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11/29/2001 10:26

Den interkulturellen Dialog stärken

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Startfinanzierung einer Professur für Migrationsforschung an der Uni Osnabrück - neue Akzente bei der Erforschung von Prozessen der Zu- und Einwanderung, von Fremdenfeindlichkeit und Globalisierung

    Europa hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg zu einer der bedeutendsten Zu- und Einwanderungsregionen der Welt entwickelt. Es liegt auf der Hand, dass dauerhafte Zuwanderungen die Verhältnisse im jeweiligen Einwanderungsland beeinflussen - etwa in kultureller Hinsicht oder einfach bedingt dadurch, dass die Einwanderer am wirtschaftlichen, sozialen und politischen Geschehen in den Aufnahmeländern teilnehmen. Derzeit sind alle europäischen Länder gefordert, mit den daraus resultierenden Problemen und den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen.

    Dabei richteten sich Erwartungen besonders auf die Wissenschaft, fehlt doch etwa professionell ausgebildetes Personal mit zugeschnittenen Kompetenzen nicht nur für das "Migrationsmanagement", sondern auch für den Umgang mit den sozialen und kulturellen Begleitumständen beziehungsweise Folgeerscheinungen von Zu- und Einwanderung. Zwar ist auf europäischer wie nationaler Ebene die soziale Integration unter Bedingungen wachsender Interkulturalität inzwischen als vorrangige gesellschaftspolitische Aufgabe anerkannt, im Unterschied zu anderen europäischen Ländern fehlt es aber gerade hier zu Lande an ausreichend qualifiziertem Personal zur Umsetzung solcher Konzepte. Etablierte Ausbildungs- und Forschungsstrukturen sind etwa an deutschen Universitäten bisher nur rudimentär vorhanden. Insbesondere mangelt es an Forschungs-, Studien- und Postgraduiertenprogrammen, wie sie in vielen außereuropäischen Einwanderungsländern und in
    Europa selbst - etwa in Großbritannien, den Niederlanden und den skandinavischen Staaten - längst erfolgreich aufgebaut wurden.

    Um diese Defizite zumindest ein Stück weit abzubauen, bewilligte die VolkswagenStiftung der Universität Osnabrück knapp 500.000 Euro zur Startfinanzierung einer C4-Stiftungsprofessur für "Soziologie/Methodologie interkultureller und interdisziplinärer Migrationsforschung". Sie wird eingerichtet am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
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    Kontakt: Professor Dr. Klaus J. Bade, Institut für Migrationsforschung, und Interkulturelle Studien (IMIS)
    Universität Osnabrück, Telefon: 05 41/9 69 43 77
    Fax: 05 41/9 69 43 80
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    In Orientierung an internationalen Vorbildern können nun künftig Weg weisende interdisziplinäre Forschungsstrukturen und Ausbildungsangebote aufgebaut und an der Hochschule dauerhaft verankert werden. Im Bereich der Lehre geht es zudem darum, sich im Kontext der "European Studies" über das Angebot entsprechender Inhalte auch anderen Magister-, Master- oder bestimmten Lehramtsstudiengängen zu öffnen - stets orientiert an internationalen Vorbildern und einem Graduierten- und Postgraduiertenprogramm "Internationale Migration und interkulturelle Beziehungen" auf der Grundlage einer interkulturell und interdisziplinär ausgerichteten Migrationsforschung.

    Wie beschrieben sind derzeit alle europäischen Länder gefordert, mit den aus Zu- und Einwanderung resultierenden Problemen und den damit verbundenen Herausforderungen fertig zu werden. Eines dieser Probleme sind fremdenfeindliche Haltungen. Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich bei EU-Bürgern in erheblichem Umfang rassistische Einstellungen finden und mitunter die öffentliche Wahrnehmung fremdenfeindlicher Übergriffe mangelhaft ist. Vor dem Hintergrund der neuen Zuwanderungsdebatte ist daher genau zu analysieren, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß sich neue oder verstärkte Abwehrhaltungen herausbilden.

