Symposium "LRS-Therapie zwischen etablierten und alternativen Angeboten" am 4. Mai 2002
Spezifische Schwächen beim Erwerb der Schriftsprache treten bei etwa 7 % aller Kinder, die dadurch in ihrer Entwicklung erheblich gefährdet sind, auf. Viele Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) erreichen keinen ihren intellektuellen Möglichkeiten entsprechenden Schulabschluss und somit keine adäquate Berufsausbildung. Durch chronische Misserfolgserlebnisse in der Schule besteht zudem die Gefahr psychischer Fehlentwicklungen. Insbesondere Jungen neigen infolge einer Lese-Rechtschreibstörung (LRS) zu oppositionellem Verhalten, Aggressionen und später zu Dissozialität.
Auch wenn in naher Zukunft die Bedeutung von Orthographiekenntnissen mit einer Perfektionierung von Computerrechtschreibhilfen und der Entwicklung effektiver sprachverstehender Programme abnehmen wird, wird das Problem der LRS bleiben. Die Lesefähigkeit ist in unserer Informationsgesellschaft notwendiger denn je. Für LRS-Kinder können deshalb nur durch ein frühzeitiges Erkennen und eine effektive Intervention Voraussetzung für eine ungestörte Entwicklung geschaffen werden. Die Erarbeitung wirksamer Behandlungsverfahren ist deshalb dringend erforderlich und in den letzten Jahren wurden dementsprechend zahlreiche Methoden zur Behebung einer Lese-Rechtschreibstörung entwickelt.
Wissenschaftlich begründete Verfahren berufen sich auf lerntheoretische Konzepte. Eine Überprüfung ihrer Effektivität hat jedoch ergeben, dass Erfolge nur langsam eintreten und eine langfristige, intensive Förderung notwendig ist, um relevante Ergebnisse zu erzielen. Da schnelle Erfolge mit diesen Behandlungsverfahren nicht zu ereichen sind, ist eine Suche nach Alternativen sowohl auf Seiten der Therapeuten als auch auf Seiten der Eltern verständlich. Entsprechend der damit verbundenen Nachfrage hat sich ein kaum noch zu überblickender Markt an unkonventionellen Angeboten herausgebildet. "Die Gefahr ist groß, dass auch Verfahren angepriesen werden, die keinerlei Nutzen bringen und sogar schaden" so Professor Waldemar von Suchodoletz, Leiter der Forschungsabteilung für Entwicklungsfragen des Instituts für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum der Universität München. Die Ausbreitung unkonventioneller LRS-Therapien entspricht dem allgemeinen Trend auf dem Gesundheitsmarkt. Umfragen haben ergeben, dass sich alternative Behandlungsmethoden in ganz Europa zunehmend ausbreiten. In einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach im Jahre 2000 bei 2111 Personen über 16 Jahren gaben 50 % der Befragten an, dass sie fest an die Wirksamkeit alternativer Methoden glauben und nur 3 % bezweifelten jeglichen Nutzen.
"Die Diskussion zwischen Vertretern naturwissenschaftlich begründeter und alternativer Therapieangebote verläuft häufig emotional, wenig sachbezogen und damit in der Regel unfruchtbar," weiß von Suchodoletz. "Obwohl das Thema von erheblicher praktischer Relevanz ist, spielt eine Auseinandersetzung mit alternativen Therapieangeboten in der LRS-Debatte nur eine untergeordnete Rolle. Um Denkanstöße zu einem konstruktiven Gedankenaustausch zu geben, sollen auf dem Symposium Grundprinzipien etablierter und unkonventionellen Behandlungsverfahren zur Diskussion gestellt und Unterschieden sowie Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden."
Um der Nachfrage gerecht zu werden - das Symposium ist ausgebucht und eine Teilnahme seit Wochen nicht mehr möglich - wird eine Publikation der Tagungsergebnisse vorgelegt.
http://www.kjp.med.uni-muenchen.de
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research projects, Research results
German
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