idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/22/1997 00:00

Umweltsünder sind immer die anderen

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Umweltsuender sind immer die anderen

    Wie kleine und mittlere Unternehmen es mit dem Umweltschutz halten

    CHEMNITZ. Die meisten Wissenschaftler waren auf Seiten des OElmultis Shell: Von der Versenkung der abgewrackten Foerderplattform Brent Spar im Atlantik werde keine groessere Umweltgefahr ausgehen, urteilten sie, jedenfalls keine, die in einem vertretbaren Verhaeltnis zu den Kosten fuer eine Entsorgung an Land stehe. Dennoch gelang es den Aktivisten von Greenpeace, die maechtige Firma durch die Besetzung der Plattform und durch Boykottdrohungen binnen Wo-chen in die Knie zu zwingen. In grossformatigen Anzeigen entschuldigte sich Shell bei seinen Kunden und gestand Fehler ein. Der Konzern stand sogar dann noch als Umweltboesewicht da, als Greenpeace nur wenig spaeter kleinlaut einraeumen musste, die Menge der Umweltgifte, die angeblich in der Bohrinsel lagerten, um das Hundertfache "ueberschaetzt" zu haben...

    Das Beispiel zeigt: Umweltschutz ist laengst auch zu einem Argument im Wettbewerb geworden - zu einem Kostenfaktor ohnehin. Doch Multis wie Shell, Hoechst oder VW sind nicht typisch fuer die deutsche Firmenlandschaft - gerade bei uns sind Kleinbetriebe oder mittelstaendische Firmen noch immer das Rueckgrat der Wirtschaft. Wie diese Betriebe den Umweltschutz einschaetzen, haben jetzt erstmals Prof. Dr. Cornelia Zanger und der Dipl.-Kfm. Hansjoerg Gaus, beide Marketing-Wissenschaftler an der Chemnitzer Uni, gemeinsam mit Forschern der Universitaet Potsdam untersucht. Wichtigstes Ergebnis: Die Umwelt ist fuer die meisten Klein- und Mittelbetriebe bisher kein Thema.

