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02/28/2002 16:09

Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2002 geht an Dr. Gaby Straßburger

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Preisträgerin widerlegt in ihrer Dissertation gängige Stereotypen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Heiratsverhalten und Integrationsbereitschaft von Zuwanderern - Preisverleihung am 14. Mai im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses -

    "Heiratsverhalten und Partnerwahl im Einwanderungskontext: Eheschließungen der zweiten Emigrantengeneration türkischer Herkunft" lautet der Titel ihrer Dissertation, für die Dr. Gaby Straßburger (Essen) den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2002 erhält. Dies hat jetzt Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wolfgang Frühwald als Vorsitzender der Jury bekanntgegeben. Ihr lagen in diesem Jahr 28 Bewerbungen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern aus der ganzen Bundesrepublik vor. Die Verleihung des von Helmut und Marianne Hartmann gestifteten Preises, der mit 5000 Euro dotiert ist und gemeinschaftlich von der Universität und der Stadt Augsburg sowie vom Forum Interkulturelles Leben und Lernen (FILL) e. V. getragen wird, findet am 14. Mai 2002 im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses statt.

    DIE PREISGEKRÖNTE ARBEIT

    Die von der an der Universität-Gesamthochschule Essen tätigen Sozialpädagogin und Orientalistin Gaby Straßburger in ihrer Osnabrücker Dissertation gewonnen und vermittelten Einsichten, fasst Frühwald folgendermaßen zusammen:

    "Das Heiratsverhalten von Zuwanderern, so lautet ein beliebtes Stereotyp, gibt Auskunft über den Grad der Integration in oder die Separation von der Mehrheitsbevölkerung. Gaby Straßburger zeigt in ihrer Dissertation, dass dies ein Vorurteil ist, weil es entschieden auf den jeweiligen 'Heiratsmarkt' ankommt und darauf, wie er besetzt ist. Dass türkische Männer in Deutschland häufig Frauen aus der Heimat ihrer Eltern (also 'transnational') heiraten, liegt weniger daran, dass sie sich in die eigene Herkunftsgruppe zurückziehen, als vielmehr daran, dass es in der türkischen Migranten-Bevölkerung in Deutschland nur halb so viele ledige Frauen wie Männer gibt und eine Heirat über die Grenzen der Religion hinaus noch immer zu Familienkonflikten führt. Statistisch ist zu belegen, dass ein Großteil der von der zweiten Generation geschlossenen Ehen 'transnational' ist, also in der Türkei lebende Personen betrifft. Ein wesentlich kleinerer Teil von Menschen dieser zweiten Generation heiratet Partner aus der Migranten-Bevölkerung selbst, 'interethnische' Ehen, also Ehen mit deutschen oder anderen nicht-türkischen Partnern, sind verhältnismäßig selten. Diese Statistik aber verweist nicht auf den Willen zur Abgrenzung und zur Spaltung, sondern vor allem auf die Möglichkeiten, attraktive und gleichgestimmte Lebenspartner zu finden.

    Gaby Straßburgers Studie verbindet die Auswertung nationaler und regionaler Statistiken mit biographischen Untersuchungen zu 14 unterschiedlichen Ehen (der zweiten Migranten-Generation) aus einer deutschen Stadt mit 70.000 Einwohnern. Sie gelangt dadurch nicht nur zur Auflösung verbreiteter Vorbehalte, sondern auch zu einem differenzierten Einblick in die Wertvorstellungen junger Türkinnen und Türken in Deutschland. 'Wer in Deutschland das Zusammentreffen mit der Frau oder dem Mann seines Lebens nicht dem Zufall überlässt', heißt es in dieser Dissertation, 'handelt gegen die soziale Norm.' Bei jungen Deutschen gilt es demnach als altmodisch, die Wahl eines Ehepartners und die Entscheidung zu heiraten, als eine Angelegenheit der ganzen Familie zu betrachten. Junge Türkinnen und Türken dagegen betrachten Selbstbestimmung und Familienorientierung keineswegs als Gegensätze, sie sind meist darum bemüht, eine Balance zwischen den Ansprüchen der Familie und den eigenen Wünschen herzustellen. Ob es dabei zu Konflikten kommt und wie heftig diese Konflikte sind, hängt davon ab, welcher Umgangston in diesen Familien herrscht, wie die Mitglieder der Familie miteinander umgehen.

    Das komplizierte Geflecht der Partnersuche, der Partnerwahl und vor allem der Art und Weise, wie Partner gesucht und gebunden werden, kurz das Geflecht der unterschiedlichen Heiratsmuster gibt einen ungewöhnlichen Einblick in die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Es zeigt, inwiefern die Gesellschaft 'nach ethnisch national oder religiös definierten Zugehörigkeiten gespalten ist und wie sich das Ausmaß dieser Spaltung entwickelt'. Wenn wir Gaby Straßburgers Studie folgen, ist Heirat (auch wenn sie mit Partnern aus dem Herkunftsland der Eltern-Generation vollzogen wird), ein Zeichen der Integration, kein Zeichen der Trennung.

