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07/18/1996 00:00

"Star Trek" und die Folgen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 18.07.1996 Nr. 135

    Spock war niemals ein ,Langohr" und McCoy nie eine ,Pille"

    30 Jahre ,Mythos Enterprise" als filmwissenschaftliche Analyse

    RUB-Absolvent untersuchte die Klassik-Folgen von ,Star Trek"

    79 Folgen ,Star-Trek", 179 Folgen ,The Next Generation", dazu ,Deep Space Nine", ,Voyager", Spielfilme und jede Menge Merchandising-Artikel. Seit 30 Jahren grassiert weltweit das ,Star Trek"-Fieber. Doch: Woher kommt der Kult und was unterscheidet Star Trek von anderer Science Fiction? Dies sind nur zwei von vielen Fragen, denen Michael Schlegel, M.A., auf der Spur war. In seiner von Prof. Dr. Gunther Salje (Institut fuer Film- und Fernsehwissenschaft, Fakultaet fuer Philologie der RUB) betreuten Studie ,Zu den klassischen Episoden der amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie 'Star Trek'" liefert Schlegel zahlreiche Erkenntnisse vor allem zur deutschen Version ,Raumschiff Enterprise".

    Kult mit Anlaufschwierigkeiten

    ,Der Weltraum - unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner vierhundert Mann starken Besatzung fuenf Jahre unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat." Es folgt die altbekannte Melodie und anschliessend eine der insgesamt 79 Folgen von ,Raumschiff Enterprise" - ,Star Trek" genannt, feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. 1966 kam Gene Roddenberry auf die zuendende Idee, die sich zu einem wahren Phaenomen entwicklen sollte. Allerdings wurde die Serie nach drei unterschiedlich erfolgreichen Jahren in den USA wieder eingestellt. Wahrscheinlich waere sie in Vergessenheit geraten, wenn nicht amerikanische TV-Stationen aus Mangel an Alternativen wieder darauf zurueckgegriffen haetten - so wuchs die Fangemeinde stetig an, bis 1972 auch das ZDF aufmerksam wurde und Teile der Serie kaufte.

    Wenig Fingerspitzengefuehl bei den Mainzelmaennchen

    Bei Kauf, Synchronisation und Ausstrahlungsmodus bewiesen die Mainzelmaennchen, so Michael Schlegel (der im uebrigen alle 79 Folgen ausfuehrlich per Video studierte), kein glueckliches Haendchen. Das Star-Trek-Original besticht durch einen chronologischen Aufbau vor allem der wichtigsten Charaktere (,Triumvirat" Captain Kirk, 1. Offizier Spock, Doktor McCoy), deren Wesen nach und nach von Folge 1 bis Folge 79 verdeutlicht wird. Dem entsprach das ZDF in keinster Weise: Man kaufte willkuerlich zunaechst 26, spaeter nochmals 13 Folgen und sendete sie in bunter Reihenfolge. Erst Folge 19, dann die Nummer 46 usw; auf den Pilotfilm verzichtete man voellig. Dadurch enstandene Luecken versuchte man durch eine humorvolle Synchronisation zu verdecken: flapsige Sprueche oder ,witzige" Spitznamen. So wird aus McCoy ,Pille", obwohl er im Original ,Bones" (Knochen) heisst und Spock wird als ,Spitz-" oder ,Langohr" bezeichnet - im Original geschieht dies niemals.

    Sinnentstellende UEbersetzungen

    Bei seinen Einzelanalysen konnte Schlegel gar vollkommen sinnentstellende Fehler feststellen. Beim Vergleich der Folge ,Amok Time" mit ihrer deutschen Fassung ,Weltraumfieber" entdeckte er den wohl groessten faux pas der UEbersetzer: Der in dieser Folge erkrankte Spock bittet Kirk, zu seinem Heimatplaneten Vulkan zu fliegen, weil er ausschliesslich dort kuriert werden kann. Kirk jedoch hat Order, den Planeten Altair VI anzusteuern. Im Original entspricht Kirk dennoch dem Wunsch Spocks, in der deutschen UEbersetzung dagegen laesst er Kurs auf Altair VI nehmen. Eine Tatsache, die nicht nur die Handlung, sondern auch den Charakter Kirks in ein ganz anderes Licht rueckt. Voellig abenteuerlich wird die Synchronisation im abschliessenden Dialog zwischen Kirk, Spock und McCoy, wenn auf einmal doch von ,der Landung auf Vulkan" die Rede ist. Hintergrund ist der Versuch, das in ,Amok Time" angedeutete Sexualleben Spocks wegzulassen - schliesslich lief die Serie im ZDF im Vorabend- und damit als Kinderprogramm. In den USA hingegen waren die Episoden entsprechend ihrem Inhalt nach 20 bzw. 22 Uhr zu sehen.

    Die Folge, die es eigentlich nicht geben sollte

    Noch vehementer von der Zensur war die den Nationalsozialismus behandelnde Folge ,Patterns of Force" betroffen. Sie wurde zunaechst gar nicht synchronisiert und folglich auch nicht von SAT 1 (der Privatsender erwarb Ende der 80er Jahre die Senderechte und kaufte weitere 39 Folgen) beruecksichtigt. Erst 1995 und damit puenktlich zu Schlegels Arbeit wurde diese Episode uebersetzt (dt. Titel: ,Schablonen der Gewalt"). Der Bochumer Filmwissenschaftler konnte also Pionierarbeit leisten. Er fand u.a. heraus, dass die UEbersetzung ausnahmsweise werkgetreu geschah, dass jedoch ,gerade die UEbernahme des geschmacklosen Vokabulars sowie die Brutalitaet der Darstellung dem eigentlichen Anspruch der Serie zuwider laeuft (...) 'Patterns of Force' ist somit als qualitativ vielleicht schlechteste, auf jeden Fall jedoch sehr gefaehrliche Folge zu klassifizieren, die von thematisch verharmlosenden und teilweise gewaltverherrlichenden Elementen gepraegt wird."

    Stets wiederkehrende Handlungsmuster

    Neben diesen speziellen Ergebnissen liefert Schlegels Arbeit auch einige allgemeine Einblicke zu ,Star Trek". So zeichnen sich alle Folgen durch bestimmte Handlungsmuster aus, die meist Vorbilder in erfolgreichen Fernsehserien haben (und somit die Attraktion der Serie erklaeren), beispielweise Polizeiaktionen à la ,Rauchende Colts", Charakterstudien oder Rueckgriffe auf die Erdgeschichte. Nur selten stehen Science Fiction-Elemente (fremde Lebensformen auf fremden Planeten) im Vordergrund.

    Captain Kirks UEberredungskunst

    Zum Abschluss noch zwei persoenliche Beobachtungen Schlegels: a) der Mann, der erstmals zum Landetrupp gehoert, stirbt bei der naechstbesten Gelegenheit; b) wenn wirklich gar nichts mehr geht, wenn Phaser-, Protonen- und Materie/Antimateriestrahlen versagen, dann sorgt Captain Kirks UEberredungskunst fuer ein happy end.


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Social studies
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