    Um diesen Problemkomplex besser und zugleich in der Langzeitperspektive untersuchen zu können, stellt die VolkswagenStiftung dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld für das Kooperationsprojekt "Langzeituntersuchung des Einstellungssyndroms 'Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit' in der Bevölkerung (2002 - 2011)" unter Leitung von Professor Dr. Wilhelm Heitmeyer zunächst 700.000 Euro zur Verfügung. Weitere Kooperationspartner sind Professor Dr. Steffen Kühnel von der Universität Göttingen, Professor Dr. Peter Schmidt von der Universität Gießen und Professor Dr. Ulrich Wagner von der Universität Marburg.
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    Kontakt: Professor Dr. Wilhelm Heitmeyer, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld, Telefon: 05 21/1 06 31 64, Fax: 05 21/1 06 64 15
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    Mit dem Begriff "Menschenfeindlichkeit" ist dabei das Verhältnis zu spezifischen Gruppen gemeint, nicht ein individuelles "Feindschaftsverhältnis". Folgende Aspekte sollen in diesem umfassenden Kontext untersucht werden:

    Rassismus: Abwertung Anderer auf Grund der Bewertung biologischer Unterschiede ("natürliche" Höherwertigkeit der eigenen deutschen Gruppe);

    Antisemitismus: Abwertung von Menschen jüdischer Herkunft;

    Fremdenfeindlichkeit: Abwehr von Konkurrenz um Positionen, Plätze etc. auf Grund anderer ethnischer Herkunft;

    Heterophobie: Angst vor und Abwertung von "Norm"-Abweichung - also das Nicht-Zulassen von "Anders-Sein";

    Etabliertenvorrechte: Reklamierung von raumzeitlicher Vorrangstellung gegenüber "Neuen";

    Sexismus: Demonstration der Überlegenheit des Mannes.

    Die Wissenschaftler wollen im Verlauf eines Jahrzehnts Ausmaß und Entwicklung menschenfeindlicher Gruppeneinstellungen und diskriminierender Verhaltensweisen in der deutschen Bevölkerung untersuchen. Erhoben werden die Daten mittels Telefonbefragung: in einer ersten Welle bei 4.000, in den folgenden Wellen bei je 3.000 Personen. Die Analyse erfolgt dann auf der Basis sozialpsychologischer und soziologischer Theoriekonzepte sowie vor dem Hintergrund wahrgenommener gesellschaftspolitisch relevanter Entwicklungen. Die Ergebnisse werden im Jahresrhythmus der Öffentlichkeit vorgestellt. Darüber hinaus besteht Interesse von Seiten des "European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia" in Wien, das vorliegende Konzept entsprechenden Untersuchungen auf EU-Ebene zugrunde zu legen.

    Der Charakter des Vorhabens als ein zivilgesellschaftliches Projekt von besonderer Bedeutung zeigt sich auch daran, dass andere Stiftungen ihr Interesse bekundet haben sich dafür zu engagieren: etwa die Fritz Thyssen Stiftung, die Freudenberg- und die Körber-Stiftung. Die Universität Bielefeld wiederum finanziert die Pretestphase mit rund 35.000 Euro.

    Weitere Bewilligungen im Schwerpunkt "Konstruktionen des 'Fremden' und des 'Eigenen' - Prozesse interkultureller Abgrenzung, Vermittlung und Identitätsbildung" finden Sie auf der Homepage der Stiftung unter www.volkswagenstiftung.de.

    Wie sehr Fremdenfeindlichkeit, also "Xenophobie", Ausdruck gerade auch von Globalisierungsprozessen ist, dürfte derzeit offensichtlich sein. Globalisierung wird zumeist betrachtet - und auch unter negativen Vorzeichen gesehen - als Zunahme grenzüberschreitender Ströme: von Gütern und Dienstleistungen, Kapital, Informationen und Menschen sowie als Ausdehnung menschlicher Organisation und Interaktion. Geht es dann um die Analyse entsprechender Konsequenzen für die Politik, konzentrieren sich die Untersuchungen nach wie vor auf Staaten oder deren Regierungen.

