Bochum, 10.12.1996 Nr. 232
Weiblicher Unmut beim Fernsehen
,Maedels und Kerle" beim ARD-Politmagazin ZAK
Bochumer Dissertation zur Geschlechtertypisierung
,Frauen sind stumm, aber schoen im Kameralicht", bemerkte eine Fernsehkritikerin juengst zu einer Dokumentation im Kulturkanal Arte. Waere dieses Klischee auch einem maennlichen Kollegen ins Auge gestossen? Wahrscheinlich nicht. Denn die stereotype Darstellung der Geschlechter im Fernsehen wird von Frauen und Maennern unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet. Das zeigt Dr. Gudrun Schaefer in ihrer Bochumer Dissertation ,Maedels und Kerle. Zur Konstruktion und Rezeption von Geschlechtertypisierungen im Politmagazin ZAK". Die Bochumer Publizistik- und Kommunikationswissenschaftlerin hat zwei Beitraege des populaeren, inzwischen eingestellten ARD-Magazins analysiert. Im Schwerpunkt der Arbeit standen Reaktionen von 30 Frauen und Maennern im Alter von 21 bis 53 Jahren auf diese Beitraege. Die Dissertation von Dr. Schaefer wurde von Prof. Dr. Franz R. Stuke (Sektion fuer Publizistik und Kommunikation der RUB) betreut.
Fernsehen hinkt hinterher
Das Fernsehen hinkt der sich wandelnden ,Realitaet" maechtig hinterher. Deshalb steht fuer viele Frauen das, was ihnen im Fernsehen aus meist maennlicher Perspektive als deutscher Alltag gezeigt wird, im Widerspruch zur eigenen Weltsicht und zur Forderung nach Gleichberechtigung. Mediennutzung ist damit haeufig Anlass zu Unmut und Unbehagen, wie die Reaktionen der Zuschauerinnen in Dr. Schaefers Untersuchung belegen.
Beispiel 1: Mike Tyson
Als klassisches Beispiel fuer eine Medienberichterstattung, die die maennliche Sicht als allgemeingueltig betrachtet - in der Fachterminologie als ,androzentristisch" bezeichnet - waehlte die Autorin den Beitrag eines Journalisten zu den Folgen der Verurteilung des farbigen Boxers Mike Tyson. Mit Unmut reagierten die interviewten Frauen groesstenteils auf Inhalt des Beitrages, seine formale Aufbereitung und die vermutete Intention des Autors. Waehrend die Zuschauerinnen die Marginalisierung der Vergewaltigungstat und die fehlende Perspektive des mutmasslichen Opfers beanstandeten, fiel den interviewten Maennern (bis auf wenige Ausnahmen) die Nichtrepraesentanz von Frauen und die androzentristische Sicht des Magazinbeitrages gar nicht auf. Sie liessen sich nur auf die Aspekte Boxsport und Rassismus ein.
Beispiel 2: Sexuelle Belaestigung
Negativ bewerteten viele Frauen auch einen Beitrag ueber sexuelle Belaestigung im Kieler Rathaus, der von einer Journalistin produziert wurde und mit der Intention ausgewaehlt worden war, er koenne ein emanzipiertes Frauenbild vermitteln. Den befragten Frauen widerstrebte aber die optische Wiederholung sexistischer Klischees. Wen wundert es, dass sich an der Darstellung leicht bekleideter Mannequins kein Mann stoerte?
Gut gemachte Beitraege koennen Wirkung zeigen
Die Reaktionen auf den Beitrag liessen aber auch erkennen, dass gut gemachte Berichte, die traditionelle maennliche Weltbilder in Frage stellen, bei Maennern mit entsprechender Vorerfahrung zum Nachdenken anregen und damit eine Einstellungsaenderung einleiten koennen. Schaefers Untersuchung zeigt aber auch, dass die Bestaetigung bereits bestehender Einstellungen die wahrscheinlichste Medienwirkung ist. Informationen, die den subjektiven Vorstellungen von Welt widersprechen, werden ignoriert, bagatellisiert oder umgedeutet. Und gerade die androzentrische Weltsicht ist ein schwer veraenderbares Einstellungsmuster bei Maennern. Dennoch: Politische Berichterstattung kann und sollte dazu beitragen, Diskussionsprozesse auf persoenlicher wie auf sozialer Ebene der Rezipientinnen und Rezipienten anzuregen.
Zuschauer, Macher, Programm
Dr. Gudrun Schaefer leistet mit ihrer Dissertation Pionierarbeit zur Forschung ueber geschlechtsspezifische Rezeption von Non-Fiction-Angeboten. Der Bogen wird von den Macherinnen und Machern ueber das Programm bis zu den Zuschauerinnen und Zuschauern gespannt. Schaefer reflektiert Theorieansaetze zur Konstruktion von ,Wirklichkeit" durch Nachrichtenfaktoren in den Medien und entwickelt die Theorie der kognitiven Dissonanz im Hinblick auf Rezeptionsweisen von Frauen und Maennern weiter. Im empirischen Teil verknuepft sie Aussagenanalysen und Rezeptionsanalysen, wobei auch Fragen zur Produktion, d.h. zum Selbstverstaendnis der Macherinnen und Macher einbezogen werden. Damit wirft sie einen erweiterterten Blick auf massenkommunikative Prozesse, der auch Wirkungen einschliesst.
Titelaufnahme
Gudrun Schaefer, ,Maedels und Kerle". Zur Konstruktion und Rezeption von Geschlechtertypisierungen im Politmagazin ZAK. Bochum, Universitaetsverlag Dr. N. Brockmeyer 1996, DM 49,80 (ISBN 3-8196-0462-6)
Weitere Informationen
Dr. Gudrun Schaefer, Ruhr-Universitaet Bochum, Sektion fuer Publizistik und Kommunikationswissenschaft, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-4545, Fax: 0234/7094-241
Criteria of this press release:
History / archaeology, Law, Politics, Social studies
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German
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