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10/12/2001 00:00

Eine Zelle macht Karriere - Heidelberger Symposium über Podozyten

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Internationales Symposium über chronisches Nierenversagen fand jetzt in Heidelberg statt - Prof. Wilhelm Kriz, Sprecher der Veranstalter: "Das chronische Nierenversagen ist die bei weitem schwerwiegendste Herausforderung an die Forschung in der Nephrologie"

    In diesen Tagen fand in der "Alten Anatomie" in Heidelberg ein hochrangig besetztes internationales Symposium statt, das sich ausschließlich mit einer einzigen Zelle beschäftigte: dem Podozyten (Füßchenzelle) der Niere. Dahinter versteckt sich medizinisch die Frage nach der Ursache eines chronischen Nierenversagens. Veranstaltet wurde das Symposium von der neu eingerichteten Forschergruppe "Mechanismen der Progression des chronischen Nierenversagens", in der Mitglieder der Medizinischen Fakultäten Heidelberg und Mannheim, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Forschungszentrums Karlsruhe zusammenarbeiten.

    Das chronische Nierenversagen stellt ein ungelöstes, aber immer drängenderes Problem in der Medizin dar. Die Menschen werden älter, überleben andere Krankheiten und entwickeln dann ein langsam, aber unaufhaltsam fortschreitendes Versagen der Niere. Es kommt zur Harnvergiftung des Blutes, zur Urämie. Um ein Weiterleben zu ermöglichen, ist schließlich eine regelmäßige Blutwäsche (Dialyse) oder die Transplantation einer gesunden Niere unabdingbar.

    Da Spendernieren knapp sind, bleibt für viele Patienten nur die Langzeitdialyse. Diese erhält zwar das Leben, allerdings mit stark reduzierter Lebensqualität und einer verbleibenden Lebenserwartung, die nicht besser ist als die von vielen Tumorerkrankungen. Darüber hinaus ist die Dialyse eine sehr kostspielige Therapie - und die Kosten werden weiter steigen. In den USA verdoppelt sich die Zahl der chronisch Nierenkranken zur Zeit alle acht Jahre. Eine neueste Kostenschätzung des "National Institute of Health" besagt, dass im Jahre 2010 in den Vereinigten Staaten 28 Milliarden Dollar für die Behandlung dieser Patientengruppe aufgebracht werden muss.

    Kosten in Deutschland 2010: 20 Milliarden Mark

    Rechnet man diese Zahlen um, so sind dies in Deutschland im Jahr 2010 runde 20 Milliarden Mark. Schlimm ist die Situation in den Entwicklungsländern; dort hat ein chronisch Nierenkranker nur eine geringe Chance auf eine Therapie und damit auf ein Überleben. Damit ist, sagt Prof. Wilhelm Kriz, der Sprecher der Forschergruppe, "das chronische Nierenversagen die bei weitem schwerwiegendste Herausforderung an die Forschung in der Nephrologie".

    Die für dieses Krankheitsgeschehen ursächlich verantwortlichen Strukturen in der Niere sind die Nierenkörperchen. Dies sind winzig kleine, kugelige Gebilde - mit dem bloßen Auge gerade noch sichtbar -, in denen das Blut, genauer gesagt das Blutplasma, ständig filtriert und damit die Harnbildung begonnen wird. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Die drei Liter Blutplasma eines Erwachsenen werden pro Tag etwa sechzigmal in den Nierenkörperchen filtriert, dabei entstehen insgesamt 180 Liter eines eiweißfreien Filtrates, des so genannten Primärharns, aus dem anschließend in den Nierenkanälchen der endgültige Harn bereitet wird.

    In den Nierenkörperchen gibt es einen sehr auffälligen Zelltyp, den Podozyten, der die Durchlässigkeit des Filters kontrolliert und bei dessen Versagen es zum Durchtritt von Bluteiweißen durch den Filter und damit zu einer Proteinurie, einer Ausscheidung von Eiweiß im Harn, kommt. Eine anhaltende Proteinurie ist eines der Kardinalsymptome bei der Entwicklung eines chronischen Nierenversagens, und dieser Befund mit einer Reihe anderer stichhaltiger Gründe haben in den letzten Jahren zu der Hypothese geführt, dass es in erster Linie ein Versagen der Podozyten ist, wodurch diese Krankheit entsteht. Diese Hypothese wurde maßgeblich von Heidelberger Forschern mit entwickelt. Das begründet, warum dieses Symposium in Heidelberg stattfand.

    Neue Befunde zusammengetragen

    Die Experten kamen aus aller Welt, aus Japan, Kanada, aus den USA - von gut 20 Anmeldungen hatten nur zwei wegen der Terroristenattacken abgesagt -, aus Australien und aus fast allen europäischen Ländern. Dadurch wurden eine ganze Reihe von neuen Befunden zusammengetragen, die die zentrale Rolle des Podozyten bei der Entwicklung eines chronischen Nierenversagens untermauern. Es wird zunehmend einsichtig, dass diese Zelle ihren Namen "Füßchenzelle" zu Recht trägt: Ganz offenbar bewegt sie sich ständig auf der Oberfläche der filtrierenden Blutkapillaren, um alte gegen neue Filtermembranen auszutauschen.

    Störungen dieser Funktion - durch zu hohe Filtrationsdrücke (Blutdruck), durch Entzündungen, durch Stoffwechselentgleisungen (Zuckerkrankheit) - führen zum Untergang von Podozyten. Da Podozyten zu keiner regenerativen Zellteilung fähig sind, verloren gegangene Zellen also nicht durch Zellteilung ersetzt werden können, bedeutet dies schließlich den unwiederbringlichen Verlust des betroffenen Nierenkörperchens mit seinen zugehörigen Nierenkanälchen. Es ist der ständige Verlust solcher Funktionseinheiten (von denen der Mensch in jeder Niere etwa eine Million besitzt), der zum Verlust der Nierenfunktion und damit zur Harnvergiftung des Blutes führt.

    Prof. Kriz resümiert: "Die Fokussierung auf die bei dieser Krankheit entscheidende Zelle und der damit erreichte intensive wissenschaftliche Austausch unter den Forschern auf diesem Gebiet wird Früchte tragen. Vorrangiges Ziel ist es, das Fortschreiten eines chronischen Nierenversagens so kontrollieren zu können, dass eine Situation, in der nur noch die Langzeitdialyse oder die Transplantation helfen, gar nicht erst entsteht. Der Weg dahin ist klar: Wir müssen lernen, wie man gefährdete Podozyten besser schützen kann, wir müssen Podozyten-protektive Mechanismen aufdecken. Das Symposium hat uns auf dem Weg dorthin ein gutes Stück vorangebracht."

    Unterstützt wurde das Symposium von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von der Gotthard Schettler-Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung, von den pharmazeutischen Firmen Boehringer, Fresenius, Roche Diagnostics, Hoffmann-La Roche, Schering, Merck und ProGen.

    Rückfragen bitte an:
    Prof. Dr. W. Kriz
    Tel. 06221 548681, Fax 544951
    kriz@pio1.uni-heidelberg.de

    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
    German


     

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