    Die Fachleute befragten die Geschaeftsfuehrer (meist gleichzeitig auch Eigentuemer) oder aber die Umweltbeauftragten von rund 100 Unternehmen aus den Regionen Chemnitz, Berlin und Potsdam, etwas mehr als die Haelfte davon aus dem Chemnitzer Raum. Ein Drittel der Firmen stellte Investitionsgueter her, etwa jede vierte kam aus dem Dienstleistungssektor und der Rest aus dem Konsumgueterbereich. Weil Chemnitz eine Hochburg des Maschinen- und An- lagenbaus ist, kamen Firmen aus diesem Bereich deutlich haeufiger als im Duchschnitt vor. In den meisten Firmen ist Umweltschutz mittlerweile Chefsache. Unabhaengig davon verfuegt ein Grossteil von ihnen mittlerweile aber auch ueber einen eigenen Umweltbeauftragten. In den meisten Unternehmen denkt man zunaechst an Abfall und Wiederverwertung, wenn vom Umweltschutz die Rede ist. Auch, wie man Belastungen der Umwelt am besten vermeidet und wie man umweltgerechte Produkte herstellt, spielt in den UEberlegungen der Betriebe eine grosse Rolle. Ganz allgemein glauben die Unternehmen, dass der Umweltschutz ihnen Vorteile bringt. Nur jede 14. Firma sieht eher die Nachteile, vor allem bei der Entsorgung und bei der Genehmigungspflicht von Anlagen. Fast ein Drittel der Unternehmen haelt es denn auch fuer voellig ausgeschlossen, dass von ihm Gefahren fuer die Umwelt ausgehen koennen, weitere zwei Drittel halten das Risiko fuer gering oder sehr gering. Lediglich jede dreissigste Firma schaetzt die Gefahr realitiv hoch ein, es koenne zu Zwischenfaellen kommen, die der Gesundheit oder der Umwelt schaden. Kein Wunder, dass sich nicht einmal vier von zehn Firmen durch Ansprueche des Umweltschutzes unter Druck gesetzt fuehlen. Mit 36 Prozent etwas geringer ist die Zahl der Unternehmen, die sich wenigstens zum Teil mit Forderungen nach mehr Umweltschutz auseinandersetzen muessen. Diese Forderungen kommen von Kunden, aber auch von Umweltorganisationen wie etwa Greenpeace oder dem Bund fuer Umwelt- und Naturschutz. In dieser Gruppe ist freilich auch die Bereitschaft, etwas fuer den Umweltschutz zu tun, am groessten - nicht ganz ohne Hintergedanken. Denn immerhin drei Viertel dieser Firmen sind gleichzeitig der Meinung, dass Umweltvertraeglichkeit Vorteile im Wettbewerb bringt, zwei Drittel benutzen bereits OEko-Argumente in ihrer Werbung und sogar drei von vier Firmen im direkten Kundengespraech. Lediglich die hohen Kosten fuer Umweltschutzmassnahmen machen diesen Unternehmen zu schaffen - die Bereitschaft, etwas fuer die Natur zu tun, nimmt naemlich bei vielen "gruen" gestimmten Kunden schnell ab, wenn sie fuer umweltgerechte Produkte etwas mehr zahlen sollen. Die restlichen 26 Prozent der befragten Firmen sehen sich durch den Umweltschutz stark gefordert, freilich in ganz unterschiedlichen Richtungen. Waehrend zehn Prozent darin eher etwas positives sehen, das sie im Wettbewerb staerkt und dem eigenen Ansehen guttut, fuerchten die anderen sechzehn Prozent hoehere Kosten durch eine Regelungswut mit immer neuen Auflagen und Gesetzen und sind daher recht negativ eingestellt. Betrachtet man die Einstellung zum Umweltschutz gesondert, so tritt etwa jede siebente Firma entschieden dafuer ein, fast jede dritte lehnt ihn eher ab. Dabei ist eine positive Einstellung in Berlin oder Potsdam haeufiger anzutreffen als in Chemnitz, denn dort fuerchtet man vor allem die hohen Kosten. Leicht macht es sich der grosse Rest - Umweltschutz, da muss etwas getan werden; von den Anderen, versteht sich, nicht von uns. Immerhin sind aber mehr als zwei Drittel aller kleinen und mittleren Unternehmen der Ansicht, dass Umweltschutzmassnahmen bei ihnen weder die Kosten erhoehen noch die Wettbewerbsfaehigkeit oder die wirtschaftliche Existenz beeintraechtigen. Kaum verwunderlich auch, wie die befragten Firmen den Umwelteinsatz in den verschiedenen Wirtschaftszweigen sehen: Die eigene Branche tut am meisten dafuer. Objektiv belegen laesst sich das nur selten, denn nur jeder zwanzigste Betrieb ist bisher nach der neuen EU-OEko-Audit-Verordnung bewertet worden. Immerhin plant aber rund die Haelfte aller Betriebe, dies in naher Zukunft nachzuholen. Befragt, was die groessten Hindernisse fuer den Umweltschutz sind, gaben die meisten Firmen zu hohe Anschaffungs- und Folgekosten an. Ausserdem wuerden umweltfreundliche Produkte von den Kunden kaum verlangt. Ein weiteres Hemmnis freilich liegt ausserhalb der Reichweite der Unternehmen: die Rechtsunsicherheit. Immerhin jede fuenfte Firma beklagt fehlende Gesetze oder befuerchtet, dass getroffene Massnahmen schon bald durch Gesetzes-aenderungen ueberholt sein koennten.

    Weitere Informationen: Technische Universitaet Chemnitz-Zwickau, Fakultaet fuer Wirt- schaftswissenschaften, Lehrstuhl fuer Marketing und Handelsbetriebslehre, Reichenhainer Strasse 39, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Cornelia Zanger, Telefon 03 71/5 31-83 45, Fax 03 71/5 31-43 41, Dipl.-Kfm. Hansjoerg Gaus, Telefon 03 71/5 31-41 58.


    Images

    Criteria of this press release:
    Biology, Economics / business administration, Environment / ecology, Mechanical engineering, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research projects
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).