Ständige Kommission kann im Verfahren gegen Dr. P. jedoch kein wissenschaftliches Fehlverhalten feststellen
Die ständige Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der Justus-Liebig Universität Gießen (JLU) hat das Verfahren gegen Dr. P. abgeschlossen, in dem Verstöße gegen die Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis im Zusammenhang mit der Affäre Dr. Joachim Boldt im Raum standen. Dr. Boldt war seinerseits der Titel „Außerplanmäßiger Professor“ entzogen worden. In dem Verfahren gegen Dr. P. konnte die Kommission zwar kein wissenschaftliches Fehlverhalten feststellen, jedoch einen Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Sie empfiehlt daher einen Tadel gegenüber dem Betroffenen und die Unterrichtung des Promotionsausschusses des Fachbereichs Medizin der JLU.
Ein Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt nach der genannten Satzung nur dann vor, wenn von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bewusst oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden, geistiges Eigentum anderer verletzt oder deren Forschungstätigkeit in schwerer Weise beeinträchtigt wird. Solch ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten kann mit akademischen bis hin zu zivil- oder strafrechtlichen Konsequenzen geahndet werden.
Dagegen sind die Anforderungen an die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis grundsätzlicher gehalten. Danach müssen Untersuchungen unter anderem nach dem neuesten Stand der Erkenntnis durchgeführt werden; zwingend ist damit die Kenntnis des aktuellen Schrifttums und der angemessenen Methoden verbunden. Ferner müssen die eingesetzten Methoden und die Befunde dokumentiert und aufbewahrt werden.
Bei dem Verfahren gegen den Betroffenen Dr. P. handelte es sich um ein abgeschlossenes Promotionsverfahren, welches sich im Zusammenhang mit den Aufklärungen um das wissenschaftliche Fehlverhalten von Dr. Boldt Zweifeln ausgesetzt sah. Es bestand zum einen der Verdacht, dass Dr. P. die zur Gewinnung seiner Daten erforderlichen Untersuchungen aufgrund fehlerhafter Aufklärungen der Patienten und unter Nichtanrufung der Ethikkommission durchgeführt habe. Diesen Verdacht sah die Kommission jedoch nicht bestätigt. Dr. P. habe glaubhaft dargelegt, dass er davon ausgegangen sei, dass beide Erfordernisse durch den Projektleiter Boldt verantwortlich erfüllt worden seien. Die Kommission stellt dabei ausdrücklich klar, dass weitergehende Anforderungen den Verantwortungsbereich des Betroffenen in seiner Rolle als Student überstiegen hätten.
Zum anderen wurde Dr. P. der Vorwurf von Falschangaben und der mehrmaligen Verwertung von Daten gemacht. Hintergrund dieser Vorwürfe war der Umstand, dass im Jahr 1996 zwei Aufsätze erschienen sind, bei denen Dr. P. als Co-Autor genannt wird und die sich ebenfalls mit dem Thema seiner Dissertation auseinandersetzen. Diesbezüglich legte der Betroffene dar, dass er von den Veröffentlichungen nichts gewusst habe und sein Name ohne sein Zutun in die Autorenzeile gelangt sei. Dieses Argument, welches nach den Kenntnissen aus der Boldt-Untersuchung zumindest nicht ausgeschlossen scheint, konnte von der Kommission nicht entkräftet werden, vielmehr sprachen eigene, vom Verfahren unabhängige Untersuchungen des Betroffenen und der Grundsatz in dubio pro reo für den Betroffenen.
Gleichwohl hat die Kommission in diesem Umstand einen Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis erblickt. Denn selbst wenn der Betroffene die betreffenden Artikel nicht selbst verfasst und publiziert hat, so hätte er jedoch im Rahmen seiner Literaturrecherche auf diese Publikationen stoßen und sie berücksichtigen müssen, da dies zur Auseinandersetzung mit dem einschlägigen Schrifttum gehört hätte. Angesichts des letztgenannten Aspekts empfiehlt die Kommission dem Präsidenten der JLU daher den Ausspruch eines Tadels und die Information des zuständigen Promotionsausschusses, damit dieser gegebenenfalls weitere Schritte prüfen kann.
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