idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/23/2011 11:18

Wer bin ich - und wenn ja wie viele? DNA-Sequenzen klären die wahre Identität von Pelodiscus

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Dresden, den 23. September 2011. Ein Forscherteam des Senckenberg Forschungsinstituts Dresden hat in der Weichschildkröten-Gattung Pelodiscus mehrere verschiedene genetische Linien identifiziert, die unterschiedlichen Arten entsprechen. Traditionell wurde angenommen, dass nur die Art Pelodiscus sinensis der untersuchten Gattung angehört. Die chinesischen Weichschildkröten sind als Nahrungsmittel weltweit die ökonomisch wichtigsten Schildkröten, mit einem jährlichen Handelsvolumen von mehreren hundert Millionen Exemplaren. Die zugehörige Studie ist heute im Fachblatt "Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research" erschienen.

    Vermutlich ist es den 300 Millionen Schildkröten, die jährlich in China auf den Tellern landen, egal, welcher Art sie angehören, aber für die Wissenschaft hat die Entdeckung der verschiedenen genetischen Linien eine enorme Bedeutung. Die Schildkröte wird aufgrund ihrer leichten Züchtbarkeit häufig als Modellorganismus für embryologische und physiologische Studien genutzt, so dass eine korrekte Identifikation der Art auch jenseits der Taxonomie und Systematik sehr wichtig ist.

    Prof. Uwe Fritz, einer der Dresdener Autoren der Studie, bekräftigt dies: „Bisher wurden diese Schildkröten zwar als Modell in vielen wissenschaftlichen Arbeiten verwendet, aber keiner wusste, welche Art es denn war. Dies führte mitunter zu erheblichen Widersprüchen oder nicht reproduzierbaren Ergebnissen, weil in verschiedenen Publikationen unterschiedliche Arten verwendet wurden.“

    Die chinesische Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis) ist ein seltsam anmutendes Tier: Ihr Panzer ist - wie der Name schon sagt - weich, der lange Hals so biegsam, dass er dem Reptil sogar Sicht nach hinten bietet, und die rüsselartige Nase gibt in flachen Gewässern einen prima Schnorchel ab. Weltweit gibt es über 300 verschiedene Schildkröten-Arten, einen weichen Panzer haben nur rund 30 von ihnen. Statt eines verknöcherten Panzers haben die bis zu gut 30 Zentimeter langen Weichschildkröten eine lederartige, biegsame Haut an Rücken und Bauch.

    Fritz hat gemeinsam mit seinem Kollegen Heiko Stuckas die DNA von zwei 180 Jahre alten Weichschildkrötenpanzern aus dem Berliner Museum für Naturkunde untersucht. Die stark geschrumpften und vertrockneten Proben dienten 1834 dem deutschen Zoologen Arend Friedrich August Wiegmann als Grundlage zur Beschreibung der Art Pelodiscus sinensis.

    Winzige Gewebestücken wurden von den Dresdner Forschern aus den Panzern entnommen und mittels modernster Techniken Teile des Erbguts der Schildkröten bestimmt. Vielversprechend ist hier vor allem die Auswertung der mitochondrialen DNA, da diese im Vergleich zur DNA des Zellkerns in wesentlich größerer Zahl vorliegt und so Erhaltungsprobleme gelindert werden.

    Der Versuch der DNA-Gewinnung am ersten Schildkrötenpanzer scheiterte leider vollständig - zu alt und vertrocknet waren die Überreste des Tieres. Aber am zweiten Panzer erzielte das Forscherteam einen vollen Erfolg! Die Auswertung der DNA-Sequenzen lässt darauf schließen, dass die Gattung Pelodiscus mindestens vier und nicht - wie bisher angenommen - eine Spezies enthält. Mit den Sequenzen aus dem Berliner Exemplar, das quasi der „Urmeter“ für die Art Pelodiscus sinensis ist, konnte nun erstmals geklärt werden, welche der vier Arten nun tatsächlich die „echte“ chinesische Weichschildkröte ist.

    Und nicht nur für die Wissenschaft kann diese Entdeckung von Bedeutung sein, auch die Schildkröten selber könnten davon profitieren. Derzeit sind alle Arten, die unter Pelodiscus sinensis zusammengefasst werden, von der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft. Einige der „neu entdeckten“ Arten könnten aktuell aber schon als stark oder hochgradig gefährdet eingestuft werden und damit auch einen höheren Schutz genießen.

    Aufgrund der Forschungsergebnisse werden in Zukunft die verschiedenen Arten - zumindest in der Wissenschaft - nicht mehr „in einen Topf geworfen“, sondern genau benannt werden können.

    Publikation: Stuckas, H. & Fritz, U. Identity of Pelodiscus sinensis revealed by DNA sequences of an approximately 180-year-old-type specimen and a taxonomic reappraisal of Pelodiscus species (Testudines: Trionychidae) (2011), J Zool Syst Evol Res doi: 10.1111/j.1439-0469.2011.00632.x


    Kontakt:

    Prof. Dr. Uwe Fritz
    Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden
    Abteilungsleiter Museum für Tierkunde
    Königsbrücker Landstr. 159
    01109 Dresden
    Tel. 0351 795841 4326
    Fax 0351 795841 4327
    E-Mail: Uwe.Fritz@senckenberg.de

    Pressestelle Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
    Judith Jördens
    Senckenberganlage 25
    63065 Frankfurt/Main
    Tel. 069-7542 1434
    E-Mail: judith.joerdens@senckenberg.de


    Images

    Chinesische Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis)
    Chinesische Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis)
    Source: © Markus Auer (Senckenberg)

    Typisches Pelodiscus-Gericht
    Typisches Pelodiscus-Gericht
    Source: © Markus Auer (Senckenberg)


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Environment / ecology
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Chinesische Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis)


    For download

    x

    Typisches Pelodiscus-Gericht


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).