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12/07/2011 11:29

Defektes Gerüstprotein in Nervenzellen verursacht Autismus

Dr. Annette Tuffs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Heidelberg

    Genvarianten beeinträchtigen Signalweiterleitung zwischen Nervenzellen / Heidelberger Humangenetiker veröffentlichen in „Human Molecular Genetics“

    Können Nervenzellen im Gehirn aufgrund eines genetischen Defekts kein funktionsfähiges Gerüstprotein SHANK2 bilden, ist ihre Kommunikation mit anderen Nervenzellen gestört. Mäuse mit solchen fehlerhaften Proteinen zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die autistischen Störungen beim Menschen ähnlich sind. Diesen Zusammenhang haben Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Humangenetik des Universitätsklinikums Heidelberg und des Max Planck Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg erstmals nachgewiesen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Human Molecular Genetics“ veröffentlicht.

    2010 hatten die Wissenschaftler um Professor Gudrun Rappold, Leiterin der Abteilung Molekulare Humangenetik, die bis dato unbekannten Veränderungen im genetischen Bauplan (Mutationen) des SHANK2-Proteins bei Patienten mit autistischer Störung oder geistiger Behinderung entdeckt. Im Erbgut von insgesamt 580 Patienten fanden sie zehn verschiedene Mutationen von SHANK2. Drei davon nahmen sie in der aktuellen Arbeit näher unter die Lupe. „Mit unseren Versuchen haben wir erstmals gezeigt, dass diese Mutationen im SHANK2-Gen zu morphologischen Veränderungen in den Nervenzellen führen und bei Mäusen Symptome auslösen können, wie sie in ähnlicher Weise bei autistischen Störungen auftreten“, erklärt Rappold.

    Autismus ist eine angeborene Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns, die häufig mit verminderter, selten aber auch überdurchschnittlicher Intelligenz und Spezialbegabungen wie einem fotografischen Gedächtnis einhergeht. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch Sprachdefizite, eingeschränkte soziale Interaktion und stereotype Verhaltensweisen. Darüber hinaus sind autistische Störungen sehr heterogen. Neben den Veränderungen im SHANK2-Gen kennt man bisher nur eine ganz begrenzte Anzahl von weiteren Genmutationen, die diese Erkrankungen auslösen können; die Auswirkungen dieser genetischen Veränderungen auf die Nervenzellen sind noch wenig erforscht.

    Mäuse zeigen charakteristische Verhaltensänderungen

    Wie sich Nervenzellen ohne funktionsfähiges SHANK 2 verhalten, untersuchten die Heidelberger Wissenschaftler an isolierten Gehirnzellen von Mäusen, in die sie die genetische Information für jeweils eine der drei SHANK 2-Varianten einschleusten. Die Zellen bildeten daraufhin das veränderte, defekte Gerüstprotein – und büßten einen Teil ihrer Fähigkeit ein, sich zu vernetzen: Die Zellen bildeten weniger Kontaktstellen für andere Nervenzellen aus und sind deshalb vermutlich weniger empfänglich für bestimmte Botenstoffe ihrer Nachbarn. „Die Signalübertragung zwischen den einzelnen Neuronen kann deshalb deutlich beeinträchtigt sein“, fasst Rappold zusammen.

    Die untersuchten Mutationen unterschieden sich dabei im Ausmaß der durch sie verursachten morphologischen und funktionellen Veränderungen an den Nervenzellen. Das passt zu der Beobachtung, dass es auch Träger von SHANK2-Mutationen gibt, die selbst nicht erkranken und das mutierte Gen aber an ihre Kinder weitergeben. Erst bei diesen treten die charakteristischen Symptome auf. Professor Rappold erklärt das so: „Diese Genvarianten sind ein Risikofaktor. Zu einer autistischen Störung kommt es in diesen Fällen aber erst, wenn noch weitere Risikofaktoren vorliegen.“

    Im Gehirn lebender Mäuse führte das veränderte Gerüstprotein zu Verhaltensänderungen: In speziellen Tests zeigten die Tiere z.B. ein geringeres Lernvermögen als unbehandelte Mäuse und weniger Interesse an ihrer Umwelt – vergleichbar mit verschiedenen autistischen Störungen bei Menschen. „Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine korrekte innere Struktur der Nervenzellen nötig ist für eine normale Entwicklung von Sprache, sozialer Kompetenz und kognitiven Fähigkeiten“, so die Humangenetikerin.

    Literatur:
    Berkel, S., Tang, W., Treviño, M., Vogt, M., Obenhaus HA, Gass, P., Scherer, S. W., Sprengel, R., Schratt, G., Rappold, G. A.: SHANK2 variants associated with autism spectrum disorder impair neuronal morphogenesis and can be linked to physiological effects. Human Molecular Genetics, Epub ahead of print, 2011.

    Kontakt für Journalisten:
    Professor Dr. rer.nat. Gudrun A. Rappold
    Abteilung Molekulare Humangengetik
    Universitätsklinikum Heidelberg
    Im Neuenheimer Feld 366
    69120 Heidelberg
    Tel.: 06221 / 56 50 59
    E-Mail: gudrun_rappold@med.uni-heidelberg.de

    Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
    Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
    Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.

    http://www.klinikum.uni-heidelberg.de

    Bei Rückfragen von Journalisten:
    Dr. Annette Tuffs
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
    und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
    Im Neuenheimer Feld 672
    69120 Heidelberg
    Tel.: 06221 / 56 45 36
    Fax: 06221 / 56 45 44
    E-Mail: annette.tuffs(at)med.uni-heidelberg.de

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
    http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/presse

    190 / 2011


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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