Können Menschenrechte universale Geltung beanspruchen? Werden Forderungen nach Menschenwürde und Gerechtigkeit obsolet, wenn sie auf politische Strukturen, kulturelle Traditionen und religiöse Normen treffen, die der Freiheit und Gleichheit aller Menschen zuwiderlaufen? Für die Autoren des neuen Aufsatzbandes "Justice and Dignity for All. Current Issues of Human Rights in Tanzania" ist die Antwort eindeutig: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der UNO-Vollversammlung angenommen wurde, zielt mit Recht darauf ab, grundlegende Rechte jedes einzelnen Menschen zu schützen – wie immer die kulturellen und religiösen Prägungen von Staaten und Gesellschaften beschaffen sind.
Der Band ist die erste wissenschaftliche Publikation des 2008 in Dar es Salaam eingerichteten Tansanisch-deutschen Fachzentrums für Rechtswissenschaft (Tanzanian-German Centre for Postgraduate Studies in Law, TGCL). Das Zentrum ist ein gemeinsames Projekt der Universität Dar es Salaam und der Universität Bayreuth. Es wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie vom Auswärtigen Amt aus dem Programm "African Excellence. Fachzentren zur Eliteförderung" finanziert.
In Tansania, das zu den Gründungsmitgliedern der Ostafrikanischen Gemeinschaft zählt, wurden in den letzten Jahren sichtbare Fortschritte bei der Wahrung von Menschenrechten erzielt. Trotzdem sind die Menschenrechte in einigen Bereichen bis heute nicht ausreichend geschützt. Gesellschaftliche Minderheiten, wie z.B. Albinos, sehen sich an den Rand gedrängt, verfolgt und benachteiligt; bisweilen werden sie sogar zum Opfer von Gewaltkriminalität oder sogenannten Hexenmorden. Die Beiträge des Bandes untersuchen diese Problematik kritisch in ihren unterschiedlichen Facetten. Dabei analysieren sie die gesellschaftlichen und institutionellen Ursachen für die teilweise noch gravierenden Defizite. Hierzu gehört auch das Problem, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern in manchen Fällen auch staatliche Institutionen an der Verletzung grundlegender Freiheiten und Rechte beteiligt sind.
Die in dem Band entwickelten Anregungen für rechtspolitische Reformen beschränken sich nicht allein auf die Schaffung erneuerter Rechtsgrundlagen in Tansania. Der Vorschlag einer Ostafrikanischen Charta der Menschenrechte beispielsweise erstreckt sich auch auf andere Mitgliedsländer der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Programme auf dem Gebiet der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit können die Lage ebenfalls verbessern helfen. Ein Beispiel hierfür ist das Tansanisch-deutsche Programm zur Unterstützung des Gesundheitssektors. Es wird von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördert und ist 2008 dazu übergegangen, Menschenrechtsfragen systematisch in seine Planungen und Aktivitäten einzubeziehen.
Einen weiteren Schwerpunkt des Aufsatzbandes bildet die Frage, wie die Herausbildung juristischer Kompetenz – insbesondere bei künftigen Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – die Wahrung der Menschenrechte voranbringen kann. Hier öffnet sich ein weites Feld für die Umsetzung rechtswissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis, z.B. in Programmen zur wirtschaftlichen Entwicklung, der Korruptionsbekämpfung, der HIV/AIDS-Prävention oder der Organisation freier und fairer Wahlen. Mit seinen rechtswissenschaftlichen Master- und Promotionsprogrammen (LL.M. und Ph.D.) kann und will das Tansanisch-deutsche Fachzentrum für Rechtswissenschaft die Ausbildung von Nachwuchskräften fördern, die in diesen Bereichen Führungsverantwortung übernehmen.
Zwei Veranstaltungen, die im Jahr 2008 auf Initiative des TGCL in der Universität Dar es Salaam stattgefunden hatten, gaben denn auch den Anstoß für die wissenschaftlichen Beiträge, die der neue Aufsatzband jetzt vereint: die feierliche Eröffnung des TGCL und eine Konferenz zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (die Erklärung ist im Anhang des Buches vollständig abgedruckt). Herausgeber sind Kennedy Gastorn, Koordinator des TGCL und Dozent für Rechtswissenschaften an der Universität Dar es Salaam, Harald Sippel, Manager des TGCL und Privatdozent für Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth, sowie Ulrike Wanitzek, Projektleiterin des TGCL und Professorin an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und am Institut für Afrikastudien der Universität Bayreuth.
Die ideengeschichtlichen Ursprünge der Menschenrechte, die der abschließende historisch orientierte Beitrag des Bandes herausarbeitet, liegen zwar in Westeuropa und Nordamerika. Aber der weltweite Geltungsanspruch, der 1948 von den Vereinten Nationen anerkannt wurde, ist nicht an diesen Entstehungskontext gebunden. In der Universalität der Menschenrechte sehen gerade die afrikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an dem neuen Band mitgewirkt haben, eine Chance für die Zukunft ihres Kontinents.
Veröffentlichung:
Kennedy Gastorn, Harald Sippel, Ulrike Wanitzek (eds),
Justice and Dignity for All: Current Issues of Human Rights in Tanzania.
Dar es Salaam University Press, 2010
ISBN 978-9976-60-517-4
Homepage des Tansanisch-deutschen Fachzentrums für Rechtswissenschaft:
http://www.tgcl.ac.tz/
Kontaktadresse für weitere Informationen:
Prof. Dr. Ulrike Wanitzek
Institut für Afrikastudien (IAS)
Universität Bayreuth
95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55 2809
E-Mail: ulrike.wanitzek@uni-bayreuth.de
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils
Law, Politics
transregional, national
Scientific Publications
German
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