seinen über's Internet (Stichwort "Community Dentistry") auf Greifswald neugierig gewordenen Freunden jetzt Famulanten und Doktoranden. In Schweden und Amerika gibt es DHs; dort weiß man längst, daß nur noch 20 % der Parodontaloperationen nötig sind, wenn regelmäßig professionelle Dentalhygiene angewandt wird. Zu den Folgen parodontaler Destruktion gehören auch ausgefallene Zähne und teure Prothesen. "Das Behandlungsbild des Zahnarztes würde sich wandeln, er aber überhaupt nicht arbeitslos," so Prof. Meyer; sonst gäbe es in den U.S.A. und Schweden nämlich keine Zahnärzte mehr. Der Arzt diagnostiziert und restauriert, die folgende Zahnpflege führt die Dentalhygienikerin in regelmäßigen Abständen durch. Dort gehört es zum Wohlbefinden, sich seiner gesunden Zähne, seines gesunden Zahnfleisches sicher sein zu dürfen. Bei uns wird noch eher geschnitten und in ganzen Gebißquadranten das Zahnfleisch saniert, wovor einer guten Dentalhygienikerin schaudert, weil vielleicht völlig unnötig. Zahnfleischbluten ist Zeichen für eine lokale Entzündung. Ist es gar nicht zu stoppen, ist wahrscheinlich, daß es einen unguten Prozeß im Körper anzeigt. Soeben ist der weltweit erste Kongreß beendet, der sich nur mit den "Wechselwirkungen" von Parodontose beschäftigte bzw. mit den Leiden, die durch Parodontose angezeigt werden: der Zusammenhang Zahnfleischerkrankungen - Herzinfarkt scheint ebenso evident wie der zu Frühgeburten, zu Schlaganfall, zu niedrigem Geburtsgewicht oder Angina Pectoris.

    Der vierte Greifswalder Dentalhygienekurs, von Dr. Jutta Fanghänel, Prof. Thomas Kocher und Prof. Georg Meyer organisiert, ist wohl der einzige derartige, der in Deutschland angeboten wird; weit über ein Jahr im voraus ist er ausgebucht, ebenso der Fortgeschrittenenkurs, der gleich nach dem Ende des zur Zeit stattfindenden Einführungskurses beginnt. Teilnehmer sind fortgeschrittene Zahnmedizinische Fachhelferinnen genauso wie Assistenzärzte von überall aus Deutschland, so von Prof. Noack von der Kölner Universitäts-Zahnklinik, Priv.-Doz. Mausberg aus Göttingen und Kollegen von der Uni Kiel.

    Die Zähne sind für Vieles Zeichen. Kathy Newell, Susan Dittmar, Jutta Fanghänel, Thomas Kocher und Georg Meyer setzen sie in Greifswald.

    Informationen gibt Ihnen gern: Prof. Dr. med. dent. habil. Georg Meyer Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Kinderzahnheilkunde Rotgerberstraße 8 D 17487 Greifswald Telephon: +49-3834-86-7166 Telefax +49-3834-86-7171


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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