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08/05/2011 09:42

Was heißt krank? Durchfall bei neugeborenen Fohlen ist häufig normal

Beate Zöchmeister Public Relations
Veterinärmedizinische Universität Wien

    Die allermeisten neugeborenen Fohlen bekommen Durchfall, verschiedene Behandlungen sollen Abhilfe schaffen. Juliane Kuhl von der Vetmeduni Vienna und ein internationales Team zeigen nun, dass Fohlendurchfall oft zur normalen Entwicklung der neugeborenen Tiere gehört. Interessant dabei ist, dass das Auftreten der Symptome mit einer grundlegenden Veränderung der Darmflora einhergeht. Die Arbeit wurde in der Zeitschrift „Veterinary Microbiology“ veröffentlicht.

    Viele neugeborene Tiere leiden an Durchfall. Das hat aber sehr unterschiedliche Ursachen. Bei Kälbern beispielsweise können falsches Fütterungsmanagement, bakterielle oder virale Infektionen dafür verantwortlich sein. Im Gegensatz dazu ist bei neugeborenen Pferden der Durchfall häufig nicht krankheitsbedingt. Gängige Hypothesen gehen davon aus, dass neugeborene Fohlen automatisch an Durchfall erkranken, wenn ihre Mütter nach der Geburt erstmals wieder in Rosse kommen. Diese Ansicht konnte ein Team um Christine Aurich an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna) nun relativieren: Ihre Befunde legen nahe, dass die Darmflora der Fohlen in den ersten Lebenswochen eine grundlegende Veränderung erfährt, und diese Veränderungen scheinen bei vielen Tieren mit Durchfall einherzugehen.

    Immunologische Lücke

    Kuhl, Aurich und ihre Kolleginnen und Kollegen wollten herausfinden, was den Fohlendurchfall verursacht und ob man ihn durch gezielte Futterzusätze verhindern kann. Deshalb untersuchten sie die Bakterienflora im Kot von Fohlen und deren Muttertieren. Zusätzlich bestimmten sie die Konzentration von Immunglobulinen im Blut der Tiere. Neugeborene Fohlen haben eine sehr geringe Konzentration von Antikörpern im Blut, daher funktioniert ihr Immunsystem zunächst noch nicht. Ihre Mütter versorgen die Neugeborenen jedoch in den ersten Stunden nach der Geburt über die Colostrum genannte Muttermilch mit speziellen Antikörpern, so genannten Immunglobulinen.

    Es ist deshalb sehr wichtig, dass die neugeborenen Fohlen direkt nach der Geburt Milch von ihren Müttern trinken, denn sie selbst können erst vier Wochen nach der Geburt ihre eigenen Antikörper in ausreichender Zahl erzeugen. Wenn die Fohlen in der sensiblen Phase genug Colostrum bekommen, gibt es keine Periode in der frühen Entwicklung der Fohlen, in der die Zahl der Gammaglobuline dramatisch reduziert ist. Einen direkten Zusammenhang zwischen Auftreten des Fohlendurchfalls und der Versorgung der Fohlen mit Colostrum konnte das Forschungsteam jedoch nicht feststellen.

    Fohlen-Darmflora verändert sich dramatisch

    Bakterien im Kot geben gute Hinweise darauf, wie sich die Darmflora der Tiere zusammensetzt. Bei den Mutterstuten fanden die Forschenden kaum zeitliche Änderungen in der Zusammensetzung der Bakterienflora im Kot, bei ihren Fohlen fanden sie jedoch dramatische Veränderungen. Neugeborene Fohlen haben zunächst nur eine sehr geringe Anzahl an Bakterien in ihrem Kot. Während der ersten Tage ihres Lebens werden sie von Escherichia coli besiedelt. Im Vergleich dazu bleibt die Zahl von Enterococcus bis zum zehnten Lebenstag niedrig. Noch später sind Bakterienstämme wie Streptococcus und Staphylococcus nachweisbar, nämlich erst zwei bis vier Wochen nach der Geburt. Spätestens dann unterscheidet sich die Bakterienflora der Fohlen aber kaum mehr von der ihrer Mütter.

    Keine Behandlung ist manchmal die beste Behandlung

    Interessanterweise fand das Forschungsteam heraus, dass die Veränderungen in der Darmflora der Fohlen mit dem Entstehen des Fohlendurchfalls zeitlich eng parallel ablaufen. Kuhl bleibt vorerst noch vorsichtig: „Obwohl es unsere neuen Daten nahelegen, müssen wir einen direkten Zusammenhang zwischen der Veränderung der Darmflora und dem Verlauf des Fohlendurchfalls noch genauer nachweisen“, sagt die Forscherin. Dennoch, ihre Arbeit liefert deutliche Hinweise darauf, dass der Fohlendurchfall zur normalen Entwicklung von Pferdefohlen gehören könnte. Damit wäre das Pferd die einzige domestizierte Tierart, bei der die meisten Jungtiere nicht-infektiösen Durchfall bekommen. Da sich die Tiere auch ohne Einsatz von Antibiotika, ohne Milchentzug oder Gabe von Futterzusatzstoffen schnell wieder erholen, könnten Züchter dazu angehalten sein, zu akzeptieren, dass viele ihrer Fohlen Durchfall bekommen werden, egal, ob sie dagegen behandelt werden oder nicht. Kuhl dazu: „Unsere Ergebnisse sind möglicherweise nicht gerade das, was Züchter oder die Futtermittelindustrie hören möchten. Nicht alle jungen Fohlen bekommen Durchfall, jedoch ihre große Mehrzahl – und die haben keine Langzeitfolgen zu befürchten.“ Durch pathogene Keime hervorgerufene Durchfallerkrankungen bei Fohlen sind dagegen zwar selten, verlaufen dann aber oft dramatisch und müssen rasch behandelt werden.

    Der Artikel “Changes in faecal bacteria and metabolic parameters in foals during the first six weeks of life” von Juliane Kuhl, Nora Winterhoff, Manuela Wulf, Florian J. Schweigert, Ilse Schwendenwein, Rupert M. Bruckmaier, Jörg E. Aurich, Peter Kutzer und Christine Aurich wurde in Ausgabe 151 (Seiten 321-328) der Zeitschrift „Veterinary Microbiology“ veröffentlicht. Die Studie wurde am Graf Lehndorff Institut für Pferdewissenschaften, einer gemeinsamen Forschungseinrichtung der Vetmeduni Vienna und der Stiftung Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt, in Neustadt (Dosse) Deutschland durchgeführt.

    Der wissenschaftliche Artikel im Volltext:
    http://dx.doi.org/10.1016/j.vetmic.2011.03.017

    Rückfragehinweis
    Prof. Christine Aurich, E christine.aurich@vetmeduni.ac.at, T +43 664 60257-6400
    Dr. Juliane Kuhl, E juliane.kuhl@vetmeduni.ac.at, T +43 664 60257-6405

    Aussender
    Mag. Klaus Wassermann, E klaus.wassermann@vetmeduni.ac.at, T +43 1 25077-1153

    http://www.vetmeduni.ac.at


    More information:

    http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/aktuelles/presseinformationen/pressein... - Pressetext und Pressefoto


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology, Medicine, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

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