    Dem gegenüber zeigen Erkenntnisse aus der Geografie und Soziologie, dass sich die Dynamik der Globalisierung weniger in Staaten, vielmehr in bestimmten Stadtregionen kristallisiert. Zwar bleiben diese Stadtregionen mit dem politischen und wirtschaftlichen System ihrer jeweiligen territorialen Einheit - also in der Regel dem Staat - verbunden, sie bilden jedoch einen Bereich mit ganz eigenständiger politischer Kraft und Ausstrahlung. Anders gesagt: Es ist davon auszugehen, dass gerade Stadtregionen von weltweiter Bedeutung zunehmend weniger von ihrem eigenen Staat abhängen, sondern in ihrem Schicksal mehr und mehr von den engeren Banden, die sie zu entsprechend "verwandten" Regionen in anderen Teilen der Welt knüpfen.

    Entsprechende Untersuchungen über Globalisierungsvorgänge dürfen sich daher nicht länger auf die Kooperation zwischen Staaten und auf die von ihnen gebildete supranationale Ordnung beschränken, sie müssen verstärkt die Rolle globaler Stadtregionen als politische Sphäre unterhalb des Territorialstaats in den Blick nehmen. Damit verbinden sich zwei Fragenbündel:

    Was bedeutet Globalisierung für die Integration oder Desintegration von Stadtregionen in ihr nationales System und in globale Strukturen?
    Welche Rolle spielen in dem Untersuchungskontext für Stadtregionen öffentliche oder private Akteure sowie von beiden Bereichen getragene Organisationen? Was lässt sich diesbezüglich über die lokale, nationale oder globale Ebene sagen? Kommt es zu organisatorischen Verlagerungen aus der öffentlichen in die private Sphäre? Und vor allem: Gewinnen Stadtregionen künftig in Relation zu ihrem Staat an Autonomie?

    Diesen speziellen Globalisierungszusammenhängen hat sich die Politikwissenschaft bislang kaum gestellt - mit Ausnahme der Betrachtung von Weltstädten wie London, New York oder Tokio, die in hoch entwickelten Ländern liegen. Mit 208.000 Euro unterstützt die VolkswagenStiftung nun das Vorhaben "Global city-regions as changing sites of governance: a comparison of Delhi, Johannesburg, Moscow and Sao Paulo". Diese vier Stadtregionen weisen bei allen Unterschieden in geografischer Lage und historischer Entwicklung hinreichend viele Gemeinsamkeiten auf, stellen dabei die jeweils wirtschaftlich stärksten und am weitesten global integrierten Stadtregionen ihrer Länder dar. Als potenzielle Knotenpunkte der Vernetzung mit anderen Stadtregionen gehören sie großen Bundesstaaten an, die in den 1990er-Jahren grundlegende sozio-ökonomische Veränderungen durchlaufen haben und eine wichtige Rolle in den aufstrebenden Märkten dieser Welt spielen.

    Geleitet wird das Forschungsvorhaben von Professor Dr. Klaus Segbers am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. In Delhi, Moskau und Johannesburg stehen Professoren für Regionalentwicklung, Stadtforschung und -planung, Politikwissenschaft sowie Geografie mit ihren Wissenschaftseinrichtungen als Kooperationspartner bereit, in Sao Paulo ist die Zusammenarbeit mit einem Forschungszentrum für Internationale Beziehungen geplant.
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    Kontakt: Professor Dr. Klaus Segbers, Osteuropa-Institut,
    Freie Universität Berlin, Telefon: 0 30/83 85 40 58,
    Fax: 0 30/83 85 36 16
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    Als weiteres Vorhaben in dem Schwerpunkt "Globale Strukturen und deren Steuerung" wird mit 258.000 Euro an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Dortmund das Vorhaben "Koordination internationaler Netzwerke von kleinen und mittleren Unternehmen" gefördert - geleitet von Professor Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen.
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    Kontakt: Professor, Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Dortmund, Telefon: 02 31/7 55 37 18, Fax: 02 31/7 55 32 80
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    Kontakt VolkswagenStiftung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Christian Jung, Telefon: 0511/8381-380, Fax: 0511/8381-344, e-mail: jung@volkswagenstiftung.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Law, Media and communication sciences, Politics, Psychology, Social studies
    transregional, national
    Research projects, Science policy
    German


     

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