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02/20/2002 16:06

CHE Centrum für Hochschulentwicklung kritisiert Kabinettsbeschluss der Bundesregierung

Britta Hoffmann-Kobert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
CHE Centrum für Hochschulentwicklung

    Sieben Argumente gegen ein Verbot von Studiengebühren

    Das CHE Centrum für Hochschulentwicklung kritisiert die Kabinettsentscheidung der Bundesregierung allgemeine Studiengebühren fürs Erststudium generell zu verbieten. "Die Entscheidung beruht auf unbewiesenen Annahmen, verschenkt wichtige Erfolgschancen des deutschen Hochschulsystems und steht dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entgegen", sagt CHE-Leiter Prof. Dr. Müller-Böling und legt eine Stellungnahme mit sieben Argumente vor, warum ein Verbot von Studiengebühren falsch ist.

    1. Die Bundesregierung will das Verbot von Studiengebühren mit völlig unbelegten Behauptungen durchsetzen.

    Aus der Begründung für die Gesetzesänderung:

    "Die Debatte über die Einführung von Studiengebühren führt zu einer grundsätzlichen Verunsicherung derjenigen, die in den nächsten Jahren ein Studium aufnehmen wollen. Dies könnte in letzter Konsequenz zu einem Rückgang der Zahl der Studienanfänger führen. Mit der Festschreibung der Gebührenfreiheit im formulierten Sinne schafft der Bundesgesetzgeber Rechts-sicherheit und unterstützt damit die Studierneigung positiv und dies für das gesamte Bundesgebiet."

    Fakt ist jedoch, dass in Ländern, in denen Studiengebühren eingeführt worden sind (z.B. Niederlande, Australien), die Studienanfängerzahlen gestiegen sind. Die Einnahmen aus Studiengebühren wurden hier für einen weiteren Ausbau des Systems verwandt. Als Gegenbeispiel wird gegenwärtig Österreich mit einem vermeintlichen Rückgang von 20 Prozent angeführt. Nach allen Erfahrungen in vergleichbaren Ländern kommt es zu einem Rückgang der eingeschriebenen Studierenden, nicht aber zu einem Absinken der Studienanfängerzahlen. Dass durch die Einführung von Studiengebühren Scheinstudierende, die ausschließlich zur Sicherung materieller Vorteile immatrikuliert sind, abgeschreckt werden, ist unumstritten und zu begrüßen.

    2. Die Bundesregierung ignoriert die Tatsachen im deutschen Hochschulsystem.

    Aus der Begründung für die Gesetzesänderung:

    "Führen einzelne Länder oder Hochschulen Studiengebühren in nennenswerter Höhe für grundständige und konsekutive Studiengänge ein, kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, dass Studienbewerber und Studierende aus diesen Ländern an Hochschulen in Ländern, die keine Studiengebühren erheben, wechseln. Dadurch kann es zu erheblichen Kapazitätsproblemen und finanziellen Belastungen und in der Folge zu nennenswerten Verschlechterungen der Studienbedingungen in den zuletzt genannten Ländern kommen. Die Einführung von Studiengebühren soll deshalb bundesrechtlich grundsätzlich ausgeschlossen und damit die Zielsetzung des Artikels 72 Abs, 2 GG, gleichwertige Lebens-verhältnisse herzustellen, verwirklicht werden."

    Fakt ist, dass - anders als es die Bundesregierung unterstellt - private Hochschulen, die Studiengebühren erheben, auch in Deutschland sehr attraktiv für Studienbewerber sind. Das gilt auch für Studierende mit geringerem Elterneinkommen, wie das Beispiel der Privaten Universität Witten/Herdecke zeigt: Dort ist der Anteil der BAFöG-Empfänger unter den Studierenden genauso groß wie an staatlichen, kostenfreien Hochschulen.

    3. Die Bundesregierung blockiert den notwendigen Ausbau des Hochschulsystems.

    Wer noch mehr junge Menschen durch eine Hochschulausbildung für Berufe der Zukunft qualifizieren will, muss die Hochschulen besser ausstatten und ihre Kapazitäten ausbauen. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen sind die Kosten dafür jedoch ohne zusätzliche private Mittel nicht aufzubringen. Ein Verbot von Studiengebühren setzt die Chance dazu leichtsinnig aufs Spiel.

    4. Die Bundesregierung verschärft die soziale Ungerechtigkeit.

    Wissenschaftliche Gutachten zeigen, dass das gebührenfreie Studium von heute de facto eine Umverteilung von arm zu reich bedeutet: Die heute schlechter Verdienenden finanzieren durch ihre Steuern den später besser Verdienenden das Studium. Der Vergleich mit anderen Bildungsbereichen, wie zum Beispiel Kindergärten oder Meisterkursen im Handwerk, zeigt, dass das Argument der Chancengleichheit der Gebührenerhebung nicht generell im Wege steht. Warum es im Hochschulbereich anders ein sollte, will nicht einleuchten.

    5. Die Bundesregierung verhindert wünschenswerten Wettbewerb im Hochschulbereich.

    Studiengebühren führen zu einem neuen Verhältnis zwischen zahlenden Nachfragern und Anbietern von Lehrleistungen: Studierende müssen nicht länger als Last begriffen werden, sondern Hochschulen werden mit bedarfsgerechten und differenzierten Studienangeboten in einem qualitativen Wettbewerb um Studierende werben.

    6. Die Bundesregierung bekämpft Ungleichheit an der falschen Stelle im Bildungssystem.

    Das Argument, Arbeiterkinder würden durch Studiengebühren vom Studium und somit vom sozialen Aufstieg durch Bildung abgehalten, ist falsch. Die soziale Selektion, die in Deutschland leider noch immer stärker ist als in anderen europäischen Ländern, erfolgt nämlich, wie die PISA-Studie jüngst bestätigt hat, nicht beim Übergang zwischen Schule und Hochschule, sondern schon viel früher, beim Übergang vom Primar- zum Sekundarbereich.

    7. Die Bundesregierung setzt sich mit dieser verfehlten Politik über den Bürgerwillen hinweg.

    Zwei in den Jahren 1998 und 2000 durchgeführte repräsentative Umfragen haben ergeben, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen (62 Prozent) für die Einführung von Studiengebühren ist, sofern soziale Ungerechtigkeit vermieden wird. Eine die Sozialverträglichkeit berücksichtigende Einführung von Studiengebühren trifft bei Wählern aller politischen Parteien mehrheitlich auf Zustimmung: CDU/CSU-Wähler 69, SPD-Wähler 62, FDP-Wähler 56, Grüne/B90-Wähler 52 Prozent. Sogar die Studierenden selbst sind dafür (52 Prozent bei den unter23-jährigen).


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Science policy
    German


     

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