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Jenaer Botaniker legte Samenbank an: Samen und Sporen, eiskalt konserviert
Jena (22.08.97). Wenn Arten sterben, gehen genetische Ressourcen verloren. Eigentlich ist das ein ,normaler' Vorgang in der Evolution, aber den postmodernen Menschen ruehren Gewissenszweifel, dass er mit seinen Eingriffen in das oekologische Gleichgewicht an der rapide zunehmenden ,genetischen Veroedung` nicht ganz unschuldig ist. In einem weltweiten Projekt versucht man nun, Erbinformationen zu erhalten: In Samen- und Sporenbanken wird das Erbgut bedrohter Pflanzen zur Nachzucht bewahrt. Fuer Thueringen haben Prof. Dr. Frank Hellwig und sein Team im Institut fuer Spezielle Botanik diese Aufgabe uebernommen.
,Endzeitstimmung - das ist der Geist der Zeit", schmunzelt der 39jaehrige Biologe. Von einem undifferenzierten Naturschutzmanagement will er aber nichts wissen. Man muesse in jedem Einzelfall entscheiden, ob eine an einem Standort ausgestorbene Art durch Aufzucht und Auspflanzung ,wiederbelebt' werden soll oder nicht. Und ein ,Saatguttourismus' sei ohnehin wenig sinnvoll, denn die spezifische Anpassung von Pflanzenpopulationen an ihre Lebensraeume laesst sich nicht kopieren. In zwei Gefrierschraenken hat Hellwigs Team seine ,Schaetze' gesammelt. Bei minus 18 Grad sind Samen und Sporen aus der thueringischen Flora versammelt - jeweils gut eine Handvoll, in feinmaschige Perlonnetze eingehuellt, mit blauem Silikagel gegen Feuchtigkeit geschuetzt und schliesslich in zigarrenkastengrosse Kunststoffbehaelter verpackt. Bislang sind erst rund 700 von ueber 2.200 Arten erfasst, das Unterfangen ist bis weit in das naechste Jahrtausend projektiert.
Wie lange sich die Samen im Eisfach halten, kann niemand genau sagen. ,Jedenfalls nicht fuer die Ewigkeit", weiss Hellwig. Die Keimfaehigkeit des Saatgutes wird vor dem Einfrieren bestimmt, dokumentiert und spaeter immer wieder getestet. Stets muessen Samen und Sporen neu geerntet werden, entweder in der Natur oder von Populationen, die in geschuetzten Terrains ausgesaet werden. Der Botanische Garten, der ebenso wie die historische Pflanzensammlung im Herbarium Haussknecht Hellwigs Sachwaltung obliegt, bietet dafuer ideale Voraussetzungen. Daneben stellt das Team in topmodernen Labors, die in Goethes ehemaligem Inspektorenhaus so leicht niemand vermutet, Genomanalysen an.
Erst der ,genetische Fingerabdruck' einer Pflanze laesst fundierte Rueckschluesse auf ihre evolutionsgeschichtliche Herkunft zu. So will Hellwig herausfinden, ob die Flaumeiche, die in Thueringen allmaehlich aus der Landschaft verschwindet, eher mit boehmischen oder mit franzoesischen Artgenossen verwandt ist. Ein anderes Projekt untersucht die Salzpflanzengesellschaften, die in Thueringen in sehr kleinen und gefaehrdeten Biotopen vorkommen. Sind diese Lebensraeume miteinander vernetzt? - Aufschluesse erhofft sich Hellwig von den DNA-Analysen.
So gehen molekularbiologische Forschung, konservatorische Sammlung und Pflanzenzucht im Botanischen Garten Hand in Hand. ,Ideale Voraussetzungen", bemerkt Hellwig, den viele seiner Kollegen dafuer beneiden. Er sieht seine Aufgabe nicht nur in Wissenschaft und Forschung, sondern auch in der Bewahrung der thueringischen Flora. Zwar sind im Freistaat 168 bekannte Arten (7 %) bereits ausgestorben, ausgerottet oder nicht mehr auffindbar, und nach der aktuellen ,Roten Liste Thueringens" (1993) gelten insgesamt 54% aller Moose und 36% aller Farn- und Samenpflanzen als gefaehrdet, sogenannte Endemiten - Pflanzen, die nur hier wachsen - sind jedoch eher selten vertreten. Dennoch: Wie gross eine Population an einem Standort mindestens sein muss, um die Art zu erhalten, weiss niemand genau. ,Entscheidend ist jeweils der Genpool", sagt Hellwig. Und den sieht er lieber in ,freier Wildbahn' als im kuehlen Lager seines Instituts.
Kontakt: Prof. Dr. Frank Hellwig, Tel.: 03641/635587 o. 635586 (gute Fotos in der Pressestelle auf Anfrage)
Criteria of this press release:
Biology, Environment / ecology, Information technology, Oceanology / climate
transregional, national
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