Das Friedensgutachten 2012: Globale Machtverschiebungen verlangen nach gemeinsamer Sicherheit und Kooperationsmacht
Vorbei sind die Zeiten unangefochtener Dominanz des Westens. Die BRICS-Staaten gewinnen an Einfluss. Die friedenspolitischen Implikationen dieser Verschiebungen stehen im Fokus des diesjährigen Friedensgutachtens.
Die USA geben für ihr Militär mehr Geld aus als der Rest der Welt zusammen. Sind sie dadurch sicherer geworden? Wir bezweifeln es. Militärische Überlegenheit konnte die Regime in Afghanistan und im Irak stürzen, doch beide Länder bleiben unbefriedet. Von den Kosten ganz zu schweigen. Während die USA zwei Kriege führten und ihr Militärbudget in zehn Jahren auf über 700 Mrd. USD verdoppelten, brachte China seine Wirtschaft voran und hortete Devisen. Dem Aufstieg der BRICS-Staaten korrespondiert der relative Abstieg des Westens – das nährt Warnungen vor einer angeblich unvermeidlichen Konfrontation, für die man sich wappnen müsse. Doch gibt es kein Naturgesetz, dem zufolge Machtübergänge zu Kriegen führen. Die Ökonomien des aufsteigenden Ostens und des von der Krise gebeutelten Westens sind so miteinander verflochten, dass Machtverschiebungen kein Nullsummenspiel sind. Ihren Boom verdanken die ökonomisch erfolgreichen BRICS-Staaten, vor allem China, der bestehenden Weltwirtschaftsordnung – warum sollten sie diese beseitigen wollen? Wir plädieren dafür, die BRICS-Staaten mehr in die internationale Verantwortung einzubeziehen. Die globalen Machtverschiebungen verlangen neues Denken: Sicherheit ist nicht mehr gegen, sondern nur noch miteinander zu erreichen.
Die EU, mit ihrer Krise beschäftigt, ist nicht auf der Höhe der Zeit. Wir brauchen einen „New Deal für Europa.“ Sonst drohen Europa und der Sozialstaat vollends unter die Räder zu geraten. Die Euro-Krise drängt Deutschland in eine europäische Führungsverantwortung. Diese ist etwas anderes als Herrschaft: Sie organisiert den Konsens der anderen, indem sie ihre Interessen berücksichtigt. Man nennt das Kooperationsmacht.
Das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien ist das falsche Signal. Geboten sind vielmehr Rüstungskontrolle und Abrüstung und nicht mehr, sondern weniger Rüstungsexporte. Wir fordern die Bundesregierung zudem auf, sich für die Aufnahme bewaffneter Drohnen als eigenständige Kategorie in das UN-Waffenregister einzusetzen und mittels Rüstungskontrolle auf ihre Ächtung zu drängen.
Die gegenwärtigen Machtverschiebungen haben noch eine andere Dimension: die Diffusion staatlicher Macht zu transnationalen Akteuren. Diese stellen die Steuerungsfähigkeit der Politik in Frage. Mehr als früher befassen wir uns mit den gesellschaftlichen Folgen der Globalisierung. Denn die sich vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich nagt an der demokratischen Legitimität und bedroht den inneren Frieden. Dass Demokratien scheitern können, darf nicht in Vergessenheit geraten.
Seit Monaten reißen beklemmende Berichte über die Gewalt in Syrien nicht ab, sie hat bereits 10.000 Todesopfer gefordert. Eine Militärintervention schließt der Westen aus guten Gründen aus. Im Nachbarstaat Libanon einigten sich nach einem 15 Jahre währenden Bürgerkrieg die Antagonisten 1990 auf ein Friedensabkommen. Wäre ein „schmutziger Frieden“ auch in Syrien besser als ein endloser Bürgerkrieg? Unabhängig davon muss die Staatengemeinschaft humanitäre Hilfe leisten und die Nachbarstaaten bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge unterstützen.
Israelische Regierungsmitglieder kündigen seit Monaten an, man werde Irans Nuklearprogramm mit Luftschlägen stoppen. Das wäre völkerrechtswidrig. Zudem würde Teherans Atomprogramm so zwar verlangsamt, aber nicht gestoppt – im schlechtesten Fall sogar beschleunigt. Es gibt keine Alternative zur Diplomatie. Israel und Iran benötigen Sicherheitsgarantien, die mit der Perspektive einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten zu verbinden sind. In der zusammenwachsenden Welt des 21. Jahrhunderts brauchen wir keine Nuklearwaffen, sondern umgekehrt glaubwürdige Schritte in Richtung Global Zero. Es wäre fatal, die Gelegenheit für die richtige friedenspolitische Weichenstellung zu verpassen.
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Das Friedensgutachten 2012
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German
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