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03/22/2012 17:00

Abkürzung in der Stammzellprogrammierung

Johannes Seiler Abteilung Presse und Kommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Forscher der Universität Bonn gewinnen erstmals auf künstlichem Weg Körperstammzellen aus dem Bindegewebe der Maus.

    Wissenschaftlern des Forschungszentrums LIFE & BRAIN an der Universität Bonn ist es gelungen, aus Bindegewebszellen von Mäusen auf direktem Weg Gehirnstammzellen zu gewinnen. Diese lassen sich vervielfältigen und in verschiedene Gehirnzelltypen umwandeln. Bislang war nur die Zurückprogrammierung in bereits vollständig ausgereifte oder nur begrenzt teilungsfähige Gehirnzellen möglich. Die von den Bonner Wissenschaftlern bereits im Juli letzten Jahres zur Publikation eingereichte neue Reprogrammierungsmethode ermöglicht erstmals die Gewinnung noch unreifer, sich praktisch unbegrenzt teilender Gehirnstammzellen aus herkömmlichen Körperzellen. Die Ergebnisse sind jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Cell Stem Cell“ erschienen.

    Das Team um den japanischen Stammzellforscher Professor Shinya Yamanaka stellte erstmals im Jahr 2006 aus Bindegewebszellen der Maus Stammzellen her, die sich in alle Zelltypen des Körpers differenzieren lassen. Diese induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) entstehen durch eine Rückprogrammierung in eine Art Embryonalstadium. Dieses Ergebnis ließ die Wissenschaft aufhorchen. Wenn sich aus herkömmlichen Körperzellen beliebig Stammzellen herstellen lassen, eröffnet dies große Potenziale für medizinische Entwicklungen und die Wirkstoffforschung. „Nun hat ein Team von Wissenschaftlern vom LIFE & BRAIN Zentrum an der Universität Bonn im Mausmodell eine Variante für diesen Weg nachgewiesen“, berichten Privatdozent Dr. Frank Edenhofer und sein Team am Institut für Rekonstruktive Neurobiologie (Direktor: Prof. Dr. Oliver Brüstle) der Universität Bonn. Beteiligt waren auch die Epileptologen und das Institut für Humangenetik der Universität Bonn, das Prof. Dr. Markus Nöthen leitet, der auch dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) angehört.

    Edenhofer und seine Mitarbeiter Marc Thier, Philipp Wörsdörfer und Yenal Lakes nahmen Bindegewebszellen von Mäusen als Ausgangsmaterial. Wie Yamanaka stießen sie die Umwandlung mit einer Kombination aus vier Genen an. „Ganz bewusst zielten wir jedoch auf die Herstellung von neuralen Stammzellen oder Gehirnstammzellen, nicht auf die pluripotenten iPS-Alleskönnerzellen, ab“, sagt Dr. Edenhofer. Bei diesen Zellen handelt es sich um sogenannte somatische oder adulte Stammzellen, die sich in die für das Nervensystem typischen Neurone, Oligodendrozyten und Astrozyten umwandeln können.

    Das Gen „Oct4“ ist der zentrale Steuerungsfaktor

    Entscheidender Steuerungsfaktor ist das Gen „Oct4“. „Es bereitet zwar zunächst die Bindegewebszelle für die Umprogrammierung vor, hindert sie aber später daran, in eine Gehirnstammzelle überzugehen“, berichtet der Bonner Stammzellenforscher. Während dieser Faktor bei der Gewinnung von iPS-Zellen über einen längeren Zeitraum angeschaltet wird, aktivierten die Bonner Wissenschaftler das Gen mit speziellen Techniken nur für wenige Tage. „Wenn man an diesem Schaltermolekül dreht und es zeitlich begrenzt, gelangt man direkt zu Gehirnstammzellen, welche wir als induzierte neurale Stammzellen (iNS-Zellen) bezeichnen“, sagte Dr. Edenhofer. „Oct4 stößt den Prozess an, öffnet das Erbmaterial der Zellen und macht sie klar für die direkte Umprogrammierung. Offensichtlich darf Oct4 nicht zu lange einwirken, da die Konvertierung sonst bis zum Embryonalstadium voranschreitet. Den genauen Mechanismus der Konvertierung müssen wir allerdings noch analysieren.“

    Die Wissenschaftler der Universität Bonn haben damit einen neuen Weg der Zellreprogrammierung gefunden, der im Vergleich zu den iPS-Zellen und embryonalen Stammzellen deutlich schneller geht und auch sicherer ist. „Da wir die Reprogrammierung der Zellen über das Embryonalstadium einsparen, geht unser Verfahren gegenüber der Herstellung von iPS-Zellen etwa zwei bis drei Mal schneller“, betont Dr. Edenhofer. Damit seien auch der Aufwand und die Kosten viel geringer. Außerdem sei das neuartige Bonner Verfahren mit einem drastisch reduzierten Tumorrisiko verbunden. Gegenüber anderen Verfahren zeichnet sich die Methode der Bonner Wissenschaftler durch die Herstellung nahezu unbegrenzt vermehrbarer neuraler Zellen aus.

    Geringeres Tumorrisiko und unbegrenzte Vermehrbarkeit

    Ein geringeres Tumorrisiko ist deshalb wichtig, weil in ferner Zukunft neurale Zellen defekte Zellen des Nervensystems ersetzen sollen. Eine Vision der verschiedenen internationalen Wissenschaftsteams ist es, irgendwann einmal zum Beispiel aus Haut- oder Haarwurzelzellen adulte Stammzellen zu erzeugen, diese für Therapiezwecke weiter zu differenzieren und dann in geschädigte Bereiche zu implantieren. „Bis dahin ist es aber noch ein sehr weiter Weg“, sagt Dr. Edenhofer. Die Wissenschaftler brauchen aber heute schon dringend auf einfache Weise vom Patienten zu gewinnende Gehirnstammzellen, um an ihnen in der Kulturschale verschiedenste neurodegenerative Krankheiten zu studieren und Medikamente zu testen. „Unsere Arbeit könnte die Grundlage dafür bilden, praktisch unbegrenzte Mengen an patienteneigenen Zellen zur Verfügung zu stellen.“ Die aktuelle Studie wurde zunächst an Mäusen durchgeführt. „Wir sind nun äußerst gespannt, ob sich diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen“, sagt der Bonner Wissenschaftler.

    Publikation: Direct conversion of fibroblasts into stably expandable neural stem cells, Cell Stem Cell, DOI: 10.1016/j.stem.2012.03.003
    Die Publikation erscheint in der Print-Ausgabe am 6. April 2012

    Kontakt:

    Privatdozent Dr. Frank Edenhofer
    LIFE & BRAIN Zentrum
    Institut für Rekonstruktive Neurobiologie
    Tel. 0228/6885-529
    E-Mail: f.edenhofer@uni-bonn.de


    More information:

    http://www3.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/073-2012 Bilder zu dieser Pressemitteilung (ab 17 Uhr)


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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