Mitarbeiter der Universität Jena präsentiert neues Buch über Kaukasus-Forschung in der Sowjetunion
Der Blick auf den Kaukasus ist stark von Mythen und Vorurteilen verstellt. So geistert das Bild von den Inguschen als den noblen Wilden ebenso durch die Medien wie die Vorstellung vom unbändigen Freiheitswillen der Tschetschenen. Im Kontrast dazu wird das Bild von den „zivilisierten“ Kaukasiern auf die Georgier und Armenier projiziert.
Ein unverstellter Blick auf den Kaukasus sei die Ausnahme, konstatiert Dr. Florian Mühlfried. Der Ethnologe und Kaukasiologe von der Universität Jena hat gemeinsam mit seinem Moskauer Fachkollegen Sergey Sokolovskiy das Buch „Exploring the Edge of Empire: Soviet Era Anthropology in the Caucasus and Central Asia“ herausgegeben. Versammelt sind in dem Werk Beiträge einer Konferenz des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung in Halle/Saale, auf der 2009 sowjetische Forschungstraditionen zum Kaukasus und Zentralasien in den Blick genommen worden waren. „Unser Anliegen war es, einen Dialog der Kaukasusforscher anzustoßen“, sagt Mühlfried. Seien doch die Vertreter der Kaukasiologie recht weit über den Globus verstreut, was den wissenschaftlichen Austausch schwierig mache.
Im Fokus des neuen Buches steht die Erforschung des Kaukasus und Zentralasiens in der Zeit der Sowjetunion. Die Großmacht habe sich bemüht, ein nationales Bewusstsein bei den Völkern Zentralasiens zu wecken, sagt Florian Mühlfried. „Im Kaukasus ging es Moskau vornehmlich darum, den Willen nach Unabhängigkeit zu brechen“, so der Jenaer Kaukasiologe. Dabei sei es nicht zimperlich zugegangen: Diktator Josef Stalin, obwohl selbst Georgier, habe große Teile der intellektuellen und künstlerischen Elite des Landes eliminiert.
Die sowjetischen Kaukasus-Forscher nahmen zunächst die tiefgreifenden Umwälzungen in den Regionen in den Blick. So wurde die Kollektivierung erforscht, die starke Veränderung der Lebenswelten dokumentiert. Dazu kamen die traditionellen Themen der Ethnografen: Welche Trachten und Kostüme trugen die Einheimischen? Welche Traditionen wurden gepflegt? Mühlfried konstatiert einen starken Vergangenheitsbezug der sowjetischen Kaukasus-Forschung. In Zentralasien habe es etwas anders ausgesehen. Dort rückten der Prozess der Verstädterung und die Versuche, die Nomaden sesshaft zu machen, in den Blickpunkt der Forscher.
In den letzten Jahren ist das Interesse am Kaukasus auch bei uns größer geworden, sagt Dr. Mühlfried: „Die politischen Konflikte der jüngeren Vergangenheit haben den Blick wieder stark auf die Region gelenkt.“ Bemerkenswert sei das neue Interesse am ehemaligen „sowjetischen Orient“ auch deshalb, weil es viel über unsere Wahrnehmung der Welt verrate.
Das Buch „Exploring the Edge of Empire: Soviet Era Anthropology in the Caucasus and Central Asia“ wird am Dienstag (31. Januar) beim Tag der Kaukasiologie (www.uni-jena.de/kaukasiologie50) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena der Öffentlichkeit präsentiert. Termin ist 13.15 Uhr im Hörsaal der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (Bibliotheksweg 2). Gäste sind herzlich willkommen, der Eintritt ist frei.
Bibliographische Angaben:
Florian Mühlfried, Sergey Sokolovskiy (Hg.): „Exploring the Edge of Empire. Soviet Era Anthropology in the Caucasus and Central Asia“, LIT Verlag, Berlin 2012, 344 Seiten, Preis: 29,90 Euro, ISBN 978-3-643-90177-4
Kontakt:
Dr. Florian Mühlfried
Bereich Kaukasusstudien der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 27, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944887
E-Mail: Florian.Muehlfried[at]uni-jena.de
http://www.uni-jena.de/kaukasiologie50
Cover der neuen Publikation zur Kaukasus-Forschung.
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Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
History / archaeology, Politics, Social studies
transregional, national
Scientific Publications
German
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