    DIE PREISTRÄGERIN

    Gaby Straßburger, geboren 1963 in Geisenfeld, hat am Rhabanus Maurus Gymnasium in St. Ottilien ihr Abitur gemacht, in Bamberg, Ankara und Amman (Jordanien) studiert und das Studium 1994 als Diplom-Orientalistin in Bamberg abgeschlossen. Im Jahr 2001 hat sie in Osnabrück, dem Zentrum der deutschen Emigrationsforschung, mit der jetzt preisgekrönten Arbeit "summa cum laude" promoviert. Sie spricht Türkisch, Englisch, Niederländisch, Französisch und Arabisch und ist seit Juli 2001 stellvertretende Leiterin eines vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanzierten Projektes über die "Lebenssituation ausländischer Mädchen und junger Frauen sowie junger Aussiedlerinnen" an der Universität-Gesamthochschule Essen. Gaby Straßburger ist in Bamberg auch sozial und politisch engagiert. Sie ist u. a. dort Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, ihre soziale Tätigkeit brachte sie mit Problemen der sozialpädagogischen Betreuung von Arbeitslosen, mit der psychosozialen Beratung von Suchtkranken und mit der Organisation von Kinderbetreuung in Verbindung.

    GROSSE ZAHL PREISWÜRDIGER BEWERBUNGEN

    Wegen der großen Zahl preiswürdiger Arbeiten hat die Jury einhellig beschlossen, im Jahr 2002 auch die Arbeiten öffentlich zu nennen, die sie in engste Auswahl gezogen hat. Es sind dies die sozialethische Arbeit von P. Jörg Alt S. J. (München) über ein häufig verdrängtes Thema "Die Verantwortung des Staates für 'illegale' Migranten. Empirische Ausgangslage, sozialethische Begründung und politische Konsequenzen", die praxisnahe medizinethische Dissertation von Dr. Dr. Ilhan Ilkilic (Tübingen) über "Medizinische Aspekte des muslimischen Krankheitsverständnisses in einer wertpluralen Gesellschaft" und die Studie von Christine Köhl (Hockenheim) über "Strategien der Interkulturellen Kulturarbeit", in der Künstlerinnen, Künstler und andere Kulturschaffende aus der Migrationsbevölkerung zu Wort kommen.

    DIE BISHERIGEN PREISTRÄGER/INNEN

    Der Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien, der in diesem Jahr zum insgesamt fünften Mal vergeben wird, ging 1998 an den Bamberger Politikwissenschaftler Alfredo Märker für seine Diplomarbeit zum Thema "Zuwanderung in die Bundesrepublik: Universalistische und Partikularistische Gerechtigkeitsaspekte", 1999 an die Frankfurter Soziologin Dr. Encarnación Gutiérrez Rodriguez für ihre Dissertation mit dem Titel "Jongleurinnen und Seiltänzerinnen - Dekonstruktive Analyse von Ethnisierung und Vergeschlechtlichung" und 2000 an die Essener Erziehungswissenschaftlerin Dr. Yasemin Karakasoglu-Aydin für ihre Dissertation über "Religiöse Orientierungen und Erziehungsvorstellungen. Eine empirische Untersuchung an türkischen Lehramts- und Pädagogik-Studentinnen im Ruhrgebiet". Im vergangenen Jahr hat die Göttinger Juristin Prof. Dr. Christine Langenfeld den Augsburger Wissenschaftspreis für ihre Habilitationsschrift "Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland - eine Untersuchung am Beispiel des allgemeinbildenden Schulwesens" erhalten.

    BEWERBUNGSFRIST FÜR 2003 ENDET AM 30. SEPTEMBER 2002

    Die Bewerbungsfrist für den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2003 läuft bis zum 30. September 2002. Eingereicht werden können wissenschaftliche Arbeiten, die sich im Rahmen des übergreifenden Themas "Interkulturelle Wirklichkeit in Deutschland: Fragen und Antworten auf dem Weg zur offenen Gesellschaft" bewegen. Der Preis richtet sich insbesondere an Magister-, Staatsexamens- und Diplomarbeiten sowie an Dissertationen und Habilitationsschriften, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Bewerbungsschluss an einer deutschen Universität abgeschlossen und vorgelegt wurden. Bewerbungen sind mit zwei Exemplaren der Studie, einer ca. 10-seitigen Zusammenfassung der Studie, mindestens einem Gutachten eines Professors/einer Professorin und einem Lebenslauf über die jeweilige Universitätsleitung an das Rektoramt der Universität Augsburg, Universitätsstraße 2, 86159 Augsburg, zu richten.

    KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:

    Dr. Peter Kolb, Rektoramt der Universität Augsburg, 86135 Augsburg, Telefon 0821/598-5102, Telefax 0821/598-5116, e-mail: peter.kolb@rektorat.uni-augsburg.de


    More information:

    http://www.Presse.Uni-Augsburg.DE/unipressedienst/1998/pm1998_027.html
    http://www.Presse.Uni-Augsburg.DE/unipressedienst/1998/pm1998_028A.html
    http://www.Presse.Uni-Augsburg.DE/unipressedienst/1999/pm1999_020.html
    http://www.Presse.Uni-Augsburg.DE/unipres


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    Criteria of this press release:
    Law, Philosophy / ethics, Politics, Psychology, Religion, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Personnel announcements
    German


     

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